"Was, Sie glauben mir nicht?" fragt gegen Mitte dieses Films eine Figur, die uns bereits mehrere differierende Geschichten als Wahrheit verkauft hat, und schließt mit den Worten "Den Rest kennen Sie ja." Ungewollt kommentiert wird damit das größte Problem von John McTiernans Militärthriller "Basic": Glauben kann man hier niemandem und Hintergründe werden dem Zuschauer auf unfaire Art vorenthalten. Dabei hat ja die Taktik, eine Geschichte retrospektiv aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen seit Kurosawas Klassiker "Rashomon" nicht nur einen festen Platz im Filmemachen, sondern auch einen gewissen Reiz. Denn das Mosaikartige, das Zusammenpuzzeln einer möglichst objektiven Wahrheit aus subjektiven Wahrheiten (oder Täuschungen?), damit spielt auch James Vanderbilts Drehbuch zu "Basic". Die Fakten, mit denen der Zuschauer konfrontiert wird, sind folgende: Der verhasste Schleifer Sergeant West (Samuel L. Jackson) brach mit sechs Soldaten zu einer Übung auf, und nur zwei Soldaten kehren lebend zurück. Einer ist tot, drei - darunter West - bleiben verschwunden. Was ist also dort draußen im Dschungel passiert? Um diese Frage zu beantworten, wird Tom Hardy (John Travolta) in die Militärbasis Fort Clayton in Panama beordert, um zusammen mit der Militärpolizistin Julia Osborne (Connie Nielsen) die überlebenden Soldaten zu verhören und die Vorfälle aufzuklären. Ihr Problem: Nicht nur, dass die beiden Überlebenden Dunbar (Brian Van Holt) und Kendall (Giovanni Ribisi) unterschiedliche Geschehnisse schildern, sondern um diese fehlgeschlagene Militärübung scheinen sich diverse dunkle Geheimnisse zu ranken... Die amerikanischen Kritiken waren vernichtend, die Einspielergebnisse ebenso. Wir müssen jedoch konstatieren: "Basic" ist kein wirklich schlechter Film, sondern vor allem ein frustrierender und sehr ärgerlicher. Denn ein multiperspektivisches Drehbuchkonzept oder ein Film mit vielen Storywendungen - "Basic" ist beides - kann nur funktionieren, wenn einigermaßen fair gespielt wird. Soll heißen: Eine Story kann zwar viele unvermittelte und unvermutete Wendungen haben, diese müssen aber trotzdem noch nachvollziehbar und auch einigermaßen glaubwürdig sein. Ein Film wie "Wild Things" verstand es, seine fast lächerlich hohe Zahl an Wendungen so zu verkaufen, dass der Zuschauer ganz zum Schluss ein befriedigendes Gefühl hat, da alles irgendwie aufgeht. Filme mit genialen, alles verändernden Schlusspointen wie "The Sixth Sense" oder "Die üblichen Verdächtigen" funktionierten deswegen so großartig, weil hier nicht geschummelt wird und man beim zweiten Sehen (zu dem einen diese Filme geradezu herausfordern) genau nachvollziehen kann, wie man zum Wendepunkt kommt. Zu allem Überfluss hat die Geschichte aber auch noch größte Logik- und damit Glaubwürdigkeitsdefizite. So hängt der Genuss des Films auch damit zusammen, wie bereitwillig man eine zentrale Storywendung (Stichwort: ethnische Identität) akzeptiert. Diese ist nämlich so unlogisch, unglaubwürdig und schlichtweg dämlich, dass für manchen Zuschauer der Film zu diesem Zeitpunkt nur noch lächerlich wird. Drückt man beide Augen plus sämtliche Hühneraugen zu, dann bringt sich "Basic" durchaus ansprechend ins Ziel und baut kurz vor Schluss tatsächlich Spannung auf (Stichwort: "Section Eight"). Leider übertreibt man es dann aber und gerät durch die Schlusswendung massiv ins Stolpern. Die letzte Pointe bietet zwar eine ungewöhnliche, absolut nicht vorhersehbare und in Ton und Stimmung interessante Schlussszene, sorgt aber im Bereich Charaktermotivation für größte Probleme: All dieses Brimborium, fragt man sich als Zuschauer, um dieses Ergebnis zu erreichen? Hätten die beteiligten Figuren das nicht simpler haben können? Ähnlich empfindet man auch dem Film gegenüber: All das Mitdenken, all das Mitfiebern, für das? Auch durch die Schlusspointe fühlt man sich betrogen, denn damit charakterisiert "Basic" sich selbst als im Grunde genommen sinnlose Charade. Dass der Film trotzdem noch eine halbwegs versöhnliche Wertung bekommt, liegt daran, dass Regieveteran John McTiernan die Spannung auf recht hohem Pegel hält und das ganze immerhin routiniert in Szene setzt. Das ist nach seinem "Rollerball"-Desaster ja immerhin schon etwas. John Travolta wird dieser Film allerdings nicht weiterbringen, auch wenn er einen Hit mittlerweile dringend nötig hat. Seine Rollenauswahl und Einspielergebnisse der jüngeren Vergangenheit sind ein einziges Katastrophengebiet - über allem thronend natürlich der Scientology-Science-Fiction-Müll "Battlefield Earth" - und seine 20-Millionen-Gehaltsschecks ist Travolta schon lange nicht mehr wert. Wie verzweifelt man versuchte, "Basic" zu pushen, ist daran zu sehen, dass man den Film damit bewarb, es wäre die erste Leinwandpaarung von Travolta und Samuel L. Jackson seit ihrem unvergesslichen Auftritt in "Pulp Fiction". Nicht nur scheint diese Großtat reichlich lange her, dieses Werbeargument ist auch lachhaft. Denn Jackson hat nur etwa gute zwanzig Minuten Leinwandzeit und er agiert (so gut wie) gar nicht mit Travolta zusammen. Wer mit Travolta ständig zusammen agiert ist Connie Nielsen, die sich auch ganz ordentlich gegen den statisch wirkenden und offenbar auf Autopilot spielenden Ex-Tanzbären behauptet, aber das bringt ja nicht zwangsläufig Zuschauer ins Kino. "Basic" ist ein Film, der sich mit der eigenen Prämisse ins Bein schießt. Abstruse Storywendung um abstruse Storywendung halten zwar das Spannungsniveau aufrecht, rauben dem Film aber Zuschauerinteresse, emotionale Resonanz und Daseinsberechtigung, nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Unterhält man sich während der recht kurzweiligen 94 Minuten noch einigermaßen gut, so bricht dieser Film zusammen wie ein Kartenhaus, sobald man sich die Mühe macht, ein wenig über ihn nachzudenken. Das kann nicht Sinn der Sache gewesen sein und macht auch den Kritiker zum Schleifer. Also: Zusätzliche Liegestütze für die unter Beobachtung stehenden Travolta und McTiernan, komplette Wiederholung der Grundausbildung für Drehbuchautor James Vanderbilt. Und jetzt wegtreten. |
Land
Jahr
2003
Laufzeit
94 min
Regie
Release Date
Bewertung
Bilder: Copyright
Constantin Film
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