Mel Gibson: einstiger Kultstar, Sektenmitglied und in den letzten Jahren hauptsächlich als kontroverser Regisseur seiner eigenen Traumprojekte tätig. Man findet nicht allzu viele Stars, die solch eine Ambivalenz aufweisen wie Gibson. Die einen sehen in ihm immer noch den Actionstar an der Seite von Danny Glover, der lieber schießt statt Fragen zu stellen. Andere sehen in ihm einen religiösen Spinner und Alkoholiker, den man kaum noch ernst nehmen kann. Mit "Auftrag Rache" meldet er sich nun nach sieben Jahren als Darsteller zurück - in einer Rolle, die kaum neue Facetten zu Tage fördert, aber die Gibson einfach zu liegen scheint.
"Auftrag Rache" ist das Hollywood'sche Remake der gleichnamigen, sechsteiligen britischen BBC-Miniserie aus dem Jahre 1985. Regie führt Martin Campbell, der jüngst mit "Casino Royale" bewies, dass er moderne Action versteht, die nicht nur unglaublich temporeich, sondern auch optisch auf ein neues Level getragen wird. Jason Bourne lässt grüßen. Auch wenn Campbells letzter Film klar Richtung Action ging und auch die Trailer zu "Auftrag Rache" einen solchen Eindruck erweckten, so ist Campbells neuer Film dennoch viel mehr ein spannender Polit-Thriller mit einigen Gewaltspitzen, weniger ein geradliniger Actionknaller, wie zuletzt "96 Hours", mit dem "Auftrag Rache" im Vorfeld oftmals verglichen wurde.
Thomas Craven (Mel Gibson) ist ein aufrichtiger Cop, der in Boston ein einsames Dasein fristet. Als ihn eines Tages seine erwachsene Tochter Emma (Bojana Novakovic) besucht, die er seit Jahren nicht gesehen hat, schöpft er neue Kraft, bis es spätabends an der Tür klingelt. Ein Unbekannter feuert ohne jegliche Vorwarnung auf die beiden, trifft Cravens Tochter dabei tödlich. Schockiert macht sich Craven auf die Suche nach den Hintermännern und findet heraus, dass seine Tochter als Atomingenieurin für das Unternehmen Northmoor arbeitete, das enge Kontakte zur US-Regierung pflegt. Sie und eine kleine Gruppe von Helfern, die sie heimlich einschleuste, versuchten einen Atomskandal aufzudecken, der weitaus größer und gefährlicher scheint, als es Northmoor und der Regierung lieb sein kann. Besonders Senator Pine (Damian Young) ist tief darin verstrickt. Craven ermittelt auf eigene Faust und legt einen immer größeren Sumpf aus Intrigen und Machtinteressen offen, der bis an die Spitze der Vereinigten Staaten und ihrer nationalen Sicherheit reicht.
Was als einfühlsames Vater-Tochter-Drama beginnt, schlägt schnell und drastisch eine andere Richtung ein. Gerade noch sehen wir Craven und seine Tochter am Abendtisch sitzen, unterbrochen von sentimentalen Rückblenden, wie Emma als kleines Mädchen mit ihrem Vater am Strand spielte, da bricht urplötzlich die Gewalt über dieses Szenario herein. In drastischer Explizität zeigt Campbell wie Emma aus Cravens Leben gerissen wird. Es sind ebenjene Gewaltspitzen, die "Auftrag Rache" zu einem nicht gerade konventionellen Thriller machen, und auch wenn der Film mit dem Tempo von vielen anderen Rache-Streifen (siehe z.B. der erwähnte "96 Hours") nicht mithalten kann, so sind es doch diese unerwarteten Brüche, die ihn auszeichnen.
Ansonsten ist das Strickmuster wohlbekannt: Da wäre der sinistre Northmoor-Chef Bennett (Danny Huston), aus dessen bösartigen Motiven zwar von Beginn an kein Hehl gemacht wird, der aber dennoch irgendwie unberechenbar erscheint. Er steht für das düstere Corporate-Amerika, das die finanziellen Eigeninteressen stets über alles andere stellt und das vor allem im Bereich der Rüstung enge Kontakte zu Spitzenpolitikern wie Senator Pine (Damian Young) pflegt - selbstverständlich ein Republikaner. Aus den politischen Affinitäten macht Regisseur Campbell kein großes Geheimnis, in großen Lettern steht da in den News, welcher Partei Pine und Kollegen angehören. Das alles mag für einige Verschwörungstheoretiker vielleicht interessant sein, reicht aber nicht um den Zuschauer mit solch einem Thrillerplot vom Hocker zu reißen. Natürlich wissen wir alle, dass undurchsichtige Rüstungsunternehmen böse sind und die Regierung auch nicht davor zurückschreckt für ihre Interessen zu töten.
Es sind vor allem andere Qualitäten, die "Auftrag Rache" dennoch zu einem spannenden und sehenswerten Film machen, allen voran Raubein Ray Winstone, der mit dickem Akzent und viel Kultur (hier eine Zigarre, da ein Glas Rotwein und nie um einen coolen Spruch verlegen) den Mann spielt, der sich scheinbar auf allen Seiten zugleich befindet - oder eben auf gar keiner. Zudem ist "Auftrag Rache" in technischer Hinsicht absolut nichts vorzuwerfen, denn schon lange sah kein Thriller mehr so düster und dabei doch so elegant und rasant aus. Zu keinem Zeitpunkt weiß man genau, was als nächstes passiert, und spätestens nach dem ersten "Schock" rechnet man damit, dass sich das Ganze jederzeit in jedwede Richtung drehen kann. Das ist bisweilen zwar etwas zu viel des Guten, aber es ist vor allem packend, zumal Howard Shores Score das alles hervorragend musikalisch untermalt.
Und schlussendlich ist es dann eben doch eine besondere Freude, Mel Gibson mal wieder in solch einem Part zu sehen, wie er sich von einem Wendepunkt zum nächsten ermittelt, kämpft und schießt. Schließlich wird die Geduld, die man an einigen Stellen mitbringen muss, auch endlich belohnt, wenn "Mad Mel" endgültig von der Leine gelassen wird und den eiskalten Rächer spielen darf. Das ist zwar weniger spektakulär, als es klingen mag, aber es ist nach all den Jahren, in denen Gibson entweder spirituell oder komödiantisch unterwegs war, doch mit gewissem nostalgischem Mehrwert verbunden, wenn er mit finsterer Miene und der Waffe im Anschlag die bösen Jungs bestraft und gleichzeitig noch die amerikanische Demokratie rettet.
Das tröstet dann auch über das äußerst kitschige Ende hinweg, das vor Pathos nur so trieft. Was allerdings auch irgendwie konsequent ist, denn spätestens hier macht "Auftrag Rache" deutlich, dass es ihm nicht wirklich um einen ernsthaften politischen Diskurs geht, sondern vielmehr um spannende Unterhaltung - und die bietet der Film allemal.
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