Späte, eher unerwartete Fortsetzungen eines erfolgreichen Films sind zwar nicht völlig ungewöhnlich, aber mit 39 Jahren liegt der „Shining“-Nachfolger in dieser Kategorie doch ziemlich weit vorne. Was natürlich damit zu tun hat, dass der Autor der Romanvorlage sich halt auch ein paar Dekaden Zeit gelassen hat, bevor er sich entschloss die weitere Entwicklung des übersinnlich begabten Danny Torrance zu beschreiben und diesen noch einmal ins legendäre Overlook-Hotel zurückkehren zu lassen. Allerdings hat Stephen King oft, sehr oft betont, wie wenig er Stanley Kubricks Adaption seines Buches schätzt. Dennoch stimmte er nun einer Verfilmung von „Doctor Sleep“ zu, die sich sehr stark auf dessen Film bezieht. Das passt nicht so recht zusammen, wie leider noch so einige andere Dinge hier.
Man kann nicht behaupten, dass Danny Torrance (Ewan McGregor) die traumatischen Erlebnisse seiner Kindheit allzu gut verkraftet hätte. Als Erwachsener streunt er obdachlos und alkoholabhängig herum und ist sich auch nicht zu schade, andere zu bestehlen. Der gutmütige Billy (Cliff Curtis) besorgt ihm schließlich eine Unterkunft und einen Therapieplatz und Danny beginnt seine übersinnliche Gabe des „Shining“ zu nutzen, um Sterbenden die Angst zu nehmen. Als ihn aber die junge Abra (Kyliegh Curran) in seinem Kopf „besucht“ und um Hilfe bittet, zeigt sich die bedrohliche Ausprägung dieser Fähigkeiten. Denn eine Gruppe um die rücksichtslose Rose (Rebecca Ferguson) entführt und tötet Kinder, die das Shining besitzen, um sich von deren Energie zu ernähren. Und das neueste und wichtigste Ziel des Clans ist nun Abra.
Bis es zu dieser Auseinandersetzung kommt, vergeht aber bereits eine komplette Spielfilmlänge, in der sich zunächst den einzelnen Charakterstudien gewidmet wird. Womit klar ist: Hier wird sich sehr viel Zeit genommen, was aufgrund der ebenfalls sehr umfangreichen Romanvorlage nachvollziehbar und ehrenhaft ist, den Film von Drehbuchautor und Regisseur Mike Flanagan (der auch schon Kings „Das Spiel“ adaptiert hat) aber zu einer recht anstrengenden Angelegenheit macht. Mag der Roman ein „Pageturner“ sein, der Film ist es nicht, sondern ein sehr schwerfälliger und in diverse Richtungen und Nebenzweige ausufernder Brocken. Bei dem dennoch wichtige Aspekte zu kurz kommen, denn warum Danny den Namen verliehen bekommt, der der Geschichte ihren Titel gibt, wird nur beiläufig in einem einzigen Satz abgehandelt. Zumal dieser Danny Torrance auch mehr wie eine Nebenfigur wirkt, die Leinwandzeit von Ewan McGregor fällt in den ersten zwei Dritteln nicht nur gefühlt deutlich geringer aus als die von Kyliegh Curran und vor allem von Rebecca Ferguson. Weil deren „Rose the Hat“ halt auch die deutlich charismatischere Figur ist, schön, bedrohlich und einfach absolut skrupel- und rücksichtslos.
Die Szenen, in denen ihre „Sekte“ sich über die entführten Kinder hermacht, sind von expliziter Grausamkeit, wobei die Gruppe dennoch eher wie ein typischer Vampir-Clan daherkommt als dem Betrachter die Besonderheit der Shining-Begabten deutlich zu machen. Wenn sich verrückte, eigentlich unmögliche Dinge vor allem in den Köpfen der Beteiligten abspielen, ist das mit Worten meist besser und einfacher zu beschreiben, die Umsetzung in entsprechende Bilder birgt dagegen immer die Gefahr, mit so etwas ein eher albernes Ergebnis zu erzielen. Das wird in „Doctor Sleep“ zwar weitgehend vermieden, und man kann dem Film auch nicht absprechen sich Mühe zu geben der verästelten Story gerecht zu werden und dabei auf jeden Fall eine sehr gelungen unangenehme Atmosphäre zu erzeugen. Nur richtig spannend wird es halt nicht und das bleibt auch bis zum Schluss so. Denn was dann in der letzten halben Stunde erfolgt, ist ein einziges Ergötzen an Referenzen auf den Kubrick-Film - ganz egal ob die nun Sinn ergeben oder nicht.
Genau, wir befinden uns irgendwann wieder im eingeschneiten Overlook-Hotel, und vom Dreirad über die Blutfontänen, den Irrgarten und nackte Frauen in Badewannen wird uns wirklich jedes bekannte und ikonische Bild noch einmal (und einiges auch mehrfach) hingeworfen. Wobei der Trip an den Ort, an dem einst Dannys Vater Jack dem Irrsinn verfallen ist, nur wenig zwingend ist, da das mit den aktuellen Geschehnissen kaum etwas zu tun hat (auch Dannys „Shining“ an sich war ja schon damals für den Hauptstrang eher irrelevant). Und so wirkt es enorm forciert und kommt als reiner Fanservice daher, wenn sich auch hier irgendwann Danny, Abra und Rose in den exakt gleichen Situationen wiederfinden wie einst Jack Nicholson. Ein Fanservice, der uns ja erst kürzlich auch in Steven Spielbergs „Ready Player One“ serviert wurde, dort aber als gewollter Nostalgie-Flash viel besser hinpasste als hier zur zuvor doch so ernsthaft und bemüht realistisch vorgetragenen neuen Geschichte.
So zerfällt ein ohnehin schon mit Schwächen kämpfender Film schließlich noch in nicht zusammen passende Teile, gibt sich zunächst anspruchsvoll und hascht dann nach billigen Effekten. Was am Ende doch das Gefühl hinterlässt, dass es diese unausgegorene Fortsetzung eher nicht gebraucht hätte.
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