Cassandra's Traum

Originaltitel
Cassandra's Dream
Jahr
2007
Laufzeit
108 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Patrick Wellinski / 28. Juni 2010

s war zwar keine erschütternde Nachricht, aber dafür eine sehr enttäuschende. Anfang des Jahres schickte der deutsche Verleih Constantin Film eine Meldung an die Öffentlichkeit, die besagte, dass man sich entschieden habe, den aktuellen Woody Allen-Film "Cassandras Traum" nur als DVD auf den deutschen Markt zu bringen. Die Gründe blieben unbenannt und doch konnte man annehmen, dass die wirklich negativen Kritiken und schlechten Einspielergebnisse aus dem Ausland eine gewichtige Rolle bei dieser Entscheidung gespielt haben. Zwei Monate später erfolgte wohl ein Umdenken beim Verleih, denn nun entschloss man sich den Film doch ins Kino zu bringen. Man darf sich jedoch berechtigterweise fragen, ob sich dieser Sinneswandel wirklich gelohnt hat.

Thematisch bleibt Woody Allen in seinem nun mehr 43. Film dem Kriminalfilmgenre treu. Dieses zieht sich wie ein roter Faden durch seine in England produzierten Filme (zuvor "Match Point" und "Scoop - Der Knüller"). Auch im Zentrum von "Cassandras Traum" steht ein Mord. Die geplante Tat soll von den Brüdern Ian (Ewan McGregor) und Terry (Colin Farrell) begangen werden. Zwar unterscheiden sie sich charakterlich enorm von einander, doch wenn es darum geht sich ein geregeltes Einkommen zu sichern versagen beide fürchterlich. Ian träumt von irgendwelchen Hotelinvestitionen in Florida, die ihn endlich aus dem lästigen Job im Restaurant der Eltern heraus katapultieren könnten. Terry hingegen arbeitet zwar in einer Autowerkstatt, kann seine Spielsucht jedoch nicht unter Kontrolle halten und verliert immer mal wieder große Geldsummen. Beide setzen ihre Hoffnung auf den wohlhabenden Onkel Howard (Tom Wilkinson). Der zeigt sich zunächst hilfsbereit, fordert von seinen beiden Neffen aber einen Gefallen. Sie sollen einen ungeliebten Geschäftspartner aus dem Weg räumen, der sein Ansehen und sein Kapital bedroht. Und so sehen sich Ian und Terry vor die Entscheidung gestellt, ob sie für den Traum vom Erfolg wirklich einen Mord auf sich nehmen wollen.

Es ist ja längst kein Geheimnis mehr, dass Woody Allens Umzug aus seiner Stammumgebung in New York ins kühle und durchnässte London ihm einen neuen Kreativschub verliehen hat. Dies trug sicherlich zum enormen Erfolg seiner Filme "Match Point" und "Scoop" bei. Begünstigt wurde dieses Kreativhoch ebenfalls durch die Tatsache, dass Allen mit einem wunderbar kindlichen Blick die Stadt London und ihre Umgebung beobachtete. In "Match Point" sezierte er in glasklaren Bildern die Highsociety-Treffpunkte der Stadt. Er blickte auf die grünen Tenniscourts der Innenstadt und in die leeren und sterilen Räume der Londoner Museumsszene. In "Scoop" hingegen betrachtete er genüsslich die pompöse Architektur der Schlösser und Landresidenzen des Londoner Umlands. In beiden Filmen fiel seine Diagnose über den Zustand der englischen Upper-Class ziemlich erbärmlich aus. Diese unfassbar kühle Gleichgültigkeit der Menschen untereinander und ihr sprichwörtliches "Über-Leichen-gehen" bis zum eigenen Erfolg prägte das Bild einer Gesellschaftsschicht, die vom Egoismus wie zerfressen schien.
Interessant ist daher Allens Ansatz für "Cassandras Traum". Ian und sein Bruder Terry gehören nicht mehr der Upper-Class an, sondern sind aus der Arbeiterschicht. Das äußert sich sicherlich in der immer währenden Geldknappheit, aber auch an den Hoffnungen und Wünschen die beide immer wieder vor sich her tragen. Doch schon die Bezahlung des kleinen Bootes, welches die Brüder zu Beginn des Films kaufen möchten (sie werden es im späteren Verlauf "Cassandra" nennen) übersteigt ihre Möglichkeiten. Auf Pump können sie es sich schließlich doch leisten und können so ihre Freundinnen beeindrucken. Doch die Aussicht auf ein viel besseres und sorgenfreies Leben ist zu verlockend. Der Auftragsmord bietet ihnen die Möglichkeit eines Aufstiegs.
"Cassandras Traum" verhandelt in seinem Zentrum vor allem die moralischen Gewissensbisse der beiden Hauptfiguren. Doch die Art und Weise wie er dies macht, ist seine größte Schwäche. Woody Allen hat anscheinend seiner eigenen Konstruktion kaum glauben geschenkt. Wie sonst ist es zu erklären, dass über geschlagene zwei Stunden die Brüder ständig über ihre Zweifel und Sorgen gegenüber der Tat debattieren. Die Dialoge, eigentlich eine klare Stärke Allens, verkommen hier zu leeren redundanten Worthülsen. Terry will nicht, dann versucht ihn Ian zu überreden. Die Argumente die ausgetauscht werden sind immer dieselben. "Ich kann das nicht", sagt Terry. "Denk an die Zukunft", antwortet Ian. So quält sich die Handlung endlich zu der Tat, die dann wieder neue Gewissensbisse und Zweifel hervorruft, welche sich aber im Grunde von denen vor dem Mord in nichts unterscheiden. "Wir haben einen Fehler gemacht", sagt Terry. "Nein, es war richtig. Denk an die Zukunft", antwortet Ian.

Woody Allen präsentiert mit Ian und Terry zwei völlig vertrottelte und handlungsunfähige Personen, die ihren Ursprung aus einer Autorenfeder kaum verbergen können. Sein Blick auf die Arbeiterschicht ist in diesem Moment schon kein pessimistischer oder gar realistischer, sondern ein zynischer. Dieser Eindruck kommt zustande, da die Geschichte von "Cassandras Traum" den Film nicht zu tragen vermag. Von der tragischen Tiefe eines antiken Dramas, die der Titel suggeriert, ist das Werk leider ebenso weit entfernt wie der analytische Blick in das soziale Milieu der Arbeiterklasse erkenntnislos bleibt (den weit besseren Film zu diesem Thema lieferte vor einigen Wochen Sidney Lumet mit "Tödliche Entscheidung").
Da helfen auch die wirklich passablen darstellerischen Leistungen nicht. Auch der Einfall, den immer doch so männlichen Colin Farrell als unsicheren und depressiven Terry und dafür den eigentlich sonst immer wesentlich freundlicher wirkenden Ewan McGregor als den skrupelloseren der beiden Brüder zu besetzen, kann nicht aus der Misere helfen. Die Kontraste, die hierbei entstehen, können der mauen Geschichte leider auch keine neuen Antriebsmomente hinzufügen.
Außerdem fehlen "Cassandras Traum" die Kinobilder, die Allen sonst so wunderbar in Szene zu setzen weiß. Auch London verkommt zur starren und nicht beachteten Kulisse. Fast scheint es so als hätte der Regisseur schon während des Drehs die Lust an diesem Film verloren. In "Match Point", der ja nichts anderes war als die Erfolgsgeschichte eines Mörders, bestach Woody Allen durch eine beeindruckende narrative Konsequenz. In diesem Film wirkt das Ende aber eher aufgesetzt und vorhersehbar.

Das Kreativhoch von Allens Londonumzug scheint vorbei zu sein. Es ist aber nicht so, dass er dies nicht wüsste. Vielleicht ist er deshalb für sein neustes, bereits abgedrehtes Projekt "Vicky Cristina Barcelona" nach Spanien gegangen. Es kann ja sein, dass auf dem europäischen Festland sein künstlerisches Schaffen wieder einen neuen Schub erfährt. Zu wünschen wäre es ihm und uns. Dann würde sich auch die leidliche Frage, ob man den neuen Allen-Film nun ins Kino bringt oder nicht, gar nicht erst stellen. Schließlich gehört ein Woody Allen auf die großen Leinwände, in guten wie in schlechten Tagen.


9
9/10

Kann der Kritik nicht zustimmen, der Anfang des Films leidet etwas durch die zu schnelle Erzählweise, allerdings fängt sich der Film und baut einen sehr schönen Spannungsbogen auf, für mich ein gelungener "Nachfolger" von Match Point, definitiv besser als Scoop.

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Noch kein Wertung, da nicht gesehen.

Mein Eindruck: Allen versucht seinen alten Zeiten hinterherzutrauern und sich durch Filmedrehen zu therapieren. Vielleicht wäre mal eine kleine Pause gut, etwas mehr Zeit und Grips fürs Drehbuch und schon gibts wieder Klassiker von ihm. Das Zeug hat er dazu.

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8
8/10

Film durch den Rezensenten klar unterbewertet.

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2
2/10

Wow, ein Woody Film bekommt mal die Wertung, die er verdient? Respekt!

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Eine belang- und einfallslose Story, voll gepackt mit klischeehaften Stereotypen. Lediglich der ungewohnt unsichere Colin Farell sorgt für ein bisschen Abwechslung.

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