Beginners

Originaltitel
Beginners
Land
Jahr
2011
Laufzeit
104 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Volker Robrahn / 18. Juli 2011

Kurz nach dem Tod seines Vaters lernt der Künstler Oliver (Ewan McGregor) die französische Schauspielerin Anna (Mélanie Laurent) kennen und lieben. Doch die frische Beziehung gestaltet sich schwieriger als sie es eigentlich sein müsste, da Oliver mit sich selbst nicht so ganz im Reinen ist. Ihn beschäftigt der kürzliche Tod seines Vaters (Christopher Plummer) und vor allem die Zeit, die diesem Ereignis vorausging. Denn im stolzen Alter von 75 Jahren und nach dem Tod seiner Ehefrau hatte Papa Hal sein Coming Out und genoss seine letzten Lebensjahre in der Schwulenszene und mit seiner neuen, deutlich jüngeren Liebe Andy (Goran Visnijic). Obwohl Oliver das grundsätzlich akzeptierte und damit äußerlich keine Probleme hatte, gelang es ihm jedoch nie einen wirklichen Zugang zur veränderten Persönlichkeit seines Vaters zu finden. Erst im Rückblick einzelner Erinnerungen und in Verbindung mit der eigenen neuen Beziehung erkennt er langsam was wohl das Entscheidende im Leben ist.

Es ist bereits sechs Jahre her, dass Mike Mills mit seinem Regiedebüt "Thumbsucker" einiges Aufsehen erregte. Die lakonische "Coming of Age"-Komödie versprach recht viel, doch der vielseitig interessierte und auch als Musikvideo-Regisseur sowie Graphiker aktive Künstler ließ eine Menge Zeit vergehen um nun sein Folgewerk vorzulegen. Auch dieser Film wäre vermutlich gar nicht entstanden, wenn Mills nicht das Bedürfnis verspürt hätte seine eigenen Lebenserfahrungen der letzten Jahre zu verarbeiten. So ist "Beginners" also zu einem guten Teil autobiographisch, denn auch Mills eigener Vater hatte mit Mitte Siebzig sein Coming Out. Zwar ließ der Autor seinen beiden Darstellern Christopher Plummer und Ewan McGregor laut eigener Aussage alle Freiheiten bei der Interpretation ihrer Rollen, doch sind selbst Elemente wie der vom Vater geerbte und stets neben Oliver her trottende Terrier Arthur der eigenen tatsächlichen Biographie entlehnt.
Hund Arthur ist allerdings, als auf ganz eigene Art mit seinem Herrchen kommunizierendes komisches Element, auch dringend notwendig, da einen ansonsten die Traurigkeit und Melancholie der Geschichte förmlich zu erdrücken droht. Denn eine lockere und leicht skurrile Komödie wie es noch "Thumbsucker" war, stellt "Beginners" ganz und gar nicht dar, auch wenn vor allem der Trailer genau dieses verspricht und somit (mal wieder) als reichlich irreführend bezeichnet werden kann.

Nein, dieser Film ist schwieriger Stoff und auch ein wenig anstrengend, vor allem weil es mitunter eine kaum zu bewältigende Herausforderung darstellt, Verständnis für das Verhalten des sensiblen Oliver aufzubringen, der - im Gegensatz zu seinem Vater, den noch gesellschaftliche Konventionen einengten - eigentlich alle Möglichkeiten und Freiheiten besitzt und damit trotzdem nicht so recht was anzufangen weiß. Wenn Oliver beispielsweise seine Freundin Anna zwischendurch grundlos wieder fortschickt um sich noch ein wenig ausgiebiger seiner Traurigkeit widmen zu können, dann darf man ihm dafür leider als Zuschauer nicht einfach was um die Ohren hauen, sondern ist gezwungen bis zum nächsten Anlauf auszuharren.
Die gesamte Liebesgeschichte zwischen Mann und Frau bleibt daher nicht nur für die beiden Beteiligten sondern leider auch fürs Publikum äußerst unbefriedigend. Aber da es sich dabei glücklicherweise nur um die "Zweitgeschichte" handelt, ist das gerade noch zu verkraften, denn der Film rettet sich mit dem Handlungsstrang um Vater Hal dann doch noch ans Ufer, wenn auch ans andere. Aber mit welchem Witz, welcher Energie und Lebensfreude Christopher Plummer hier auftrumpft ist schon sehenswert. Eine tolle Rolle für den Veteranen, der im Herbst seiner Schauspielkarriere noch einmal so richtig aufblüht und dabei auch das verdiente Glück hat, einige erstklassige Parts auf den Leib geschrieben zu bekommen, wie es zuletzt ja schon als "Dr. Parnassus" oder Leo Tolstoi in "Ein russischer Sommer" der Fall war. Da kann ein Ewan McGregor diesmal nicht ganz mithalten, was aber schlicht daran liegt, dass seine Rolle ganz bewusst so unentschlossen und zögerlich angelegt ist.

Während man daher lange Zeit etwas ziel- und ratlos mit dem Zauderer Oliver zwischen den Zeiten hin- und her springt (denn die Geschichte wird nicht linear erzählt), gelingen doch zum Ende hin dann noch einige wirklich berührende Momente, was wiederum deshalb eine Leistung darstellt, weil der Ausgang bereits bekannt ist. Ob sich das dann für den Zuschauer gelohnt hat, dürfte individuell sehr unterschiedlich beurteilt werden, der eine wird eventuell gerührt, der andere aber vielleicht doch eher gelangweilt seinen Sitz verlassen. Auf jeden Fall wird er das aber sehr, sehr leise tun, denn anders geht es nach dem Betrachten von "Beginners" einfach nicht.

Bilder: Copyright

9
9/10

Unglaublich schön inszenierter Film, der mit vielen zärtlichen Momenten zu berühren weiß. Und die Tatsache, dass "Beginners" - trotz aller Schwermut - durchgängig mal leise, mal lauthals lachen lässt, macht aus diesem kleinen Film ziemlich großes Kino.

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