In irgendeiner deutschen Stadt leben Agnes und seine zwei Brüder. Der älteste, Werner (Herbert Knaupp), hat Karriere bei den Grünen gemacht und sich darüber hinaus durch ausschließliches Interesse an der Einführung des Dosenpfandes den Hass seiner Frau Signe (Katja Riemann) und der gemeinsamen Söhne zugezogen. Bruder Hans-Jörg (Moritz Bleibtreu) ist ein verklemmter Bibliotheksangestellter mit Hochwasserhosen und Flachmann, der den ganzen Tag an Frauen und Sex denkt und dessen größtes Problem darin besteht, dass er weder das eine und entsprechend auch nicht das andere bekommt. Agnes (Martin Weiss), als Junge geboren, verließ aus Liebe zu einem Mann Ehefrau und Kind. Für den Geliebten ließ er sich umoperieren, wurde aber kurz darauf von ihm sitzen gelassen. Nach und nach laufen die Geschichten der drei immer mehr aus dem Ruder. Werners Bemühungen, die familiäre Fassade trotz aller Schwierigkeiten aufrecht zu erhalten, münden in chaotischen Zuständen und einem fantasierten Amoklauf, Hans-Jörg verwechselt Freundlichkeit mit Zuneigung und verstrickt sich immer tiefer in seine Verliererrolle. Agnes bekommt die Chance, der Liebe ihres Lebens ein zweites Mal zu begegnen, und ahnt vielleicht schon, dass es bereits zu spät ist. Regisseur und Autor Oskar Roehler ("Die Unberührbare", "Der alte Affe Angst", "Suck my dick") nimmt mit seinem neuen Film erneut Deutschland ins Visier und präsentiert uns in "Agnes und seine Brüder" seinen Blick auf dieses Land. Verwirrung und Orientierungslosigkeit sind die Leitfäden, der gesellschaftliche Mikrokosmos Familie ihre Geburtsstätte. Auf drei miteinander verknüpften Ebenen schildert der Film die Geschichte der Geschwister. Werners Familiendrama wird dabei wie eine Parodie dargestellt, eine Groteske, die in ihrer Ausweglosigkeit immer wieder zum Lachen reizt (mit einer herrlich kaltschnäuzigen Katja Riemann). Hans-Jörgs Wahrnehmungswelt kreist ausschließlich um seine Suche und die Sucht nach Sex und wird in sehr realistischer Weise mit einigen überzogenen Elementen erzählt (unzählige halbnackte Frauen in der Bibliothek). Demgegenüber bildet Agnes den Mittelpunkt eines klassischen Melodrams. Immer wieder hat der Filmemacher Zuschauer und Kritiker begeistert, aber auch vor den Kopf gestoßen. Mit seinem neuen Werk überrascht Roehler ein weiteres Mal. "Agnes und seine Brüder" ist zahmer als die bisherigen Werke, wesentlich ruhiger erzählt und weniger aufwühlend. Der Film ist ein gleichermaßen berührendes wie poetisches Drama, das nicht in erster Linie durch Kontinuität und Schlüssigkeit überzeugt, sondern durch seine atmosphärische Dichte. Einen maßgeblichen Anteil daran trägt Agnes-Darsteller Martin Weiss, dem man den inneren Schmerz trotz aller nach außen scheinenden Gefasstheit so gut im Gesicht ablesen kann. Mit seiner ersten Kinohauptrolle erweist sich Weiss als Glücksgriff für Roehler und für die Rolle der zarten, sensiblen und doch so starken Agnes. "Agnes und seine Brüder" ist ein wunderbarer Film, eine gelungene Gratwanderung zwischen anspruchsvollem und unterhaltsamem Kino und bestens dazu geeignet, den leidenschaftlichen Filmemacher Oskar Roehler und seine Welt für sich zu entdecken. |
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