Im Grunde war die Luft bereits raus aus den Sauriern bevor Regisseur Joe Johnston die „Jurassic Park“-Reihe mit dem eher lustlos und deutlich billiger produzierten dritten Teil dann vorläufig zu Grabe trug. Zuvor hatte jedoch Steven Spielberg mit zwei sehr aufwändigen Filmen und einer damals in den 90er Jahren revolutionären Tricktechnik dafür gesorgt, dass der gemeine Dinosaurier gut 65 Millionen Jahre nach seinem Aussterben plötzlich zu einem festen Bestandteil der modernen Popkultur wurde. Seitdem dürfte kaum ein Kinderzimmer ohne Dino-Spielzeug ausgestattet sein und die manchmal gutmütigen, gelegentlich aber auch sehr gefährlichen Urzeitviecher sind vor allem in Zeichentrick- und Comicserien allgegenwärtig. Es ist daher keine einfache Aufgabe, dem Betrachter allein mit der Präsentation von Sauriern noch ein großes Staunen zu entlocken. Doch nach fast 20 Jahren Pause sind nicht nur die Möglichkeiten, was man auf der Leinwand zeigen kann, weiter vorangeschritten, auch der Hunger nach neuen Erlebnissen im von kuriosem Getier bevölkerten Park ist womöglich wieder erwacht. Und deshalb betreten wir nun nach einer langen und wechselvollen Produktionsgeschichte also tatsächlich die „Jurassic World“.
Die trägt diesen Namen vollkommen zurecht, hat sich doch nach vielen Jahren der (Wieder)aufbauarbeit auf der Isla Nublar doch noch der Traum des einstigen Park-Gründers John Hammond erfüllt. Ein riesiger Themenpark bietet seinen Besuchern wissenschaftliche Darbietungen, holografische Demonstrationen und eben auch eine Vielzahl echter, genetisch gezüchteter Urzeittiere. Doch so prächtig und beeindruckend dieses Angebot daherkommt, bei der Firmenleitung um den milliardenschweren Simon Masrani (Irrfan Khan) geht die Sorge um, dass die klassischen Saurier irgendwann nicht mehr genügen werden um das verwöhnte Publikum anzulocken. So verfällt man auf die riskante Idee, unter der Leitung des Wissensachaftlers Wu (B.D. Wong als einziger "Überlebender" des Ursprungsfilms) einen aus genetischem Material verschiedener Saurierarten bestehenden „Indominus Rex“ zu züchten. Doch was zur größten Attraktion der „Jurassic World“ weden soll, entwickelt sich zu deren größter Bedrohung, als der gewaltige Saurier aus seiner Gefangenschaft ausbricht und beginnt eine Schneise der Verwüstung über die Insel zu ziehen. Während der skrupellose Sicherheitsbeauftragte Hoskins (Vincent D'Onofrio) wenig dazu beiträgt die Situation zu deeskalieren, setzt man bald alle Hoffnung auf den ehemaligen Militärexperten Owen (Chris Pratt), der eine Gruppe junger Raptoren abgerichtet und zu ihnen eine Art persönliche Beziehung aufgebaut hat. Gemeinsam gilt es nun, das Ungetüm zu stoppen bevor es die Touristengebiete erreicht.
Was es den anscheinend naturgegebenen Blockbustergesetzen nach auch noch geben muss: Ein paar zu rettende Kinder, um deren familiäre Situation es gerade nicht zum Besten steht. Und so konzentriert sich ein Großteil des Geschehens auf das Brüderpaar Zach (Nick Robinson) und Ty (Gray Mitchell) Simpkins, die sich doch eigentlich in der sicheren Obhut ihrer Tante Claire (Bryce Dallas Howard) befinden sollten. Da die aber nur sehr wenig Zeit und Emotion in irgendetwas abseits ihrer Karriere investieren mag und ihre diesbezügliche Lektion erst noch lernen muss, schweben die Jungen also fortwährend in Gefahr. Auch wenn wir es hier mit einem schon dutzendfach variierten Plotelement zu tun haben, so ist es doch insgesamt gar keine so üble Story, für die man sich nach vielen Jahren, die das Skript zu „Jurassic World“ in der berüchtigten „Development Hell“ verbracht hat, letztendlich entschieden hat.
Denn die Weiterentwicklung zu einem kompletten Themenpark mit wissenschaftlichem Anstrich ist eine logische Entwicklung und sogar die Begründung für das Experimentieren mit neuen Attraktionen wirkt zumindest im Ansatz plausibel, auch wenn man es natürlich aus Erfahrung besser wissen sollte. Aber mit der Sorge, dass einfache Saurier fürs Publikum nicht mehr interessant genug sind, spiegelt man ja auf einer Meta-Ebene praktisch genau die Sorgen wieder, die sich wohl auch die Produzenten des Films machen. Mit der (zurückhaltenden) Domestizierung der kleinen Raptoren bringt man ein interessantes Element ein ohne dabei den Pfad des noch halbwegs Glaubwürdigen zu verlassen. Zwar bewegen sich Aufbau und Verlauf der Geschichte in recht vorhersehbaren Bahnen, wenn z.B. die Kinder nach der ersten Rettung doch immer wieder unnötigerweise erneut in Gefahr geraten. Aber insgesamt präsentiert man doch eine recht frische und neue Story, die sich von denen der drei Vorgängerfilme unterscheidet.
Verantwortlich sowohl für das Skript (welches er zusammen mit seinem Partner Derek Conolly entwarf), als auch für die Regie zeichnet dabei ein Mann namens Colin Trevorrow, und das ist durchaus bemerkenswert, hat der doch in seiner Filmographie bisher nur einen einzigen kleinen Kinofilm vorzuweisen, nämlich die fantasievolle Zeitreise-Geschichte „Safety not guaranteed“, die bei uns lediglich auf DVD unter dem unpassenden deutschen Titel „Journey of Love“ veröffentlicht wurde und die zudem auch fast ganz ohne Spezialeffekte auskommt. Wenn man bedenkt, dass Mr. Trevorrow zeitweilig sogar als Regisseur des neuen „Star Wars“-Films im Gespräch war, ist es schon erstaunlich welch große Aufgaben man dem Newcomer offenbar anzuvertrauen bereit ist. Mit „Jurassic World“ hat der dieses Vertrauen aber gleich mal gerechtfertigt, denn die große Blockbuster-Produktion gleitet ihm nie aus den Händen und überzeugt auch in handwerklicher Richtung komplett.
Denn was es zusehen und zu bestaunen gibt ist gewaltig, schon die erste Kamerafahrt vom Wasser auf die Insel zu weckt den Appetit sich die einzelnen Attraktionen genauer anzusehen, und es folgen gut zehn weitere Minuten "Wow"-Effekt, wenn wir den animierten Urzeittieren, den Holografien oder auch einem gigantischen Wassersaurier begegnen. Die spektakulärsten Actionszenen werden anschließend hübsch über die zwei Stunden Laufzeit verteilt, dazu zählen die Attacke eines Schwarms von Flugsauriern sowie eine Verfolgungsjagd durch den Wald bei der Chris Pratt versucht mit seinem Motorrad mit den flinken Raptoren mitzuhalten. Keinesfalls harmlos ist allerdings der Bodycount, denn dem Terror der um sich schlagenden und beißenden Tiere fallen nicht nur ein paar namenlose Schergen der Wachmannschaft, sondern auch der eine oder andere Handlungsträger zum Opfer und dies auf meist recht brutale Art und Weise. In diesem Punkt geht es dann doch ganz klar ein bis zwei Nummern heftiger zu als noch beim in Sachen Körper-Zerstückelung eher zurückhaltenden Familienfilmer Spielberg. Der baute zwar einst auch die Spannungskurve etwas subtiler und langsamer auf, doch in Sachen Action und Schauwerte übertrifft diese neue Inkarnation erwartungsgemäß sämtliche Vorgänger deutlich.
Schauspielerisch gibt es dagegen nicht viel zu melden für den Großteil der Darstellerriege, auch nicht für eine Bryce Dallas Howard, deren Figur doch ein wenig zu übertrieben pedantisch daherkommt. Neben dem frisch und hemdsärmelig aufspielenden Chris Pratt (mit dem wir genauso im Interview sprachen wie mit Regisseur Trevorrow) hat lediglich der immer gute Vincent D'Onofrio Gelegenheit seinen Schmierlappen von Sicherheitschef schön hassenswert anzulegen. Aber letztlich sind die menschlichen Darsteller halt doch ein wenig zweitrangig, wenn es derart viele Massen an anderen phantastischen Wesen zu bestaunen gilt. Als reines Action- und Popcornkino kann die Reinkarnation der "Jurassic"-Reihe dabei wesentlich mehr überzeugen als etwa der gleichzeitig laufende Katastrophenfilm "San Andreas", denn obwohl dessen Erdbeben-Szenario uns eigentlich näher gehen sollte als eine der Phantasie entsprungene Saurier-Welt, ist letztere erstaunlicherweise ein gutes Stück realistischer und glaubwürdiger geraten, was zweifellos zu ihrem großen Unterhaltungswert beiträgt. Das lange Warten auf die "Jurassic World" hat sich also tatsächlich gelohnt.
Neuen Kommentar hinzufügen