Ghost in the Shell

Originaltitel
Ghost in the Shell
Land
Jahr
2017
Laufzeit
107 min
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Frank-Michael Helmke / 29. März 2017

Der Manga-Comicroman "Ghost in the Shell" von Masamune Shirow erschien 1989 und gilt als einer der bahnbrechendsten und bedeutendsten Vertreter seiner Art. Noch berühmter und wichtiger ist für Cineasten indes die Anime-Verfilmung von 1995. Der Film von Mamoru Oshii war zusammen mit "Akira" nicht nur dafür verantwortlich, dem japanischen Zeichentrick-Genre in der westlichen Welt zum (kleinen) Durchbruch zu verhelfen. Ghost in the ShellSein immenser popkultureller Einfluss zeigt sich vor allem daran, dass er die zentrale Inspirationsquelle für den SciFi-Meilenstein der Jahrtausendwende war: "Matrix" ist in seiner Geschichte und vor allem in seinem visuellen Stil mehr als nur geprägt von "Ghost in the Shell". Und das war vielleicht irgendwie das Problem von Steven Spielberg. Der hatte sich zwar die Rechte an dem Film für ein amerikanisches Remake gesichert. Doch spätestens nach "Matrix" musste man sich definitiv fragen, ob so ein Film wirklich Sinn machen würde.

Nun, fast zwei Jahrzehnte später, kommt die US-Version "Ghost in the Shell" nun doch noch in die Kinos, von Spielbergs Produktionsfirma Dreamworks, aber nicht unter der Regie des Großmeisters, sondern unter der des Engländers Rupert Sanders. Ein im Mantra "Was zählt, ist die Oberfläche" bestens ausgebildeter Ex-Werbefilmer, der mit "Snow White & the Huntsman" sein Hollywood-Debüt hatte geben dürfen. Wenig verwunderlich, dass in der Hand solch eines Regisseurs der Stoff auch noch den letzten Tiefgang verliert, den das neu aufgelegte Drehbuch von "Ghost in the Shell" nicht ohnehin schon abgeschliffen hat. 

Ghost in the ShellIn der nahen Zukunft ist es vollkommen normal geworden, seinen Körper durch kybernetische Ersatz-Körperteile zu vervollkommnen, so dass fast kein Mensch mehr mit seinem echten biologischen Selbst durchs Leben geht. In dieser Welt wird Major (Scarlett Johansson) erschaffen, der erste vollständig kybernetische Körper (die "shell") mit einem per Gehirntransplantat installierten menschlichen Geist (der "Ghost"). Major hat jede Erinnerung an ihr früheres Leben verloren, ein Mensch ohne Identität, geschaffen, um als Super-Polizistin auf Verbrecherjagd zu gehen. "Für mich ist sie eine Waffe. Sie ist die Zukunft meiner Firma" sagt der Chef des Unternehmens, das Major entwickelt hat, in der ersten Szene, und sogleich weiß man, wer hier der Böse ist und das es offensichtlich darum gehen wird, die miesen Machenschaften eines skrupellosen Konzerns (bzw. seines Anführers) aufzudecken. 

Das erschließt sich für Major natürlich erst nach und nach, während sie sich in einem sehr konventionellen Krimi-Thriller-Plot einem mysteriösen Verbrecher nähert, der auf einer persönlichen Vendetta gegen Majors Mutter-Konzern zu sein scheint. Die Einfallslosigkeit der Erzählung ist in diesem Fall gerade deshalb so bedauerlich, weil diesem Film ein Werk zugrunde liegt, das eines eben ganz bestimmt nicht war: Konventionell und einfallslos. "Ghost in the Shell" (als Manga und als Anime) ist unter all seiner oberflächlichen visuellen Ästhetik und seinem verzwickten Krimi-Plot eine vielschichtige Abhandlung über Fragen der Identität: Wie sehr benötigt ein "Ich" einen eigenen Körper, um sich noch als Individuum wahrnehmen zu können? Wieviel Bedeutung trägt ein eigener Körper überhaupt noch für die eigene Identität in einer zunehmend virtuellen Welt? Kann eine Maschine ein "Ich" besitzen?  

Ghost in the ShellIn der neuen US-Version linsen solche tiefgehenden Fragen höchstens mal kurz verschämt um die Ecke, wenn Major gerade einen ihrer wenigen Momente der Selbstreflexion hat, die das Drehbuch ihr noch zugesteht - eine in der Anlage hochkomplexe, vom eigenen Skript aber vollkommen vernachlässigte Hauptfigur. Das passt aber sehr gut ins Gesamtbild, denn eigentlich sind alle Figuren hier nur bloße Oberfläche. Rupert Sanders scheint jenseits der visuellen Ästhetik mit keinem seiner Darsteller wirklich etwas anfangen zu können. Selbst Juliette Binoche als Wissenschaftlerin und Quasi-Mutter von Major und Takeshi Kitano als Majors Vorgesetzter (und Quasi-Vaterfigur) wirken hier weniger wie echte Charaktere sondern mehr wie Funktionsträger und Repräsentanten ihres eigenen Images. Hier die europäische Charakterdarstellerin für künstlerische Credibility und thematische Gravitas. Dort die japanische Film-Ikone als Referenz an die Ursprungskultur des eigenen Stoffes. Kitanos Szenen wirken allerdings etwas befremdlich, da er alle seine Dialoge auf Japanisch spricht, aber die Antworten auf Englisch erhält. So als würden alle Anwesenden beide Sprachen verstehen, aber es aus unerfindlichen Gründen bevorzugen, nicht in derselben Sprache zu reden. Für eine Polizeitruppe wirkt das irgendwie ineffizient. 

Ghost in the ShellDas einzige, was am neuen "Ghost in the Shell" wirklich zu beeindrucken weiß, ist - wie es nicht anders zu erwarten war - seine Oberfläche. In erstaunlicher Ehrerbietung huldigt der Film der Ästethik seines Originals, und die namenlose Metropole, in der er spielt, ist ein wahrlich spektakuläres Setting. Mit dieser Nähe zur Stilistik des Originals präsentiert sich der Film allerdings in einer Optik, die ihre popkulturelle Hochzeit Ende des letzten Jahrtausends hatte. "Ghost in the Shell" war eines der prägenden Werke des "Cyber Punk", die Tentakeln der klassischen Anime-Monster verwandelten sich hier in Kabel und mechanische Greifarme ("Matrix", ne?). Vielleicht liegt es daran, dass in unserer Welt heutzutage alles über W-LAN funktioniert, und kaum noch ein Mensch ein Kabel braucht, um zu seinem virtuellen Ich zu werden, aber dieses Cyber Punk-Revival wirkt im Jahr 2017 seltsam anachronistisch. 

So weiß "Ghost in the Shell" letztlich auf keiner Ebene wirklich zu überzeugen und wirkt allzu sehr wie eine konzept- und motivationslose Resteverwertung eines Stoffes, den man halt mal bezahlt und immer noch rumliegen hatte. Ein Remake, das niemand wirklich gebraucht hat, das die erzählerisch faszinierenden Aspekte des Originals auch noch weglässt, aber dabei jede eigene Vision oder Aussage vermissen lässt - nein, das hätte man sich wirklich sparen können. 

Bilder: Copyright

Frank-Michael, Du schreibst hier "und das es offensichtlich darum gehen wird, die miesen Machenschaften eines skrupellosen Konzerns (bzw. seines Anführers) aufzudecken", aber auf die Figur Kuze gehst Du nicht ein. Welche Funktion würdest Du Ihr im Verhältnis zu Major Kusanagi zuweisen?

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7
7/10

Auch wenn ich das Original kenne, finde ich das Remake recht gelungen. Die Grundaussage des Animes kommt gut rüber, das Casting ist exzellent. Die Handlung ist ganz gut, hat aber ihre Längen. Von mir eine 7,4 von 10.

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@Ygriega: Ich gehe auf die Figur Kuze nicht ein, weil ich dann eine wichtige Wendung der Handlung verraten würde und das einem Spoiler gleichkäme. Ich werde aus demselben Grund auch einen Teufel tun, hier etwas Analytisches auf Major in Bezug auf Kuze zu sagen. Denn auch das käme einem Spoiler gleich. Das sind Aspekte, die man untereinander ausdiskutieren kann, wenn alle Beteiligten den Film gesehen haben, für eine Rezension geht das aber definitiv zu weit, wenn man nicht den ganzen Film verraten will.

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...d.h. die Wertung ist so niedrig ausgefallen, obwohl Du die Figur Kuze gedanklich berücksichtigt hast? Oder sind 4 von 10 Augen als Anreiz gedacht, selbst ins Kino zu gehen? Warum das Zurückweichen vor Spoilern, wenn die Rezension doch die Beschäftigung mit dem vollständigen Werk widerspiegeln sollte?

Ich stimme zu, dass GITS 2017 nicht dieselbe Tiefe entwickelt bei der Frage nach dem Ich in der Maschine. Gleichzeitig denke ich aber, dass das Franchise sich neuen Nährboden erschlossen hat, indem der Fokus gen Wiederherstellung des Spiegelstadiums bewegt wird. Nicht uninteressanterweise wird dieser Themenkomplex nun mit einer "Familienkonstellation" (ich verwende den Begriff vorsichtig) in Verbindung gebracht, wodurch m.E. die Ursprünge des kybernetischen Wesens hinterfragt werden. Im Zeitalter sowohl implantierbarer als auch stets präsenter Technologie könnte das doch eigentlich eine treffende Beobachtung darstellen.

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@ygriega: 1. Die Figur des Kuze stellt für mich keinen signifikanten Sprung in der inhaltlichen Komplexität und Tiefe des Films dar, die eine höhere Wertung verlangen würde, vielmehr erinnerte gerade diese Figur mich an Plot-Mechanismen aus früheren Filmen mit einer ähnlichen "Verschwörung" als Grundgeschichte.
2. Wenn ich mit meiner Wertung einen Anreiz schaffen will, ins Kino zu gehen, dann gebe ich eine hohe Wertung. Da bin ich relativ konventionell. An einen Impuls: "Oh, der Film soll scheiße sein, den muss ich mir unbedingt angucken!" glaube ich nicht wirklich.
3. Wenn du mit unserer Seite und unseren Rezensionen einigermaßen vertraut bist, dann wirst du wissen, dass wir in unseren Texten schon eine Beschäftigung mit dem vollständigen Werk versuchen, dabei aber konkrete Spoiler, die über den ersten Akt des Films hinausgehen, soweit wie möglich vermeiden, um niemandem den Film oder bestimmte Plotwendungen zu verderben. "Ghost in the Shell" macht da keine Ausnahme.
4. Was du in deinem zweiten Absatz in den Film hinein liest, kann man natürlich so sehen, wenn man das möchte. Für mich war GITS 2017 aber ein Film, der sich nicht wirklich darum bemüht hat, seine potenzielle thematische Tiefe auszuleuchten. Und wenn ein Film das nicht tut, muss ich mich auch nicht bemühen, einen Interpretationsrahmen zu schaffen für Aussagen, die da drin liegen KÖNNTEN. Das ist IMO der Versuch, einen Film unbedingt besser finden zu wollen, als er ist.

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3
3/10

Ich fand ihn unglaublich langatmig, wenn nicht sogar langweilig.

Die Story war nach recht kurzer Zeit vorherzusehen und eigentlich
ging es den Filmemachern wohl vorrangig um Effekte.

Ja, die waren gut. Aber nur Effekte machen keinen guten Film.

Aber das hat Hollywood mit Einführung der CGI schon oft vergessen.

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3
3/10

Und während man noch denkt, dass "Die Schöne und das Biest" dieses Jahr den Preis für den überflüssigsten, nutzlosesten Dreck mit nach Hause nehmen wird, kommt schon der nächste Kandidat um die Ecke.

Ich warte inzwischen schon Jahrzehnte auf das live-action Akira-Remake; das hier ist eine gute Erinnerung, einfach mit den existenten (und exzellenten) animierten Filmen glücklich zu sein und das Geld fürs Kino besser in etwas anderes zu investiere ja, dchaut gut aus, aber dass ist tatsächlich alles was such dieses überflüssige Produkt auf die Fahnen schreiben kann. Und selbst da muss man dann letztlich eingestehen: alles schon einmal, und oftmals besser, gesehen (...zum Beispiel im Anime).

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Meines Erachtens ist die Bewertung schon recht niedrig (mindestens gutes Popkornkino ist der Film, Soundtrack ist auch gut), aber letztlich ist das Geschmackssache. Es stellt sich auch immer die Glaubensfrage (bei der es kein richtig oder falsch gibt), ob man den Film für sich bewertet, oder ob man ihn auch danach bewertet, ob er dem Anime gerecht wird / wie treu er zum Original ist / ob er das Original erweitert.

Mit anderen Worten: Gäbe es das Originalwerk (Anime sowie Manga) nicht, hätte der Film eine etwas bessere Wertung erhalten?

Dass Takeshi Kitanos Charakter japanisch gesprochen hat und ihm die anderen Charaktere auf englisch geantwortet haben, hat mich übrigens nicht gestört (ich habe einfach angenommen, dass er englisch versteht, es aber weitaus schlechter sprechen kann als japanisch (und bei den anderen Charakteren es sich ähnlich verhält)). Es stimmt aber, dass das nicht sonderlich praxitauglich in der täglichen Arbeit erscheint.

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4
4/10

Effekte hui Handlung phui... Hab mir auch mehr erhofft von diesem Film, dafür ins Kino gehen lohnt auf jeden fall nicht, kann man sich vielleicht EIN mal im TV anschauen dann reichts auch schon... und auch nur wenn einem sonst nix gescheites einfällt ;)

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7
7/10

Ich kenne und mag den Anime und auch die Mangas. Trotzdem habe ich mich wirklich gut unterhalten gefühlt. Nur drei Punkte haben mich gestört: die teils extrem künstlich anmutende, manchmal etwas verwaschene CGI-Optik, die konstant menschenleere Stadt (was mir für eine Zukunfts-Dystopie doch äußerst unrealistisch erscheint) und die etwas zu mollige Scarlett Johansson.

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8
8/10

Gute Handlung - natürlich vom Original von 1995 so abgewandelt, dass es Hollywoodkompatibel wird - Schade

Als Film vom Manga überraschend gut umgesetzt.

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7
7/10

Der Film mag die hohen Erwartungen aus dem Original nicht erfüllen, ich kenne das Original nicht und finde Ghost in the Shell einen sehenswerten SciFi Film, ganz klar in der besseren Hälfte der SciFi-Filme. Die Action typisch für US-amerikanische Produktionen, mit einem exotischen Touch ins Japan, und einem sehr gutem Score, der im Ohr bleibt, leider bis heute nicht veröffentlicht. Scarlett Johansson ist immer sehenswert in Actionfilmen, und Sinnlichkeit kann sie wie kaum eine andere, aber hier gelingt ihr der Part eines kühlen Cyborgs nur mittelmässig, manchmal unbeholfen gekünstelt. 4 Sterne sind untertrieben, verglichen mit anderen SciFi-Filmen in 2017, wie zB die schwachen Valerian, Alien VIII, Guardians II, Life, eher 7 Augen. Sehenswert.

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6
6/10

@Gingi:
Dazu zwei Anmerkungen:
1. "Konstant menschenleer" kann man ja nicht sagen, die Marktszenen sind doch auch im neuen Teil vorhanden. Dass die Menschen im Smog nicht reihenweise fröhlich spazieren gehen, halte ich für realistisch – die Überbevölkerung wird trotzdem (durch Gebäude etc.) sehr deutlich.
2. Mollig? Ich hoffe doch sehr, dass eine sportliche Frau wie Scarlett Johansson nicht als "mollig" gelten muss, nur weil sie nicht die Barbie-Figur der Anime-Vorlage hat – denn die Darstellung weiblicher Körper aus japanischen Federn ist doch bekanntermaßen gerne extrem idealisiert.

Zum Film: Eine optisch sehr starke Umsetzung und es hat Spaß gemacht, die Ähnlichkeiten festzustellen (vor allem die nahezu 1:1 umgesetzten Szenen waren sehr schön), aber wie in der Rezension schon beschrieben fand ich auch, dass die Aussage arg vereinfacht wurde und leider nicht viel von den interessanten Ansätzen des Originals beibehalten hat. Als hätte man die Idee nicht konsequent zu Ende gedacht (dabei hat das ja schon längst jemand getan). Das war mehr als eine Vereinfachung – trotzdem würde ich das nicht so sehr abstrafen wie der Rezensent, weil es sehr viele eigene schöne Szenen gab und manche neue Ideen auch gut funktioniert haben.

Übrigens mochte ich die vielen Kämpfe in beiden Filmen nicht und bin auch absolut kein Anime-Fan – vor Ghost in The Shell habe ich viel Respekt, weil die Geschichte einzigartig ist, aber das hat mir das Genre trotzdem nicht näher gebracht.

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2
2/10

Schmutz!
Mit niedrigen Erwartungen den Film angeworfen und trotzdem enttäuscht worden, das muss ein Werk auch erstmal hinbekommen.

Dabei ist er ja wirklich hübsch anzusehen. Zudem bekommt der Film das für sich durchaus beeindruckende Kunststück hin, aus der relativ vielschichtigen Vorlage einen Film zu basteln, der ihr optisch erstaunlich ähnelt, aber dem Anschein nach von Gehirnamputierten für Gehirnamputierte gemacht wurde. Lange nicht so etwas ... Dummes gesehen. Wie gesagt, beeindruckend, aber leider dem Vergnügen nicht zuträglich.

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