"Filme sind zur Unterhaltung da." Dies ist ein oft dargelegter Standpunkt, der die Mentalität einer breiten Masse unter den Kinobesuchern wiederspiegelt. Dass manch ein Enthusiast das ganz anders sieht und an das Medium als Kunst gemahnt, welches mehr zu bieten hat als netten Zeitvertreib, stößt da meist auf taube Ohren. Doch
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selbst das relativ anspruchslose Verlangen nach guter Unterhaltung landet hin und wieder auf dem Prüfstand (wobei es dann für gewöhnlich darum geht, die Ansprüche noch weiter nach unten zu korrigieren). Ein solche Prüfung ist "Sag kein Wort", ein an sich typischer Abkömmling des amerikanischen Kinoherbstes, wo mit relativ preiswert produzierten Stangenprodukten die Dürreperiode zwischen Sommerblockbustern und den im Winter startenden Oscar-Favoriten überbrückt wird. Ausgestattet mit ein paar berühmten Namen, einer recht erfolgreich auf Spannung getrimmten Story und veredelt durch eine famose Schauspielleistung könnte dieser Film durchaus gut wegkommen, wirft jedoch mit einem Logikloch, das den gesamten Plot zum Einsturz bringt, ungewollte Fragen darüber auf, wer hier eigentlich weniger nachdenkt: Das Publikum, oder die Produzenten?
Michael Douglas (in einer routinierten und daher recht leblosen Vorstellung) spielt den Psychiater Dr. Nathan Conrad, der sich in New York's schicker Upper East Side ein hübsches Nest mit seiner deutlich jüngeren Frau (Famke Janssen) und dem obligatorischen Engel von Tochter gebaut hat. Alles fein eingerichtet zum gemütlichen
Kann nicht viel bewegen: Famke "eine Frau gehört ins Bett" Janssen. |
Altwerden, wären da nicht die bösen Buben, die an Thanksgiving das kleine Töchterchen entführen, weil sie von einer von Conrad's Patientinnen eine wichtige Information benötigen. Diese Patientin ist Elisabeth Burrows (Brittany Murphy, die sich mit besagter Wahnsinnsvorstellung klammheimlich für einen Nebendarsteller-Oscar empfiehlt), welche in zehn Jahren Psychiatrie doppelt so viele Behandlungen hinter sich gebracht hat und nun reichlich durch den Wind zu sein scheint. Irgendwo in ihrem Kopf hat sie eine sechsstellige Nummer gespeichert, und genau die hätten die Kidnapper gerne - natürlich ohne zu verraten, wofür die Nummer eigentlich steht. Dafür gibt's aber eine relativ unmotiviert aufgestellte Zeitbegrenzung: Binnen knapp sieben Stunden soll geliefert werden, sonst ist's Aus mit dem Engeltöchterlein.
Selbstverständlich gibt sich "Sag kein Wort" alle Mühe, dieses etwas andere Rennen gegen die Zeit ansprechend und packend umzusetzen, was dank einer geschickt konstruierten klaustrophobischen Grundstimmung auch ganz gut hinhaut. Der Versuch, die Aufmerksamkeit des Zuschauers für die Einzelheiten möglichst auf taub zu schalten, misslingt aber dennoch, denn die Handlung beginnt rasch in einer Art und Weise zu holpern, die der beste
Auch Oliver Platt und Jennifer Esposito können nix gegen das Loch tun .... |
inszenatorische Stoßdämpfer nicht abfangen kann. So braucht Dr. Conrad z.B. nur einen tiefen Blick in Elisabeth's zentimeterdicke Akte zu werfen, um dahinter zu kommen, dass sie gar nicht geisteskrank ist und sich ihre Symptome lediglich bei anderen Patienten abgeguckt hat. Beachtliche analytische Leistung, vor allem wenn man bedenkt, dass da zehn Jahre lang kein anderer Arzt drauf gekommen ist. Alles Kurpfuscher.
Ähnlich haarig: Laut Zeitplan des Films sind die Ganoven erst vor drei Wochen aus dem Knast gekommen, hatten aber genug Zeit, nicht nur Elisabeth ausfindig zu machen und die Ansetzung des bei der Behandlung von Teenagern ach so begabten Dr. Conrad auf ihren Fall einzufädeln, nein, sie konnten auch bereits sämtliche wichtigen Räumlichkeiten mit hochtechnischem Überwachungsgerät ausstatten, um die Situation unter Kontrolle zu haben und sämtliche Hilferufe der verzweifelten Eltern zu unterbinden.
"Aber Filme sind doch zur Unterhaltung da, was soll das Krakelen über diese Kleinigkeiten?" mag da jetzt protestiert werden, und ja, man kann vielleicht beide Augen zudrücken bei diesem Nonsens, kann die zahllosen Plotstandards kommentarlos akzeptieren, die hier wie in einem Kochrezept brav Punkt für Punkt abgehakt werden,
Sean Bean spielt einen fiesen Iren. Nein, wie überraschend. |
und braucht auch Sean Bean nicht unbedingt bedauern, der ein weiteres Mal als stereotyper böser Bube aus Irland herhalten muss. Die Grenze ist wohl wirklich erst am Schluss erreicht, wenn sich herausstellt, wofür die so begehrte sechsstellige Ziffernfolge eigentlich steht, und der zumindest für zwei Sekunden nachdenkende Zuschauer begreift, dass die Entführer absolut überhaupt keine Ahnung haben konnten, dass sie diese Nummer überhaupt brauchen würden.
Spätestens hier wird dann endgültig klar, dass sich von Seiten der Produzenten anscheinend niemand die Mühe gemacht hat, den Plot von "Sag kein Wort" noch einmal durch zu denken, bevor man mit den Dreharbeiten begonnen hat. Wenn die gesamte Handlung am Schluss zusammenfällt wie ein Kartenhaus (Wer nicht weiß, dass er die Nummer braucht, wird auch nicht alles daran setzen, sie zu kriegen, und fädelt ergo auch keine Entführung ein) sitzt der denkende Zuschauer fassungslos vor dem Abspann und wird sich darüber klar, dass es in Hollywood entweder ganz mächtig an Skriptkontrolleuren mangelt, oder es den dortigen Filmschaffenden endgültig egal geworden ist, ob ihre Werke überhaupt Sinn machen oder nicht. So lange das Publikum alles schluckt, braucht man auch nicht mehr auf die Qualität zu achten.
"Filme sind zur Unterhaltung da." Wer das nach diesem Streifen immer noch sagt und den Scherbenhaufen von Plot mit einem Achselzucken hinnimmt, der hat wohl endgültig jeglichen Anspruch ans Kino aufgegeben und Hollywood einen Freifahrschein ausgestellt für die Talfahrt Richtung absoluter Hirnlosigkeit. Wir sind wohl irgendwie selbst an Filmen wie "Sag kein Wort" schuld. Wer Unsinn nicht mehr hinterfragt, wird auch nur noch Unsinn serviert bekommen. Oder anders ausgedrückt: Jedes Publikum bekommt die Filme, die es verdient. Vielleicht wäre der passendere Titel "Stell keine Fragen" gewesen.
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