Zeitreisefilme und Logik sind sich ja nur selten grün. Was sich aber das Science-Fiction-Spektakel „The Tomorrow War“ in dieser Hinsicht leistet, erlebt man nun wirklich nicht alle Tage. Angesichts von Logiklöchern größer als der Grand Canyon und einem der unintelligentesten Action-Helden der Filmgeschichte sucht der Verstand des Zuschauers hier schon frühzeitig verzweifelt im präfrontalen Cortex nach dem Schleudersitz. Wer trotz generischer Action und schmerzlich vermisster Selbstironie am Ball bleibt, kann aber nach dem Genuss von ein paar kühlen Hopfengetränken zumindest mit dem abstrusen Finale seinen Spaß haben.
Ganz ohne Alkohol müssen im Film leider viele Fußballfans das WM-Finale 2022 in Katar verfolgen – obwohl sie genau den wenig später durchaus gebrauchen könnten. Denn mitten im Spiel erscheint auf dem Platz plötzlich eine mysteriöse Anomalie, aus der martialisch gekleidete Soldaten aus der Zukunft hervortreten. Die sehen sich dort einer gefräßigen Alien-Spezies ausgesetzt und bitten ihre Vorfahren weltweit verzweifelt um Hilfe. Gut, dass Biolehrer Dan Forester (Chris Pratt, „Passengers“, „Jurassic World“) früher einmal Elite-Soldat war und darum für den blutigen Kampf in der Zukunft, im Gegensatz zu vielen anderen Rekruten aus der alten Welt, zumindest etwas gerüstet ist.
Immer wieder mal liest man ja von der Idee irgendwelcher Filmproduzenten, doch bald mal ein Drehbuch von einer künstlichen Intelligenz ganz automatisch aus garantiert Kassenmagnet-tauglichen Versatzstücken erstellen zu lassen. Nun, es ist soweit. Anders ist zumindest dieses Werk hier nicht zu erklären, bei dem keine Szene so wirklich Sinn ergibt und kaum eine Figur halbwegs nachvollziehbar handelt. Für schlappe 200 Millionen Dollar hat Amazon die Rechte des Films von Paramount abgekauft, was definitiv 200 Millionen zu viel waren. Glücklicherweise aber verhinderte das immerhin, dass „The Tomorrow War“ wie ursprünglich geplant auf der großen Leinwand sein Unwesen treiben kann.
Es dauert auf jeden Fall nicht lange, bis angesichts der hier präsentierten Story die Synapsen des Publikums zum gordischen Knoten mutieren. Wieso trainiert man die neuen Rekruten nur so kurz, wenn man sie doch auch etwas später losschicken kann? Wieso bekommen die kein gescheites Briefing und müssen sich die eigentlich bekannten Schwachstellen der Aliens selbst zusammenreimen? Warum zieht man seine eigenen Leute aus dem Kriegsgebiet ab, denkt aber es wäre eine gute Idee dort einen Haufen unausgebildeter Zivilisten auf eine enorm wichtige Rettungsmission zu schicken? Und wieso nutzt man die Reise in die Vergangenheit nicht dafür, um einfach jede Menge Zeit in die Forschung zu stecken?
Wenn der Film nach knapp 20 Minuten versucht, mit Hilfe von zwei Flößen und Kindergartenlogik den Zeitreise-Mechanismus zu erklären, hat man als Zuschauer schon längst resigniert. Hier macht einfach nichts Sinn. Und so akzeptiert man dann auch achselzuckend, dass unsere Aliens einmal die Woche einen Sabbat-Tag einlegen. Ist halt so. Und das wäre ja auch alles noch erträglich, wenn der Film es zumindest schaffen würde uns auf irgendeiner anderen Ebene zu stimulieren.
Zugegeben, die Effekte sind durchaus gelungen und die Aliens auch ordentlich furchteinflößend. Doch die Action ist generisch inszeniert und nicht eine einzige Action-Sequenz schafft es, den Puls zumindest ein klein wenig höher schlagen zu lassen. Was sicher auch daran liegt, dass keine einzige Figur auch nur ansatzweise so etwas wie Charisma aufbauen kann. Stattdessen präsentiert man uns hier eine einfallslose Mixtur aus Figuren voller klischeehafter Charakterzüge (sehr bedauernswert hierbei J.K. Simmons als Dans stets schlecht gelaunter Vater), die auch untereinander nie wirklich die nötige zwischenmenschliche Chemie generieren. Was auch schwierig ist, wenn die Handlungen der Figuren schon in sich keinen Sinn ergeben. So ist Dans neunjährige Tochter erst damit beschäftigt, Enzyklopädien zu lesen und uns mit ihrem Fachwissen zu beeindrucken, nur um später Hilfe dabei zu benötigen, drei Worte auf ein Pappschild zu kritzeln.
Am schlimmsten erwischt es aber leider die Hauptfigur. Was unser Biolehrer und pensionierter Elitesoldat hier veranstaltet, ist gerade im späteren Verlauf der Handlung eine pure Farce. Angelegt als muskulöses Wissenschaftsgenie, scheitert Dan schon daran einfachste Zusammenhänge zu erkennen. Vor allem im zweiten Drittel nimmt das dramatische Züge an, wenn Dan in halsbrecherischen Aktionen das Überleben der kompletten Menschheit riskiert, nur um etwas in der Zukunft zu verhindern, was eigentlich sowieso hinfällig wäre. Was ihm Nebenfiguren auch mehrmals zu erklären versuchen, was dann aber nur in noch spektakuläreren Fehleinschätzungen unseres beratungsresistenten Gelegenheitssoldaten mündet. Selten hat man solch einen uncleveren Helden gesehen – und das mag angesichts des modernen Hollywoodkinos schon einiges heißen.
Besonders traurig dabei ist, dass Chris Pratt ja eigentlich ein so unglaublich charismatischer Schauspieler ist. Doch dazu muss man ihm auch die Gelegenheit geben. Und hier kommen wir zum Kernproblem des Films. Angesichts des offensichtlichen inhaltlichen Mumpitz, den man uns hier präsentiert, schreit diese Story geradezu nach Humor und Selbstironie. Doch was wir über eine lange Laufzeit bekommen ist ein verkrampfter Film, der sich viel zu ernst nimmt und seinem Hauptdarsteller gar nicht erst die Chance gibt, seinen spitzbübischen Charme zu entfalten. Pratt ist völlig überfordert damit, seinen kruden Figurenmix aus Rambo und Charles Darwin ernst und glaubwürdig erscheinen lassen zu müssen. Und so hängt der humorbefreite Protagonist wie ein Zementsack an diesem Film und verhindert lange Zeit, dass wir zumindest ein bisschen Spaß haben. So knallt und rumst es meist nur unmotiviert auf dem Bildschirm, ohne dass man irgendwie auch nur irgendwas fühlt.
Das ändert sich glücklicherweise in den letzten 20 Minuten, wo der Film tatsächlich die Kurve kriegt. Beziehungsweise eigentlich im hohen Bogen aus selbiger fliegt, denn wer noch glaubt, es geht inhaltlich nicht schlimmer wird nun eines Besseren belehrt. Wie Dans finaler aberwitziger letzter Plan aussieht, mit dem er die Welt retten will, wie dieser ausgeheckt wird und auf welche „Expertenmeinung“ er dabei zurückgreift, das muss man schon gesehen haben, um es zu glauben. Es ist der Moment, in dem sich wohl auch der Drehbuchautor den Schnaps aufgemacht und endlich begriffen hat, dass der Kahn schon längst an die Wand gefahren ist. Und so gibt es dann endlich die ersten Anzeichen bei den Figuren, dass diese wohl doch merken, hier Teil einer Satire zu sein. Und das wirkt schon fast wie ein Befreiungsschlag für einen Film, dessen Trashfaktor man bis dahin viel zu wenig genießen konnte.
So muss dann auch der Rezensent zugeben, dass er angesichts dieser neuen Entwicklung nun doch kurz die Stopptaste betätigte, um sich ein leckeres Kaltgetränk aus dem Kühlschrank zu holen. Und tatsächlich, mit etwas Pils kommt am Ende wirklich noch gute Laune auf. Dieses unterhaltsame Finish macht „The Tomorrow War“ nicht wirklich zu einem guten Film, stimmt dann aber doch irgendwie fast versöhnlich. Trotzdem sollte man Hollywood auch nicht jeden Schwachsinn durchgehen lassen, weswegen wir die lange Zeit kompletter Arbeitsverweigerung der meisten Beteiligten hier mit einer entsprechend niedrigen Bewertung abstrafen. Wer sich das alles trotzdem antun möchte, dem sei auf jeden Fall vorher zu einem Blick in den Kühlschrank geraten.
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