Ursprünglich hat dieser Film wohl mal wie eine ziemlich gute Idee mit ordentlichen Erfolgsaussichten geklungen. Schließlich hatte Martin Scorseses Porträt von Luftfahrt-Pionier Howard Hughes 2004 nicht nur sehr respektable Einspielergebnisse, sondern auch elf Oscar-Nominierungen und fünf Auszeichnungen eingefahren. Warum also nicht mit ähnlichem Konzept quasi die weibliche Version von "Aviator" auflegen? Voilà: "Amelia", ein Film über die legendäre erste Frau in der Männerwelt des Fliegens, mit der zweifachen Oscar-Preisträgerin Hilary Swank ("Million Dollar Baby", "Boys don't cry") in der Hauptrolle, bewährten und beliebten Männern an ihrer Seite, einer namhaften Filmemacherin auf dem Regiestuhl und einem ausreichenden Budget für genug ansprechende Kostüme und Ausstattungs-Details, um die goldene Ära der Flugpioniere in den 1930er Jahren wieder aufleben zu lassen. Kurz gesagt: Dieser Film ist typischstes Oscar-Futter in jeder Hinsicht.
Wer sich jetzt verdutzt am Kopf kratzt, da er sich überhaupt nicht dran erinnern kann, den Namen "Amelia" im Kontext der letzten Oscar-Verleihung vernommen zu haben, muss nicht an den Fähigkeiten des eigenen Gedächtnisses zweifeln - denn da gab es nichts zu vernehmen. Wirklich überhaupt gar nichts. Die Produzenten dieses Films haben sicherlich mal mit fünf bis zehn Nominierungen spekuliert. Dass sie am Ende nicht eine einzige bekommen haben, ist mehr als gerechtfertigt, denn derart platt, langweilig und leblos ist selten ein aufwändig inszeniertes Hollywood-Epos mit historischem Flair ausgefallen.
Hier ist alles lieb- und ideenlos zusammengefügtes Stückwerk. Schon dem Film so etwas wie einen erzählerischen Bogen zu unterstellen, würde zu weit gehen. Der Standardformel für ein Hollywood-Biopic folgend, beginnt der Film am Ende (mit Earharts Start zu ihrem Flug rund um die Welt, den sie auf der letzten Etappe über dem Pazifik schließlich mit dem Leben bezahlen sollte) und spult seine eigentliche Handlung in Rückblenden ab. Er steigt in Earharts Leben ein zum Zeitpunkt ihres ersten medienwirksamen Auftritts, als sie der Publizist (und ihr späterer Ehemann) George Putnam (vollkommen farblos: Richard Gere) rekrutiert, um als erste Frau über den Atlantik zu fliegen - wohl gemerkt nicht selbst am Steuer, sondern nur als bessere Passagierin eines männlichen Piloten. Die wackere und sehr ambitionierte Dame muss schon noch ein bisschen kämpfen, bis sie in dieser von Männern dominierten Welt ihre ersten alleinigen Flugabenteuer bestehen und die Welt beeindrucken darf. Und die wichtigsten Etappen dieser Karriere hakt der Film dann auch brav der Reihe nach ab, von Earharts tatsächlichem Transatlantik-Solo-Flug über ihre Geschäfts- und Liebesbeziehung mit dem Fluglinien-Pionier Gene Vidal (auch vollkommen farblos: Ewan McGregor) bis hin zu ihrem ambitionierten (und letztlich tragischen) Vorhaben, die Welt zu umfliegen.
Das Problem: Das alles findet hier einfach nur statt, es passiert eben, ohne dass zu irgendeinem Zeitpunkt so etwas wie emotionale Involvierung am Geschehen entsteht. Besonders eklatant ist das bei den zwei zentralen Männer-Beziehungen Earharts: Man hat gar nicht mitbekommen, wie sich die beiden ineinander verliebt haben, da sind Amelia und George Putnam auch schon verheiratet. Und bei Gene Vidal scheint es zu reichen, nur ein paar Sätze mit ihm zu wechseln, und schon wird im Aufzug geknutscht und die Nacht miteinander verbracht. Egal, dass beide verheiratet sind. Das wird hier jedenfalls nicht wirklich als Problem wahrgenommen, höchstens als eine antiquierte gesellschaftliche Konvention, die eine starke Frau wie Amelia Earhart sicher nicht davon abhalten kann, ihren Leidenschaften zu folgen, ihre Freiheit zu leben und sich selbst zu verwirklichen. Welch eine Vorreiterin der Emanzipation!
Tatsächlich ist der fast schon missionarische Ton, mit dem eine Frau hier unbeirrt ihren Weg geht, schon bald unerträglich, derart eintönig heldenhaft wird Amelia Earhart hier porträtiert. Es wäre mehr als möglich gewesen, hier einen facettenreichen, durchaus zerrissenen Charakter zu etablieren, nicht nur, weil Amelia offensichtlich mit den Gefühlen des ihr völlig erlegenen Putnam spielt, um sich ihre eigene Freiheit zu erhalten; es deutet sich auch eine fast schon neurotische Ambition an, die eigenen Grenzen und Rekorde immer weiter auszureizen - was letztlich wohl Earharts Tod zur Folge hatte. Wirklich zeigen will "Amelia" solche Schattenseiten aber nicht, denn das stände ja der hier zelebrierten Heldinnenverehrung im Weg. Resultat ist eine Hauptfigur, die mit ihrem über-idealistischen Enthusiasmus und dem unentwegten Lächeln, mit dem sie mutig jeder Herausforderung entgegentritt, einfach nur flach und langweilig daher kommt.
Das wird sicher auch nicht besser durch die sterilen, prätentiösen Dialoge, die den ganzen Film durchziehen in einem sehr offensichtlichen Bemühen, "classy" und niveauvoll klingen zu wollen, dabei aber nur grässlich aufgesetzt wirken, vor allem wenn Frau Earhart in ihre eigenen Gedanken über das Fliegen versinkt und per Voice Over wohlformulierte Gelegenheits-Poesie über die Schönheit der Welt und die Kraft der Selbsterfüllung zum Besten gibt - während Hilary Swank wieder gedankenverloren und sanft entrückt in die Kamera lächelt.
Was von Swank (die diesen Film auch mitproduzierte) und Regisseurin Mira Nair ("Monsoon Wedding", "Vanity Fair") als beeindruckendes Porträt einer starken Frau gedacht war, verkommt in seiner sprunghaften Erzählung und der komplett einseitig-heroischen Darstellung seiner Hauptfigur zu einer grässlich platten Variante der erbaulichen "Eine Frau geht ihren Weg"-Geschichte, wie man sie jedes Wochenende im öffentlich-rechtlichen TV sehen kann. Da sind die Kostüme vielleicht nicht ganz so edel, die Schauspieler nicht ganz so berühmt und die schönen Luftaufnahmen exotischer Landschaft nicht ganz so betörend, aber erzählerisch bewegt man sich hier kaum auf anderem Niveau. Und das ist einem Film mit so hoch greifenden Ambitionen wie diesem schlicht nicht zu verzeihen.
Das wurde dann auch völlig zurecht abgestraft, nicht nur durch die Oscar-Akademie, die "Amelia" richtigerweise komplett ignorierte, sondern auch durchs Publikum - in den USA spielte der Film nicht einmal 15 Millionen Dollar ein. Wenn nach knapp 110 Filmminuten der Funkkontakt zu Amelia Earhart über dem Pazifik abbricht und der Zuschauer ziemlich froh ist, dass es nun endlich vorbei ist, schließen ein paar Texttafeln - Standardformel, auch zum Schluss - den Film ab. Die letzte verkündet: "Das Schicksal von Amelia Earhart hat die Welt über Generationen fasziniert." Oder auch nicht.
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