Der deutsche Starttermin von "Shaun of the Dead" einen Tag vor Jahreswechsel passt erstaunlich gut, denn so kann man mit der britischen Zombiekomödie das Jahr des Zombies ausklingen lassen. Gut, genau genommen ging es schon letztes Jahr los mit dem ebenfalls britischen Überraschungshit "28 Days later" (ja, und genau genommen waren das gar keine Zombies). In diesem Jahr folgte dann das erfreuliche "Dawn of the Dead"-Remake, der unerfreuliche "Resident Evil"-Nachschlag und auch schon die erste Parodie mit der halbwegs amüsanten deutsche Teenie-Klamotte "Die Nacht der lebenden Loser". Und nun kommt der Kulthit aus England endlich auf deutsche Leinwände. Der ist nämlich schon fast anderthalb Jahre alt und wurde von unseren enthusiastischen Nachbarn von der Insel bereits zum Überfilm und schon halb zum Nationalkulturgut erklärt. Aber ist er wirklich so gut wie die teils hyperventilierende britische Presse behauptet? Jein. Ist "Shaun of the Dead" ein Muss und absoluter Klassiker? Nicht ganz. Ist es ein grandios unterhaltsamer Spaß für alle Untoten-Freunde? Unbedingt. Und damit ein ganz feines Schmankerl zum Abschluss des Kinojahres.
Die Geschichte liest sich dabei wie ein Script von jemandem, der zu gleichen Teilen Romeros legendäre Zombietrilogie, Sam Raimis "Evil Dead"-Reihe und das Slackerkino der 90er von Richard Linklater und Kevin Smith liebt. Und man hat fast das Gefühl, dass Regisseur Edgar Wright und Hauptdarsteller Simon Pegg, die zusammen für das irrwitzige Drehbuch verantwortlich zeichnen, genau solche Typen sind. Zudem versehen sie ihre Geschichte natürlich mit einem Riesenschuss typisch britischer Empfindsamkeit, und deswegen ist Dreh- und Angelpunkt (bzw. -ort) der Handlung neben Titelheld Shauns Miethäuschen im Londoner Vorort vor allem die britischste Einrichtung überhaupt: Der Pub. Das "Winchester" ist der Ort, an dem er mit seinem Mitbewohner und besten Freund, dem faulen Kleindealer Ed (Nick Frost), den Großteil seiner Zeit verbringt, ausgestattet mit den zwei wichtigsten Utensilien: einem vollen Pint Bier und Knabbersachen. Allerdings wird das ständige sinnarme In-der-Kneipe-abhängen des auch beruflich in einem ambitionslosen Job versackten Shaun von dessen Freundin Liz zunehmend kritischer gesehen. Als Shaun dann auch noch das Nobeldinner zum Jahrestag versaut, reicht es Liz endgültig und sie gibt ihm den Laufpass. Also muss der phlegmatische Shaun aktiv werden. Unglücklicherweise greift just in diesem Moment eine seltsame Seuche um sich, deren Opfer nach dem Dahinscheiden gleich wieder aufstehen und auf der Suche nach Nahrung andere Menschen anfallen, die dann ebenfalls infiziert werden. Ob Shaun in dieser Situation Aktivität zeigen kann, um seine geliebte Mutter (Penelope Wilton), Liz und notgedrungen auch ihre Mitbewohner, die weltfremde Di (Lucy Davis) und den Besserwisser David (Dylan Moran) zu retten? Vielleicht. Wenn er denn überhaupt erstmal bemerkt, was da um ihn herum schlurft und sich nach Menschenfleisch verzehrt...
..., denn während die weibliche Hauptfigur in "Dawn" das nahende Unheil verkannte, da sie ihm entscheidenden Moment lieber mit Männe unter der Dusche kopulierte, macht "Shaun of the Dead" aus dieser Situation den amüsanten Running Gag des ersten Filmdrittels: Shaun ist zu verpeilt und desinteressiert um zu bemerken, wie sich um ihn herum Leichen, Blutlachen und Schlurfzombies häufen. Äußerst amüsant das Ganze, was von Shauns und Eds unkonventionellen Aktivitäten, als sie sich der Gefahr bewusst werden, noch unterstützt wird. Grandiosester Lacher: Die heimische Plattensammlung wird mit urkomischen Folgen zum Waffenarsenal umfunktioniert ("Verdammt, du hast ‚Blue Monday' geworfen?! Das war eine Spezialpressung!" "Was ist mit den Dire Straits?" "Feuer frei!").
Warum "Shaun of the Dead" auch abseits solch wahnwitziger Späße so gut funktioniert, liegt an der Mischung aus ernstem Respekt für das Genre und simultan dessen liebevoller Veralberung. Anstatt das Ganze nämlich zu einer billigen Zombiefilmparodie verkommen zu lassen, erweisen Wright und Pegg dem Genre ihre Referenz, in dem sie munter Romero huldigen, besonders dessen "Dawn" und "Day"-Filmen, die gar bis hin zur einzelnen Kamera-Einstellung zitiert werden. Dazu kommt völlig unvermutet als Sahnehäubchen am Schluss noch eine kurze, bitterbös-satirische Sequenz, deren Galligkeit Romero selbst auch nicht besser hinbekommen hätte.
Das im positiven Sinne zwiespältige Vorgehen sorgt auch für einen in seinem Ton etwas zwiespältigen Film, denn neben gesunden Lachern möchte "Shaun of the Dead" in der ein oder anderen Szene tatsächlich auch gruseln oder ekeln und verliert nie die Ernsthaftigkeit aus den Augen. Dies tut dem ganzen Film trotz abnehmender Lacherquote in der zweiten Hälfte tatsächlich gut und lässt ihn als mehr als ‚nur' einen Ulk dastehen. Denn typisch britisch ist natürlich auch eine gewisse ruppige Sentimentalität, die dann im ernsteren zweiten Teil voll ausgespielt wird (geniales Schlussbild!). Oder, wie Simon Pegg vollkommen zutreffend erläutert: "Wenn der Film voranschreitet und die Probleme ernster und tödlicher werden, verliert sich die Frivolität der ersten Hälfte. Dadurch wird das Ende zwar düsterer und emotionaler, als wir ursprünglich dachten, aber wenn wir bei dieser Leichtigkeit geblieben wären, wäre aus dem Film nur ein Leichtgewicht geworden."
So ist es ein Schwergewichtsherausforderer in der mittlerweile erstaunlich bevölkerten Kategorie Zombie-Komödie geworden. Der lustigste Herausforderer seit "Braindead", um genau zu sein, hiermit mit der "Evil Dead"-Ehrenmedaille für Spaßhorror par excellence prämiert und definitiv einer der besten reinen Unterhaltungsfilme der letzten Zeit.
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