Wer seinen Humor schwärzer als seinen Kaffee mag, findet in „The Guard – Ein Ire sieht schwarz“ einen der witzigsten Filme dieses Jahres. Die Mischung aus Tarantino, „Hot Fuzz“ und irischer Provinzkaffkomödie mit fantastischem Soundtrack voll Spaghetti-Western-artigem „Desert Rock“ der U.S. Band Calexico ist ein Riesenspaß, in dem durchgehend geflucht wird, es dauernd Seitenhiebe auf den Sündenpfuhl Dublin regnet, merkwürdige Gestalten die wilde Landschaft Connemaras bevölkern und ein jeder Drogen nimmt oder anderweitig sündigt. Von Pol Pot bis Kris Kristofferson reichen die Anspielungen, meist rabenschwarzer Art, während die Bösewichte über Bertrand Russell, Dylan Thomas und die Sinnlosigkeit allen Tuns diskutieren.
Wer nach diesem Absatz noch nicht abgeschreckt ist, dem sei der sofortige Konsum dieser süchtig-machenden schwarzen Komödie empfohlen. Eigentlich ist „The Guard“ nur ein Buddy Movie und ein Fisch-aus-dem-Wasser-Film, in dem ein unkonventioneller irischer Küstenwächter auf einen regelbefolgenden FBI-Agenten aus den USA trifft, um einen Mord und einen Fall von Drogenschmuggel in großem Stil zu lösen. In Wirklichkeit ist der Plot jedoch völlig egal und läuft nebenher, denn Regisseur und Drehbuchautor John Michael McDonagh ist hauptsächlich interessiert an seiner Hauptfigur, einem unfassbar witzigen Brendan Gleeson in der bisher schönsten Rolle seines Lebens.
John Michael McDonagh ist der bisher unbekanntere Bruder von Martin McDonagh, Regisseur von „Brügge sehen… und sterben?“. Beide Brüder eint eine große Vorliebe für fluchende Charaktere und rabenschwarzen Humor, wie sich hier deutlich zeigt (man fragt sich, wie die Küchentischgespräche der Familie McDonagh früher ausschauten). In einer Szene in „The Guard“ kommt Sergeant Boyle zu einem rotzfrechen Buben, der eine Tasche mit Waffen gefunden hat und fragt diesen, was er allein mitten in der Pampa macht. Der Kleine antwortet: "Heroin." Dann unterhalten sie sich einfach weiter.
Sergeant Gerry Boyle (Brendan Gleeson, „Brügge sehen und sterben", Mad-Eye Moody der Harry-Potter-Filme) gehört zur Garda (gälisch für die Küstenwache) in Connemara. Er hält sich an wenig Regeln, flucht, sobald er den Mund öffnet, bestellt sich an seinem freien Tag Prostituierte aus Dublin ins Haus, wirft auch mal Acid ein, dass er einem Unfallopfer abnimmt, besucht aber immerhin regelmäßig seine krebskranke Mutter im Heim – die genauso flucht. Als es zu einer Verkettung aus Mord und Drogenschmuggel vor der Küste kommt, wird ihm ein FBI-Agent an die Seite gestellt. Wendell Everett (Don Cheadle, „Hotel Ruanda“, Ocean 11-13) hält sich an alle Regeln, ist gebildet und nicht gerade begeistert vom wilden Boyle, der einen rassistischen Spruch nach dem anderen raushaut.
Dies ist eindeutig die beste Rolle, die Brendan Gleeson je hatte: Jeder Gesichtsausdruck sitzt, jeder Satz trifft exakt unter die Gürtellinie und lässt den Zuschauer nach Luft schnappen. Voller Körpereinsatz wird gezeigt, wenn Gleeson presswurstartig im Neoprenanzug aus den eisigen Fluten steigt oder in Unterhose zu Hause Besuch empfängt. Die restliche Besetzung ist ebenfalls erstaunlich gut besetzt, doch leider kommen die Nebendarsteller neben Gleeson nur wenig zur Geltung, da zum Beispiel Cheadle nur reagieren darf statt eigene Pointen setzen zu dürfen. Erwähnenswert sind jedoch die drei köstlichen Schmuggler (Liam Cunningham, Mark Strong, David Wilmot), die an „Pulp Fiction“ erinnern, und Boyles krebskranke Mutter, gespielt von Fionnula Flanagan.
Wilde Farben, tolle Bilder, gute Schnitte, ein cooler Soundtrack, irre Charaktere und bitterböser Dialog. Was will man eigentlich mehr? Die Originalfassung besser verstehen, denn übersetzt sind die Witze leider nicht ganz so pointiert. Doch aufgrund des schwerverständlichen irischen Akzents hatte es "The Guard" in den USA auch nicht gerade leicht. Vielleicht genießt der Nicht-Ire diesen Film am schönsten eines Tages auf DVD mit Untertiteln. Solange bleibt zu hoffen, dass das Talent der Gebrüder McDonagh uns auch weiterhin so wunderbar schwarze Komödien beschert. 2012 können wir uns davon überzeugen, wenn „Seven Psychopaths“ von Martin McDonagh in die Kinos kommt – eine schwarze Komödie über Drehbuchautoren und Hunde-Kidnapping mit Mickey Rourke, Colin Farrell und Christopher Walken.
Neuen Kommentar hinzufügen