Flags of our Fathers

Originaltitel
Flags of our Fathers
Land
Jahr
2006
Laufzeit
132 min
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Simon Staake / 9. Juni 2010

 

Das Bild, welches Ausgangspunkt für die Geschichte von "Flags Of Our Fathers" ist, kennt wohl jeder. Aus dem Geschichtsbuch, einer Dokumentation, vielleicht einer Parodie, oder in Form des Marines-Denkmals in Washington, das schon zahllose Hollywood-Filme gut ausgeleuchtet ins Bild rückten. Dieses Bild von einem halben Dutzend US-Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg gemeinsam die US-Flagge auf der japanischen Insel Iwo Jima aufrichten, ist Legende. Und genau hier setzt Clint Eastwoods neuer Film mit den Fragen an: Warum ist dieses Bild so legendär? Was sagte es den Leuten damals, vielleicht auch den Leuten heute, und wie kam es dazu? Wer sind diese Soldaten auf dem Bild? Diese spannenden Fragen bilden in etwa die Leitmotive für Eastwoods Kriegsepos, das sich dabei inhaltlich leicht verhebt und zumindest bei den amerikanischen Kinobesuchern mit seinen gemischten Botschaften kein Gehör fand (mit dementsprechend enttäuschenden Einspielergebnissen als Resultat).

Eastwood rückt eben die Männer jenes Platoons in den Mittelpunkt, das damals für das Hissen der "Stars and stripes" auf dem höchsten Berggipfel der japanischen Insel Iwo Jima verantwortlich war, dessen Eroberung ein strategisch höchst bedeutsamer Kriegserfolg war. Als Hauptpersonen kristallisieren sich dabei drei der Soldaten heraus, aus dem logischsten aller Gründe: Sie sind nach Erscheinen des Fotos die einzigen, die das Massaker auf Iwo Jima überlebt haben. Also werden die drei Soldaten Rene Gagnon (Jesse Bradford), John "Doc" Bradley (Ryan Philippe) und Ira Hayes (Adam Beach) zu Propagandazwecken flugs in ein Flugzeug nach Hause gesetzt, um dort Werbung für Kriegsanleihen und die finanzielle Unterstützung des kostenspieligen Krieges zu machen. Aber die Erinnerungen an die Grausamkeiten auf Iwo Jimas Schlachtfeld lassen sich nicht so einfach abschütteln. Und auch der Ruhm als "Kriegsheld" hat seine Schattenseiten.

"Flags Of Our Fathers" ist kein Meisterwerk geworden, sondern ein Film mit vielen Fehlern. Aber es ist ein Film geworden, den seine Fehler ehren und größer statt kleiner machen. Denn Eastwood will zuviel und macht ungewöhnliche, nicht immer hundertprozentig gelungene Entscheidungen. Aber sein Wille, irgendwo allen gerecht zu werden und Kriegsfilm, Zeitdokument, Sozialdrama und Generationenporträt gleichzeitig abliefern zu wollen, hat auch etwas Rührendes und lässt Raum für Zwischentöne. Und das letzte Wort über diesen Film wird man wohl eh erst sprechen können, wenn man mit dem direkt im Anschluss in japanischer Sprache (!) gedrehten Begleitfilm "Letters From Iwo Jima", der die Schlacht aus der Sicht der Japaner zeigt, auch die anderen Teile des Puzzles bekommen hat.
Da werden dann wohl auch die Japaner besser weg kommen als hier, wo sie kaum stattfinden und wenn, dann nur negativ. Da dieser Film konsequent die amerikanische Seite zeigt, sind die wenigen japanischen Charaktere wie Horrorfilm-Bösewichter - sie springen keuchend und mit bösen Absichten aus dem Dunkeln auf unsere Helden - und sterben dann meist eines schnellen Todes. Den Hinterhalt auf Iwo Jima mit dem Tunnel- und Bunkersystem, aus dem die Japaner den US-Truppen enorme Verluste abforderten, filmt Eastwood dann auch wie in einem Horrorfilm, aus der "Täterperspektive", aus der dann das Publikum quasi mit den Japanern zum Angriff aus dem Hinterhalt ansetzt. Das ist hier in seiner drastischen Einseitigkeit tragbar, weil man weiß, dass da noch ein Film kommt, um das Bild gerade zu rücken. Oder ob sich Eastwood inmitten der "Flags"-Dreharbeiten zum Nachschlag entschloss, eben weil er merkte, dass dieser Film für sich genommen perspektivisch doch arg verzerrt daherkommt?
Die schon angesprochenen Kampfszenen sind dabei sicherlich die eindrucksvollsten des ganzen Films. In ausgebleichten Farben und teils drastischen Bildern fangen Eastwood und sein mittlerweile Stammkameramann Tom Stern das fürchterliche Gemetzel ein wie damals Steven Spielberg in der Anfangssequenz von "Der Soldat James Ryan". Ein Schelm wer vermutet, es sei Zufall, dass Spielberg hier als Produzent in Erscheinung tritt. Auch das Produktionsdesign der übrigens in Island gefilmten Kampfszenen - wo es aufgrund der vulkanischen Gesteinsstruktur den für Iwo Jima charakteristischen schwarzen Sandstrand gibt - gefällt: Man fühlt sich förmlich wie die Soldaten hier verloren auf diesem öden, aber strategisch wichtigen Felsbrocken im Meer. Schade daher, dass die Szenen "daheim" in Amerika da doch ziemlich abfallen.

Allerdings kann man nicht verhehlen, dass sich "Flags Of Our Fathers" seine Probleme selbst schafft mit einer unnötig verschachtelten und nicht immer stimmig zusammengefügten Erzählstruktur sowie Hauptpersonen, denen neben einer einzigen Charakteristik kaum Tiefe oder wirklicher Hintergrund gestattet wird. So kann man die drei "Helden von Iwo Jima" schnell auf ihre Positionen reduzieren: Gagnon ist der ruhmliebende Erhascher des Rampenlichts, Hayes der schuldbeladene, selbstzerstörerische Traumatisierte und dazwischen Bradley als anständiger Durchschnittsamerikaner, der versucht das Beste zu tun. Das sind im Grunde genommen undankbare Rollen, die auch durch die eher durchschnittlichen Leistungen der drei Milchgesichter Beach, Philippe und Bradford nicht aufgewertet werden. Negativ fällt einem höchstens noch auf (auch wenn das durch die historische Figur nun mal so vorgegeben ist), dass ausgerechnet Hayes als Trinker das Klischee vom Indianer und seiner Abhängigkeit vom Feuerwasser wieder beleben muss.
Während man in den Iwo Jima-Szenen nicht nur die Action auf der Habenseite hat, sondern auch noch ein halbes Dutzend anderer Charaktere (darunter eine sehr feine Darstellung von Barry Pepper und ein so gut wie gar nicht stattfindender Paul Walker), langweilt man sich in den Szenen in Amerika mit drei wenig bis gar nicht interessanten Figuren dann doch ein wenig.

Größtes Problem neben den teils recht schwachen Charakterisierungen bleibt aber die sperrige Erzählstruktur des Films, die mehr schlecht als Recht die drei dargestellten Zeitebenen (die Schlacht um Iwo Jima, die Propagandatour danach und die Recherche des als Charakter fiktionalisierten "Flags Of Our Fathers"-Autors) verbindet. Übergänge sind nicht flüssig, passen manchmal kaum zusammen. Dazu kommt dann später eine gewisse Vorhersehbarkeit (auf der Propagandatour löst irgendein Impuls eine neue Kriegserinnerung aus und schwupps ist man wieder auf dem Schlachtfeld) und ein zumindest diskussionswürdiger Wechsel der Erzählperspektive, wenn auf einmal der die Geschichte seines Vaters und dessen Kameraden recherchierende Autor zum Erzähler wird, der noch mal schnell das verbleibende Schicksal der drei Kriegshelden erzählt. Nein, rund ist das Ganze nicht geworden, aber eben nicht, weil Eastwood und der mittlerweile überall auftauchende Autor Paul Haggis nebst Co-Autor William Broyles Jr. faul gewesen wären, sondern weil sie sich in der Mischung aus allem verheddern.
Der Wunsch und fast auch die Not, sich selbst politisch zu positionieren, hat für manche Kritiker den Kritikpunkt hervorgebracht, Eastwood würde es ja gern allen recht machen, indem er gleichzeitig die Soldaten positiv zeigt und ihre Kameradschaft beschwört, während er die hohlen Phrasen der Propagandamaschinerie und die unbarmherzigen, teils brutalen Logiken von Politik und Militär entlarvt. Das ist natürlich auch in Hinblick auf die aktuelle außenpolitische Situation der USA wichtig. Durch diesen filmischen Spagat kann er gleichzeitig "die Jungs" moralisch unterstützen und trotzdem die heuchelnde Bush-Administration zu Hause an den Pranger stellen. Da in dieser Situation diejenigen, die in Leichensäcken nach Hause geschifft werden, am Wenigsten für die fatalen Entscheidungen des Präsidenten und seiner Komplizen können, erscheint das nur logisch und konsequent.

Brisant wird das Ganze allerdings wieder durch die Tatsache, dass dieser Einsatz im Zweiten Weltkrieg das letzte Mal war, dass man den USA bei ihrem Einsatz bedingungslos gute und uneigennützige Absichten unterstellen konnte und der Krieg als der letzte vor allem moralisch gerechtfertigte Einsatz gilt. Dass Eastwood nun auch hieran kratzt, auch wenn es "nur" um die Propagandamaschinerie geht und weniger um Fragen der Notwendigkeit oder Legitimation (die ja beide da waren), werden ihm Rechtsausleger schwer verzeihen, gerade weil "Dirty Harry" Eastwood ja jahrelang als einer der ihren galt. Und wer Eastwood als kalten Krieger in den 1980ern sah, der in "Firefox" den Russen ihre Militärflugzeuge stahl und in "Heartbreak Ridge" den gnadenlosen Militärschleifer gab, dem konnte man dies ja auch kaum verdenken.
Aber aus Eastwood, dem Konservativen, ist ja längst Eastwood, der Humanist geworden, dessen in die entsprechenden Filme eher eingeschmuggelten Beiträge zur Todesstrafe ("Ein wahres Verbrechen") und Sterbehilfe ("Million Dollar Baby") ihn im Konservativenlager längst isoliert haben. Und spätestens mit "Erbarmungslos" hatte Eastwood ja auch die Aufarbeitung der von ihm jahrelang praktizierten Leinwandgewalt aufgenommen und dieses Motiv in Filmen wie "Mystic River" weiter verfolgt.

Und so geht der große alte Mann des US-Kinos - nach dem bedauernswerten Tod von Robert Altman vor kurzem bleiben in diesem Bereich ja nicht mehr viele - weiter seinen unbequemen Weg durchs edle Alterswerk, auch wenn "Flags Of Our Fathers" dort wohl den undankbaren Platz als noblen Fehlschlag einnehmen wird. Denn so richtig überzeugen kann "Flags Of Our Fathers" trotz interessantem und interessant umgesetztem Thema und teils toller Inszenierung aufgrund der deutlichen Schwächen nicht.
Aber vielleicht wird dieser Film auch erst im Zusammenhang mit seinem Nachfolger seine komplette Wirkung entfalten und einen entsprechenden Platz in der Eastwood-Filmografie einnehmen. Eines ist jedenfalls klar: So lange Eastwood weiterhin derart interessante Filme wie diesen dreht, ist es die Rentnerabteilung Hollywoods, die die Musik macht. Auch wenn es dann eine eigenwillige Mischung aus Militärfanfare und Trauermarsch ist.

 

Bilder: Copyright

8
8/10

Ich finde , dass Lee Cooper mit seiner Filmkritik Recht hat und ich kann mich ihm und seiner Meinung nur anschließen! Allerdings finde ich auch, dass dem Film etwas langartmig war.

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Clint Eastwood dreht (fast) ein Meisterwerk, das in den USA kaum jemand im Kino sehen wollte. Sehr sehenswert. Den "zweiten Teil" "letters from iwo jima" sollte man sich auch ansehen

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6
6/10

bin ich ja froh, daß ich den noch geguckt habe, nachdem mich letter from...doch ziemlich enttäuscht hatte. ich finde das hier ist der bessere von beiden. wenn auch der erzählstil von clint eastwood nicht wirklich mein ding ist. da ist nach meiner meinung einfach zu viel langeweile drinne.
gruß aus b
++

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1
1/10

Das den Film in den USA niemand sehen wollte, kann ich sehr gut verstehen...einer der langweiligsten Filme der letzten Monate - aber das ist ja in diesem mehr als bescheidenem Kinojahr nicht verwunderlich

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5
5/10

Durchschnitt. Herr Staake hat in seiner Kritik die Dinge, woran's happert, sehr gut erläutert. Der Film läßt einen völlig kalt, genauso wie die Figuren. Der Auftritt von Paul Walker übertrifft an Kürze sogar den von George Clooney in "Der schmale Grat".

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2
2/10

Billiger Kriegsfilm mit der Aussage, daß Heldentum ganz was tolles ist. Ich könnte kotzen.
Alles nur Klischees und Wiederholungen.

Ein Kriegsfilm, der kein Antikriegsfilm ist und damit seine Legitimation verliert.

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