J.J. Abrams ist jetzt bereits die Personalie des Jahres, und das hat nur indirekt etwas mit diesem Film zu tun. Dass der Disney-Konzern nach der spektakulären Milliarden-Übernahme von Lucasfilm und dem einhergehenden Erwerb der Rechte an "Star Wars" sich für Abrams als Regisseur entschied, um den nächsten Teil von George Lucas' Sternensaga zu inszenieren, dürfte einem guten Stück weit dem geschuldet sein, was Abrams vor vier Jahren mit "Star Trek" vollbracht hat. Denn damals hat er gemeinsam mit seinen getreuen Weggefährten - den Autoren Alex Kurtzman, Roberto Orci, Damon Lindelof und dem Produzenten Bryan Burk - höchst eindrucksvoll bewiesen, dass er der richtige Mann ist, um einer vermeintlich abgekauten und ausgelutschten Science-Fiction-Franchise einen völlig neuen Schwung zu geben, der sie auf Jahre hinaus wird weitertragen können. Der inhaltliche Haken, den Abrams & Co. in "Star Trek" mit den Mitteln der Science-Fiction schlugen und so einen Reboot der Reihe schafften, der diesen Namen auch wirklich verdient hat, war sicherlich wagemutig, aber auch ein Risiko, das sich mehr als ausgezahlt hat. Wie sehr, das beweist nun dieser Nachfolgefilm, der sich nahezu komplett derselben begeisternden Stärken wie sein Vorgänger rühmen kann.
Die junge Crew der Enterprise, die sich in "Star Trek" unter solch denkwürdigen Bedingungen zusammengefunden hat, droht zu Beginn von "Into Darkness" bereits wieder auseinander zu fallen. Denn Kirk (Chris Pine) erlaubt sich in der spektakulären Eröffnungssequenz einen Verstoß gegen die oberste Direktive der Sternenflotte, um das Leben seines ersten Offiziers Spock (Zachary Quinto) zu retten. Als Folge droht beiden eine Straf-Versetzung bzw. -degradierung, und gerade soll wieder Admiral Christopher Pike (Bruce Greenwood) auf den Kapitänssessel der Enterprise gesetzt werden, als jemand anderes dazwischen funkt: Der mysteriöse, abtrünnige Sternenflotten-Offizier John Harrison (Benedict Cumberbatch) eröffnet einen Ein-Mann-Terrorfeldzug gegen die Sternenflotte und wird daraufhin umgehend zum Abschuss freigegeben. Kirk & Co. werden auf eine dezidierte Tötungsmission geschickt, um Harrison auszuschalten, der sich dem Zugriff der Sternenflotte entzieht, indem er sich pikanterweise auf dem Heimatplaneten der Klingonen versteckt.
Klingt jetzt vielleicht noch nicht so spannend, und auch der Trailer zu "Into Darkness" ließ jetzt nicht gleich ein filmisches Großwerk vermuten. Das liegt aber daran, dass J.J. Abrams seiner Grundphilosophie treu geblieben ist, was das Erzählen packender Geschichten betrifft, und die besagt vor allem eines: Hüte deine Geheimnisse. Abrams weiß, dass kaum etwas packender, unterhaltsamer und spannender ist, als ein offenes Fragezeichen und eine überraschende Wendung, die man nicht hat kommen sehen (vor allem Fans von "Lost" können ein Lied davon singen). Und so gilt für "Into Darkness" dasselbe, was schon für seinen Vorgänger gilt: Die zentralen Wendungen, die der Geschichte überhaupt erst ihre Würze geben, sind zu gut, um sie auch nur im Entferntesten zu spoilern. Und Abrams macht eben nicht denselben bedauerlichen Fehler wie fast alle Hollywood-Filme, deren komplette Handlung bis zum Showdown man nach Betrachten des Trailers eigentlich schon kennt. Bei "Into Darkness" weiß man erst, was einen erwartet, wenn man es auf der Leinwand sieht. Und so soll es sein.
Es ist auch ein Zeugnis davon, wie gewissenhaft und vor allem langfristig denkend die neuen Franchise-Autoren mit ihrem Material umgehen, dass sie es überhaupt nicht eilig haben, mit Stoff um sich zu werfen, den sie jetzt noch nicht brauchen. Denn obwohl sie ja in "Star Trek" sich quasi das gesamte Universum freigeschaltet haben, indem sie eine zur bisherigen Trek-Geschichte alternative Realität als ihre Spielwiese erschufen, zeichnet sich "Into Darkness" auch dadurch aus, was er alles nicht macht. Zum Beispiel führt man mit Alice Eve eine mehr als heiße junge Dame in die Reihen der Enterprise-Crew ein, und verpasst ihr nicht mal den Ansatz einer Liebesgeschichte - das kann man ja immer noch im nächsten Film andenken. Und so kommen auch die Klingonen - in der Trek-Zeit, in der wir uns hier befinden, ja noch das große Feindbild - zwar als potentielle große Bedrohung vor, spielen aber letztlich nur eine Randrolle und man bekommt nur in einer Szene überhaupt einen von ihnen zu sehen. Kurtzman, Orci und Lindelof - allesamt bekennende Trekkies - gehen bewundernswert wohldosiert mit dem Fundus an Material um, der ihnen zur Verfügung steht, und halten wie schon bei "Star Trek" ihre Geschichte so, dass sie auch für Nicht-Trekkies problemlos konsumierbar ist, während es für die eingefleischten Fans immer noch reihenweise kleine Anspielungen gibt, mit Stichworten wie "Sektion 31". Oder einem Tribble. Und wenn Kirk Chekov an einer Stelle dazu auffordert: "Put on a red shirt!", dann fängt der wissende Trekkie sogleich an, sich um den netten Russen sorgen zu machen.
"Into Darkness" funktioniert auch darum so hervorragend, weil er seine Figuren als echte Charaktere ernst nimmt und unglaublich genau die Chemie zwischen ihnen herauskehrt. Das Zwischenspiel zwischen Kirk und Spock hier ist brillant ausgeführt, und überhaupt stehen hier die verschiedenen emotionalen Beziehungen der tragenden Figuren - inklusive des Bösewichts - klar im Zentrum. Die Frage, wie es sich anfühlt jemanden zu verlieren, den man liebt (als Geliebten, als Freund, als Vaterfigur), und was man bereit ist für diese geliebten Menschen zu tun, ist eine Art thematisches Rückgrat dieses Films. Und das sorgt für einige so aufrichtig emotionale Szenen, wie man sie in solch einem Film nicht erwarten würde. Und wenn "Into Darkness" im Laufe seines gut 40-minütigen, wahnwitzigen Showdowns einen der berühmtesten Momente der Trek-Geschichte spiegelt, muss man sich über die eine oder andere Träne der Rührung im Kinosaal nicht wundern. Vor allem nicht bei den Leuten, die gar nicht wissen, was hier gespiegelt wird.
Bei diesem Film sind alle Leistungen mehr als bemerkenswert, doch unter den grandios harmonierenden Darstellern ragt einer dennoch heraus: Benedict Cumberbatch, bekannt geworden als Sherlock Holmes fürs 21. Jahrhundert im TV-Reboot des berühmten Detektivs, gelingt es als geheimnisvoller John Harrison tatsächlich, dem Enterprise-Team die Schau zu stehlen. Wenn die Weisheit stimmt, dass ein Film immer nur so gut sein kann wie sein Bösewicht, dann kann "Into Darkness" kaum besser sein. Cumberbatchs Charisma und Präsenz in jeder seiner Szenen sind atemberaubend und dem Geheimnis, das seine Figur mit sich herumträgt, mehr als würdig.
Das letzte Lob soll indes wieder J.J. Abrams gebühren, dessen Inszenierung erneut makellos ist. Die "Star Wars"-Verantwortlichen bei Disney können nur hoffen, dass Abrams auch bei ihrer Franchise derart großartig arbeiten wird. Natürlich gibt es auch in "Into Darkness" mehr als nur eine Handvoll lens flares zu sehen, Abrams' inzwischen oft parodiertes Markenzeichen. Vor allem zeigt der Film jedoch - und das wird die "Star Wars"-Fraktion schon einmal beruhigen - dass Abrams auch mit 3D mehr als sicher umzugehen weiß. Vor allem in der Eröffnungssequenz, in der Kirk und McCoy auf einer fremden Welt durch einen Wald mit höchst lebhaftem Pollenflug flüchten, kommt der Tiefeneffekt zu geradezu berauschendem Einsatz, und auch der Rest des Films erweist sich als ein visueller Gaumenschmaus erster Güte. Nicht nur, was die 3D-Effekte betrifft, sondern auch hinsichtlich der Kunst des filmischen Erzählens in Bildern.
Wenn man im direkten Vergleich kleinlich sein will, so könnte man "Into Darkness" vorhalten, dass er sein Tempo nicht ganz so konsequent hochhalten kann wie sein als Action-Film formal nahezu perfekter Vorgänger. Trotzdem vergehen die zwei Stunden hier immer noch unglaublich schnell, und die gewisse Drosselung im Mittelteil reißt der Film gegen Ende dann mehr als wieder raus, denn der Showdown hier stellt seinen Vorgänger bei Weitem in den Schatten. Von daher kann man nur hoffen, dass Abrams trotz aller anstehenden Sternenkriege auch dieser Franchise weiterhin treu bleiben wird. Denn "Into Darkness" macht für keine Sekunde den Eindruck, als könne man von diesem Franchise-Reboot nicht noch eine ganze Reihe weiterer, absolut großartiger Fortsetzungen erwarten.
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