Wellenreiten, made in Germany: Die Drehbuchautoren von "Kleinruppin forever" haben sich das schon clever ausgedacht, mit zwei Retrotrends gleichzeitig zu schwimmen, und ihre Ostalgie-Komödie im Teenager-Milieu der 80er Jahre anzusiedeln - da kann man mal schauen, was im Jahrzehnt von Modern Talking und Boris Becker so in der Deutschen Demokratischen Republik los war. Und um die vermeintliche Erfolgsformel gleich richtig bombensicher zu machen, bemüht man für den Plot auch noch eines der meist bewährten (oder auch: abgegriffensten) Komödienmotive überhaupt: Die "Vertauschter Zwilling"-Klamotte (wobei es eine deutsch-deutsche Geschichte mit Zwillingen auch schon vor über zehn Jahren in den "Schultze & Schultze"-TV-Filmen mit Götz George gab).
Dem westdeutschen Tennis-Boom Mitte der 80er ist auch der Bremer Tim (Tobias Schenke) aufgesessen, der als Adoptivsohn eines schwerreichen Papas dem elitären Ballsport frönt und mit seinen ähnlich arroganten Freunden ein hochgradig wohlstandsverwahrlostes Trio bildet. Das ändert sich schnell, als Tim auf einem Schulausflug in die DDR seinen Zwillingsbruder Ronnie (Tobias Schenke) trifft - als Babys wurden sie nach dem Unfalltod ihrer Eltern getrennt. Der haut den verwöhnten Schnösel kurzerhand k.o. und fährt für ihn zurück in den Westen - eine Geschichte, die Tim anschließend weder die ostdeutschen Behörden noch seine Eltern im Westen glauben, die den falschen Sohnemann anscheinend bedenkenlos als den echten akzeptieren. Und so muss sich Tim in Ronnies DDR-Dasein einfinden, bei dessen Adoptivvater Erwin (Allzweckwaffe Michael Gwisdek, bekannt zum Beispiel aus "Goodbye, Lenin!"), mit dem Job in der Schachcomputer-Fabrik und der Laienband im Hinterzimmer. Ein wenig Licht ins triste Plattenbau-Grau bringen da nur die süße Jana (Anna Brüggemann) und Tims abenteuerliche Pläne, wie er es zurück in den Westen schaffen könnte.
Wer da denkt, der Plot klingt mächtig zusammen geschraubt - er ist es auch. Zu keinem Zeitpunkt können sich "Kleinruppin forever" oder seine Figuren von ihrer Konstruiertheit befreien, die abgedroschene Idee mit unbekanntem Zwilling und Rollentausch findet hier fast einen neuen Tiefpunkt in Sachen unglaubwürdige und hölzerne Umsetzung (was bei diesem "Subgenre" wirklich etwas heißen will). Richtig peinlich ist aber die Tatsache, dass dieser Zwillingstausch-Quatsch einzig als Gimmick herhält, um den West-Teenie Tim im Osten festzusetzen. Dass es hier eigentlich zwei Geschichten zu erzählen gibt - die von Tim im Osten genauso wie die von Ronnie im Westen - interessiert die Autoren nicht die Bohne: Ostalgie heißt der Trend, und drum darf Ronnie auch gänzlich ungestört von Filmkameras das West-Dasein zwischen Tennisbällen und dicken Joints genießen (der krampfhaft ins Bild gerückte Gras-Konsum von Tims Clique wirkt mächtig deplaziert, und ist eigentlich auch nur da, um einen Gag zu ermöglichen, der direkt bei "Lammbock" geklaut ist und auch noch schlecht ausgeführt wird).
Bei soviel verkorkster Story können auch die spärlich gestreuten Talente nicht mehr viel reißen: Michael Gwisdek als DDR-Papa Erwin ist wie immer gut, Newcomerin Anna Brüggemann als Jana zumindest charmant und überzeugend, soweit das Drehbuch das zulässt; Regisseur Carsten Fiebeler findet einige schöne Bilder, die allerdings wesentlich besser in einer Story aufgehoben wären, die ihrer leicht verträumten Romantik gleich kommt. Deren gute Arbeit kann aber zu keinem Zeitpunkt die Schwächen ausgleichen, die durch Tobias Schenke in der Haupt-Doppelrolle verursacht werden. Dessen limitierte Fähigkeiten als Schauspieler reduzierten ihn bisher auf Rollen in albernen Teenie-Klamotten ("Harte Jungs 1 + 2"), und das wird sich auch nach "Kleinruppin forever" kaum ändern. Ein Film komplett zentriert auf ihn, indem auch noch eine halbwegs komplexe Darstellung von ihm gefordert wird, ist schlichtweg zu viel verlangt von dem Jungmimen, in dessen Altersklasse es in Deutschland talentiertere Leute gibt.
Auch das erhoffte Punkten durch viele kleine (N)Ostalgie-Details fällt eher enttäuschend aus: Im Westen beschränkt man sich aufs prominente Ins-Bild-Rücken von Lacoste-Polohemden und Ed-von-Schleck-Eis, im Osten verbringt der Jugendliche an sich seine Zeit mit tabuisierter Rockmusik im Jugendtreff und beim FKK-Baden mit Mundharmonika - nichts Neues, allzu Bekanntes. In sicheren Klischees wandelt man auch mit den anderen Aspekten des DDR-Alltags, bis hin zu den allgegenwärtigen Stasi-Schnüfflern, die hier nur billige Witzfiguren sind und daher nie als Bedrohung, sondern immer nur als schlechter Gag wirken - besonders unfreiwillig in einer Szene, in der sie eine sonnenumflutete Grillparty am Fluss beobachten, während sie selbst am anderen Ufer im Nieselregen stehen. Ein selten schlampiger Anschlussfehler.
"Kleinruppin forever" wirkt wie ein schlechter Abklatsch zwischen "Sonnenallee" und "Goodbye, Lenin!" und ist dabei so voll von lahmen Story- und Gagideen, dass nicht einmal ein vernünftiger Erzählfluss zustande kommt. Als ernsthafte Abhandlung über den DDR-Jugendalltag der 80er Jahre schon im Ansatz gescheitert, versagt der Film auch weitestgehend als Komödie oder Teenie-Romanze aufgrund seiner unspontanen Konstruiertheit - und die unverwüstlichen 80er-Anhänger werden schließlich noch verschreckt durch das Sakrileg, den Stehblues-Schmuseklassiker "Reality" aus "La Boum" in einer billigen Cover-Version für den Soundtrack zu missbrauchen (als Original findet sich dafür Mel & Kim's Dance-Hit "Showing out" im Film wieder - ein Song von 1987 auf einer Party im Jahre 1985. Soviel zur sauberen Recherche). Die Genre- und Trendkollage von "Kleinruppin forever" kann also schon in ihren Einzelteilen nicht überzeugen, und ist entsprechend als Gesamtbild ein negatives Beispiel für halbgare Ideen schlecht zusammengeklebt.
Neuen Kommentar hinzufügen