Crossing Over

Originaltitel
Crossing Over
Land
Jahr
2008
Laufzeit
113 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Frank-Michael Helmke / 30. Juni 2010

o etwas wie "L.A. Crash" müsste man machen! So oder so ähnlich haben viele Filmschaffende nach dem sowohl kommerziellen als auch künstlerischen Erfolg von Paul Haggis' Episodenfilm von 2004 gedacht, dessen ebenso komplexe wie beeindruckend gemeisterte, multiperspektivische Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus damals eine gehörige Menge Respekt ebenso wie diverse Oscars einsackte. Mit Alejandro Gonzales Inarritus "Babel" folgte zwei Jahre später ein konzeptuell ähnlich gelagerter Film, der ein noch komplexeres Thema - Kommunikationsunfähigkeit und ihre Auswirkungen - ähnlich außergewöhnlich in nur lose verbundenen Episoden behandelte und damit ein ähnliches Echo erntete.
In ungefähr dieselbe Kerbe wollte nun auch Wayne Kramer mit seinem neuen Film schlagen. Kramer ist so eine Art verschmähtes Talent der US-Indie-Szene. Seine rührende Loserballade "The Cooler" ebenso wie sein verstrickter, knallharter Gangsterthriller "Running Scared" waren großartig geschrieben und inszeniert, hatten es mit ihrem Hang zu kurzen, aber verstörenden Ausbrüchen exzessiver Gewalt und einem ziemlich desillusionierten Blick auf die Abgründe der menschlichen Natur aber eher schwer, ein Publikum zu finden, das sich wirklich für diese Werke erwärmen konnte. Mit "Crossing Over" widmet Kramer sich nun verschiedenen Aspekten der Einwanderungsproblematik in den USA - ein weites Feld, bestellt mit unterschiedlichsten menschlichen Schicksalen. Doch was ein dankbares Thema für eine dokumentarische Reportage-Reihe gewesen wäre, erweist sich hier als zu zerfasert, um ein überzeugendes dramatisches Ganzes zu ergeben.

Was "Crossing Over" vor allem nicht ist (auch wenn die Vermarktung des Films einem natürlich etwas ganz anderes erzählen will), ist das neue, actiongeladene Star-Vehikel für Harrison Ford. Denn erstens gibt's hier nicht sonderlich viel Action, und zweitens ist die garantiert frei von Harrison Ford. Der spielt hier letztlich nämlich nur eine Rolle unter vielen als Protagonist von einem der sieben (!) Handlungsstränge des Films. Da diese alle ziemlich gleichberechtigt und parallel behandelt werden, gibt's hier effektiv vielleicht 15 bis 20 Minuten Leinwandzeit für Ford, und das im definitiv schwächsten Handlungsstrang des Films. Zugegebenermaßen: Für den an sich gar nicht so verkehrten Karriere-Schritt, sich im gesetzten Alter auch mal als Charaktergesicht in Indie-Filmen zu empfehlen, ist diese Rolle alles andere als eine gute Wahl.
Ford spielt den Einwanderungspolizisten Max Brogan, der mit seinem schlechten Gewissen kämpfen muss, als er bei einer Razzia unter illegalen Einwanderern eine mexikanische Arbeiterin deportiert, wodurch deren Sohn schutzlos in den USA zurückbleibt. Max' Kollege Hamid ist mit seiner persischen Familie schon lange offizieller amerikanischer Staatsbürger, tut sich jedoch ziemlich schwer mit der sehr amerikanischen (sprich: freizügigen) Lebensweise seiner Schwester. Ashley Judd spielt eine engagierte Anwältin, die ein verwaistes Kind aus der dritten Welt adoptieren will, während ihr Ehemann (Ray Liotta) seine Position bei der Einwanderungsbehörde ausnutzt, um sich im Tausch gegen eine Green Card sexuelle Gefälligkeiten von einer australischen Schauspielerin mit Hollywood-Ambitionen zu erpressen. Deren atheistischer englischer Freund versucht wiederum, sich sein Bleiberecht als angeblicher Diener der jüdischen Gemeinde zu erschleichen. Eine indisch-stämmige Schülerin gerät ins gnadenlose Fadenkreuz der Heimatschutz-Behörde, als sie in einer Schuldiskussion vehement Respekt für die Attentäter vom 11. September einfordert. Und ein japanischer Teenager kurz vor der Einbürgerung bringt sich in Schwierigkeiten, als er sich von einer Jugendgang zu dummen Straftaten verführen lässt.

Zwischen diesen nur sehr lose miteinander verbundenen Handlungssträngen geht es munter hin und her, so dass man oft über eine Viertelstunde warten muss zwischen den jeweiligen Szenen eines einzelnen Storyfadens. Damit erreicht Kramer zwar zum einen eine durchaus löbliche weil sehr große Bandbreite an verschiedenen Aspekten seines Oberthemas Immigrationsproblematik, verpasst zum anderen aber die Chance, eine wirklich intensive und darum packende Geschichte zu erzählen. Da hier für nichts wirklich ausreichend Platz ist und die meisten Stränge nach ihrer Exposition schon wieder direkt auf ihre Auflösung zulaufen, hat man hier die meiste Zeit das Gefühl, dass nicht wirklich etwas passiert. Keiner der Stränge schafft es, sich von seiner Episodenhaftigkeit zu lösen und sich zu einem echten Drama zu entwickeln.
Das ist besonders schade bei den tragischen Höhepunkten des Films, die ihre potentielle emotionale Wucht nicht voll entfalten können, da das Publikum zu wenig Gelegenheit hatte, den Figuren wirklich nahe zu kommen. Als das indische Mädchen vom FBI ebenso schnell wie gnadenlos aus dem Land geworfen wird, kommt es zum Beispiel zu einer Trennungsszene mit ihrer Familie, die nichts weniger als herzzerreißend ist. Ein großer Moment, der im ständigen Wechselspiel der Geschichten aber einfach zu verpuffen droht.
Negativ weil hier einfach unpassend fällt auch Kramers "Markenzeichen" auf, in einigen Szenen gnadenlos und direkt zwischenmenschliche Brutalität und extreme Gewalt zu zeigen. Dies verkommt hier zum reinen Selbstzweck und gibt dem Film eine reißerische Note, die für sein Thema unangebracht ist und den komplexen Zwischentönen nur im Weg steht.

Was "Crossing Over" jedoch vor allem scheitern lässt - wenn auch ehrenvoll und auf hohem Niveau - ist das Fehlen einer klaren Aussage. Trotz eindeutig politischem Thema fehlt hier eine echte Position, ein Gefühl von Moral von der Geschicht'. Die Einwanderungsproblematik und ihre widersprüchlichen, bizarren und unmenschlichen Auswüchse sind naturgemäß zu komplex für einfache Lösungen, dennoch wünscht man sich von solch einem Film ein bisschen mehr als eine betroffene, letztlich unentschlossene Bestandsaufnahme der Ist-Situation. Ein grobes Thema allein macht halt noch kein Konzept, und bei "Crossing Over" drängt sich der Eindruck auf, dass dieser Film letztlich nichts zu sagen und nur wenig zu erzählen hat.
Darum kann man sich diesen Film zwar als intellektuelles Unterfangen ansehen, wird sich dabei aber weder sonderlich gut unterhalten noch wirklich mitgerissen fühlen. Eine echte, emotionale Auseinandersetzung mit seinem Thema kann "Crossing Over" jedenfalls nicht erzeugen, dafür fehlt es ihm zu sehr an einer entschlossenen erzählerischen Linie und an einer ausreichenden Menge wirklich starker, außergewöhnlicher Momente. Da hätte sich Wayne Kramer besser nochmal "L.A. Crash" und "Babel" ansehen sollen. In den USA stieß "Crossing Over" jedenfalls auf absolutes Null-Interesse und lief in nicht mehr als 40 Kinos landesweit. Dass sich der Film mit seiner sehr amerikanischen Thematik hierzulande größerer Beliebtheit erfreuen wird, darf wohl eher bezweifelt werden.


3
3/10

-Spoiler-

Der ganze Film ist doch ein einziges Moralgesülze: "verherrliche oder verharmlose nicht 9/11, das hat selbst für kleine Schulmädchen bittere Konsequenzen. Prostituier dich nicht für eine Green Card, das geht sowieso schief. Begehe keinen Amts- Machtmissbrauch. Du sollst nicht Ehebrechen. Raubüberfälle enden in einer Katastrophe. (Familien-)Ehrenmorde werden hier nicht geduldet und sofort bestraft. Hat man dich als Mexikanerin ausgewiesen, versuch nicht zurückzukommen (unsere Jungs vom Grenzschutz bringen dir dein Kind)."

Bei der hebräisch Prüfung darf man aber schummeln, wenn man vom Wesen her in Ordnung ist (das war wenigstens ein Lacher). Die Übermoral lautet wohl: "liebe die U.S. Staatsbürgerschaft, und alles was dazugehört, wie dich selbst."

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8
8/10

Ich muss sagen, mir hat der Film gut gefallen. Er ist spannend, nicht verworren erzählt und beinhaltet meherere Geschichten, die sich nicht im Wege stehen.
Es zeigt wie jeder mit seinen Dämonen zu kämpfen hat und wie schwierig es ist sich in Amerika als Ausländer zu integrieren und wie schnell man auf die schiefe Bahn (Gangs, Prostitution) geraten kann.
Harrison Ford spielt gut, hat die Hauptrolle, aber es geht doch mehr um die Geschichten drum herum.

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8
8/10

5 von 10 finde ich zu wenig... klar verliert der film den direkten vergleich mit la crash, aber für sich gesehen, habe ich einen stimmig gemachten und gut gespielten film gesehen. entgegen der kritik von helmke muss ich sagen, das mir der erhobene zeigefinger (moral von der geschicht) nicht gefehlt hat...

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7
7/10

Vielleicht waren 7 Episoden zu viel des Guten. Auf interessante und gelungene Weise wurden sie dennoch verknüpft. Auch wenn die Laufzeit bei weitem nicht ausreicht um mit den Protagonisten wirklich mitzuleiden. Die fehlende Spannung kann dieses Manko sicherlich nicht kompensieren. Und auch die pathetisch präsentierte Lösung aller Probleme, der Besitz einer Greencard, wird ein wenig oberflächlich propagiert. Vor allem das ewige Wiederkauen der immergleichen Botschaft ging mir (wie schon bei "L.A. Crash") recht bald gehörig auf die Nerven. "Babel" war da um einiges subtiler. Die einzige Gewaltszene empfand ich jedoch nicht als übertrieben oder aufgesetzt. Ohne die hätte der Film überhaupt keinen Höhepunkt vorzuweisen. Gemessen an "L.A. Crash" kann der Streifen aber nur verlieren. Was auch daran liegen mag, dass er nicht mal annähernd einen so hypnotisierenden Score zu bieten hat. 5 Augen halte ich jedoch für völlig ungerechtfertigt.

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