Seit einigen Jahren versucht das "Dreamworks"-Studio von Steven Spielberg nun schon, dem Platzhirschen Disney im Bereich Zeichentrick und Computeranimation den Rang abzulaufen. Bisher wollte das jedoch nicht so recht gelingen: Filme wie "Der Prinz von Ägypten" oder "Weg nach Eldorado" waren zwar nicht unbedingt Flops, konnten jedoch mit den Einspielergebnissen gleichzeitig laufender Disney-Produktionen nicht annähernd mithalten. Und auch das direkte Duell der am Rechner konstruierten Ameisen verlor "Antz" gegen Disneys "Großes Krabbeln" - zumindest beim Publikum, nicht unbedingt nach Meinung der meisten Kritiker. Jetzt hat man sich entschlossen, mit "Shrek" einen Film zu präsentieren, den der übermächtig scheinende Konkurrent so wohl nicht wagen würde: Zu frech, respektlos und unmoralisch kommt nämlich dieses Werk daher. Und da "Shrek" nicht nur originell sondern auch noch durchgehend witzig ist - und damit nebenbei den komplett am Computer animierten Film auf ein noch nie gesehenes Level hebt - dürfte diesmal endlich der verdiente Erfolg eintreten.
Unser Held mit dem ungewöhnlichen Namen "Shrek" ist ein ziemlich großer, ziemlich grüner und vor allem ziemlich böser Oger. Ein Fabelwesen wie die meisten Figuren inmitten einer typischen Märchenlandschaft mit Zauberwäldern, Schlössern und sprechenden Tieren. An seinem "bösen" Image feilt Shrek fleißig selbst mit, will er doch eigentlich nur in Ruhe gelassen werden und ungestört Schlammbäder in seinem Sumpf nehmen. Dementsprechend genervt reagiert er, als eines Tages die komplette klassische Märchenpopulation in eben diesem Sumpf auftaucht. Pinocchio, Schneewittchen, die drei kleinen Schweinchen und ihre Artverwandten wurden vom bösen Lord Farquaard eingesammelt und strafversetzt, da dieser keine Fabelwesen um sich haben mag. Der kleinwüchsige Lord hat aber noch ganz andere Probleme: Um als richtiger König zu
gelten müßte er schon eine echte Prinzessin heiraten, welche jedoch - wie es sich gehört - von einem feuerspeienden Drachen gefangengehalten wird. Es kommt zu einem "Deal" zwischen Shrek und Farquaard: Wenn er die liebliche Prinzessin Fiona befreit und abliefert, bekommt Shrek seinen Sumpf zurück. Begleitet von einem dauerquasselnden Esel macht sich der nicht ganz typische tapfere Ritter auf den Weg und bekommt es bald nicht nur mit einem liebestollen Drachen zu tun, sondern auch mit einer Prinzessin, die nicht mal halb so lieblich daherkommt wie es das Märchenbuch eigentlich vorsieht.
Der Produzent von "Shrek" heißt Jeffrey Katzenberg und hat lange Jahre für die Disney-Company gearbeitet, wo ihm - seiner Meinung nach - die künstlerische Anerkennung versagt blieb. Er ging im Zorn und muß seitdem eine ziemliche Haßkappe mit sich herumschleppen. Anders sind die zahlreichen, in ihrer Geballtheit fast schon penetranten, bösen Anspielungen und Zitate auf
klassische Disney-Figuren nicht zu erklären. Katzenbergs "Rachefeldzug" sorgt jedoch glücklicherweise beim Publikum für einen Heidenspaß: Hier werden niedliche Frösche zu Luftballons verknotet, zarte Singvögel zerplatzen beim hohen C in der Luft und kleine Lebkuchenmänner werden bestialisch gefoltert. Nur um mal einen kurzen Eindruck zu geben, was bei "Shrek" alles erlaubt ist. Die selbstbewußte Prinzessin hat sich ihren Retter irgendwie anders vorgestellt und benimmt sich auch sonst eher wie die Heldin Trinity aus "Matrix" (Ehrlich!). Die offensichtlichen "Shortcomings" des Lord Farquaard sorgen für zahlreiche sexuelle Anspielungen und irgendwie gibt hier anscheinend keiner was auf traditionelles Heldentum. Verzichtet wird dabei zwar auch nicht auf den in den letzten Jahren in Mode gekommenen Ekel- und Fäkalhumor, aber hier wirkt dieser wesentlich witziger - kommt er doch meistens überraschend und unerwartet. Unterlegt wird das ganze konsequenterweise mit schmissigen Rocksongs statt dem sonst für Animationsfilme üblichen süßlichem Geträller ("Gesungen wird nicht").
Dank der fast schon atemberaubenden Entwicklung der entsprechenden Technik setzt nahezu jeder
neue komplett am PC entstandene Film die Meßlatte für Streifen dieser Art wieder ein Stückchen höher, und "Shrek" ist da keine Ausnahme: Ist die Präsentation von Märchenwelt und Fabelwesen schon mehr als befriedigend, so gerät man bei der Betrachtung der menschlichen Figuren regelrecht ins Staunen, denn noch nie gelang deren Darstellung so überzeugend. Insbesondere Prinzessin Fiona wirkt einfach absolut "echt": Sie hat nicht nur ihre Stimme, nein sie IST Cameron Diaz. Dies ist auch der Grund, warum es sich lohnt "Shrek" in der Originalfassung zu sehen. Selten waren die Stimmen der Sprecher so von Bedeutung, und nicht ohne Grund wirbt der Verleih massiv mit den prominenten Namen von Myers, Murphy und Diaz.
"Shrek" müßte eigentlich für alle Zuschauergruppen interessant sein: Die Jüngeren erfreuen sich an den vordergründigen Späßen und den rasant inszenierten Actionszenen, die Erfahrenen an den vielen Anspielungen und unkonventionellen Handlungsmustern. Und auch wenn der Film seine politische Unkorrektheit leider nicht ganz bis zum etwas schmalzigen Ende durchhält, stört das wenig. Das Urteil des Publikums bleibt zwar noch abzuwarten, aber künstlerisch tendiert "Shrek" eindeutig in Richtung Meisterwerk.
Neuen Kommentar hinzufügen