The Banshees of Inisherin

Jahr
2022
Laufzeit
114 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Matthias Kastl / 9. Januar 2023

Manchmal reichen ja schon kleine Ideen für ganz großes Kino. So genügt schon eine abrupt beendete Freundschaft, um in “The Banshees of Inisherin“ für gehörig Aufregung auf einer kleinen irischen Insel zu sorgen. Mit Colin Farrell und Brendan Gleeson greift Regisseur Martin McDonagh dabei auf die beiden Hauptdarsteller aus seinem 2008er-Kulthit “Brügge sehen...und sterben“ zurück und beweist damit auch hier wieder ein ziemlich glückliches Händchen. Dank liebevoll gezeichneter Figuren, bissigem Witz und einem charismatischen Schauspielensemble entpuppt sich diese Wiedervereinigung als äußerst unterhaltsames Vergnügen für das Publikum, auch wenn der Film den Konflikt zwischen seinen beiden Protagonisten vereinzelt ein wenig zu arg auf die Spitze treibt.

Die meisten Konflikte im Film entstehen, wie es sich für eine einsame irische Insel natürlich gehört,  im lokalen Pub. Und mit niemandem geht Padraic (Colin Farrell, “Kill the Boss“, “Miami Vice“) lieber dort hin als mit seinem Freund Colm (Brendan Gleeson, “The Guard“, “Green Zone"). Bis Colm eines Tages ohne große Erklärung Padraic die Freundschaft kündigt, was diesen vollkommen verdattert alleine am Tresen zurücklässt. Anstatt auf den Rat seiner Schwester Siobhan (Kerry Condon, “Better Call Saul“) zu hören, weigert sich Padraic aber standhaft dieses abrupte Ende zu akzeptieren. So kommt es zum Duell zweier äußerst sturer Hunde, bei dem schon bald mehr als nur gekränkte Männerseelen auf dem Spiel stehen.  


Schon “Brügge sehen... und sterben“ nutzte ja gekonnt den Ort seiner Handlung, der damals sowohl für Schönheit als auch Langeweile stand, um die Konflikte zwischen seinen Protagonisten zu schärfen. Ähnlich nutzt nun Regisseur Martin McDonagh ("7 Psychos", "Three Billboards outside Ebbing, Missouri") auch das Setting einer einsamen irischen Insel im Jahre 1923 in “The Banshees of Inisherin“. Die teilweise spektakulär anzuschauende Naturkulisse könnte direkt aus aus einem Werbevideo des irischen Tourismusverbandes stammen, während gleichzeitig aber ein großer Schleier trister Langeweile gefühlt über allen Figuren hängt. Gleichzeitig brodelt es auch spürbar unter der scheinbar ruhigen Oberfläche des Inselalltags, was der Film immer wieder auch durch das kurze inhaltliche Aufblitzen des auf dem Festland stattfindenden Bürgerkriegs andeutet.

Und so steht der so banal beginnende Konflikt zwischen Padraic und Colm sinnbildlich für die  Unfähigkeit vieler Menschen, Konflikte vernünftig zu lösen. Damit dieses Gleichnis aber nicht zu traurig daherkommt, verpackt man es hier in eine ordentliche Portion Humor und über weite Strecken geradezu ansteckende Leichtigkeit. Mit unglaublich viel Liebe zeichnet der Film ein einfühlsames Porträt der schrulligen Inselgemeinschaft und platziert dabei geschickt immer wieder wundervolle kleine Gags und absurde Dialoge, die dafür sorgen, dass man fast konstant am schmunzeln ist. Die tratschende Verkäuferin, der fluchende Priester oder der etwas zu gewalttätige Inselpolizist – viele Figuren haben offensichtliche schlechte Seiten, die aber immer wieder gekonnt dadurch abgefedert werden, dass man deren Charaktereigenschaften überzeichnet und mit einem ordentlichen Spritzer Humor versieht.


Stellenweise erinnert der Film dabei ein wenig an die wundervolle irische Comedy-Serie “Father Ted“ aus den 1990ern, die ebenfalls skurrile Charaktere auf einer einsamen Insel persifliert und sowas wie nationales irisches Kulturgut (und eine absolute Empfehlung) ist. Die besten Momente des Films sind dabei Colin Farrell vergönnt, der als wild entschlossener Einfallspinsel Padraic die treibende Kraft der Geschichte ist. Farrell gelingt es dabei sehr gut beim Zuschauer Verständnis für seine im weiteren Verlauf nicht unbedingt sympathischer werdende Figur zu generieren. Unterstützt wird er dabei auch von einem Drehbuch, das seinen Figuren während dieses Kleinkrieges immer wieder nette und wichtige kleine Charaktermomente serviert. So wächst uns eigentlich fast jeder hier ein klein wenig ans Herz, auch wenn wir uns einen festen Wohnsitz auf dieser Insel unter keinen Umständen vorstellen könnten.

Im Vergleich zu Padraic erfahren wir über die Figur des Colm dagegen deutlich weniger. Die lebt schon sehr von der ausdrucksstarken Präsenz Gleesons. Gleeson versteht es aber exzellent, trotz des Dauergrummelzustandes seines Charakters, die genau richtige Portion Charme für die Figur auf die Leinwand zu bringen. Um die eher schlechte Laune und Unvernunft der beiden Protagonisten auszugleichen gibt es aber glücklicherweise noch Padraics Schwester Siobhan, stark gespielt von Kerry Condon. Das ist eigentlich die einzige normal wirkende Person auf der ganzen Insel, die nicht nur als wichtige Identifikationsfigur agiert, sondern der auch die Ehre vergönnt ist, gegenüber ihrem Bruder mit all dem Testosteron-Kindergarten auf der Insel in einem einzigen Satz abzurechnen.  


All das macht “The Banshees of Inisherin“ über weite Strecken zu einem wundervoll leichtfüßigen Film, dessen liebevolle Umsetzung einen immer wieder daran erinnert, wie simpel schönes Kino einfach sein kann. Alles gelingt dem Film aber auch nicht. So entscheidet man sich dazu, den Konflikt zwischen den beiden Protagonisten im späteren Verlauf um sehr drastische Konsequenzen anzureichern. Diese Überspitzung der Ereignisse wirkt aber gerade in Bezug auf manche Handlungen von Colm teils nur schwer nachvollziehbar und so manchmal eher irritierend als gelungen. Ein klein wenig reißt dies einen immer wieder aus dem Film, beraubt ihn ein wenig seiner Leichtigkeit und auch der emotionalen Wucht – gerade auf den letzten Metern.

Freude hat man trotzdem jede Menge mit diesen merkwürdigen Gestalten auf dieser kleinen irischen Insel. Am Besten man gönnt sich darauf nach dem Kinobesuch noch ein ordentliches Bier im Pub.

Bilder: Copyright

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