
Auf der Erde der Zukunft wirkt noch immer der Angriff der außerirdischen „Formics“ nach, die zwar letztlich erfolgreich zurückgeschlagen werden konnten, deren Rückkehr man aber weiterhin befürchtet. Auf der Suche nach talentierten Taktikern und starken Persönlichkeiten, welche die Menschheit bei einem neuen Krieg führen könnten, setzt das Militär vor allem auf die Förderung und Ausbildung überdurchschnittlich begabter Kinder. Unter diesen befindet sich auch der zwölfjährige Ender Wiggin (Asa Butterfield), der von allen das viel versprechendste Talent zu sein scheint. Vor allem der erfahrene Colonel Hyrum Graff (Harrison Ford) sieht in ihm einen zukünftigen Führer, der einmal die Nachfolge des legendären Commanders Mazer Rackham (Ben Kingsley) antreten könnte. Doch zunächst stellt sich für Ender die Aufgabe, nicht nur die diversen strategischen Herausforderungen am Simulator und im bewaffneten Kampf zu meistern, sondern sich auch als Führungspersönlichkeit gegenüber seinen Mitbewerbern zu etablieren.
Wie bitte? Zwölfjährige als Führungspersönlichkeiten im bewaffneten Kampf? In der Tat und spätestens als man sich hier nicht zu schade ist, einen brüllenden Drillsergeant im „Full Metal Jacket“-Stil auf die Kinder loszulassen, dürfte sich beim einen oder anderen Betrachter das bereits zu Beginn vorhandene Magengrummeln zu einem mittleren Geschwür entwickeln. Wo der Sprössling sich dadurch für höhere Aufgaben qualifiziert, dass er auf den bereits am Boden liegenden Gegner weiter eintritt (damit dieser auch bestimmt nie wieder einen Streit anfängt) und die Eltern dann bei der Frage, was mit ihm weiter geschieht, komplett übergangen werden („Sie haben hier nichts zu melden“), da gibt sich der faschistisch angehauchte Staat keine große Mühe diese Tendenz zu verbergen und muss die latent vorhandene Bedrohung von Außen als Rechtfertigung genügen. Doch Gemach, denn die mehrteilige Romanvorlage von Orson Scott Card hätte sich nicht zu einem modernen Science-Fiction Klassiker entwickelt, wenn nicht doch ein wenig mehr darin stecken würde.
Nachdem es einem also mehr als eine Stunde lang so geht, als befände man sich in einer Art komplett ironiefreien Variante der „Starship Troopers“, bekommt „Ender's Game“ schließlich doch noch die Kurve und stellt dann auch genau die Fragen, die sich hier förmlich aufdrängen. Da die Geschichte zudem auf eine große und gelungene Pointe zusteuert, lohnt sich daher das Ausharren im Kinosessel. Bis es soweit ist und solange sich im Vordergrund das fragwürdige Spiel um Führer und Manipulatoren abspielt, sorgen aber vor allem die prächtigen Sets (für die passenderweise ehemalige Hallen der NASA genutzt wurden) sowie die Darstellerleistungen für etwas bessere Laune.
Die schauspielerische Arbeit teilen sich dabei auf der einen Seite gestandene Routiniers wie Ben Kingsley, Viola Davis („The Help“) und Harrison Ford, wobei vor allem die Rückkehr des ehemaligen Han Solo ins Weltall dank einer eher zwielichtigen Rolle nicht ohne Reiz ist. Ihnen gegenüber steht ein Ensemble an Nachwuchsdarstellern, in dem sich Hailee Steinfeld („True Grit“) und Abigail Breslin („Little Miss Sunshine“) finden, das aber in erster Linie von Asa Butterfield angeführt wird. Der fiel vor einem Jahr als „Hugo Cabret“ auf und schultert nun in einer weiteren Titelrolle als Ender Wiggin fast den gesamten Film. Was noch dadurch erschwert wird, dass es sich bei dem jungen Genie fraglos um eines an der Schwelle zum Wahnsinn handelt, dem zudem moralische Fragen und psychische Herausforderungen auferlegt werden, die selbst einen Erwachsenen kaum ruhig schlafen lassen könnten. Sowohl Wut und Angespanntheit, als auch Arroganz und Entschlossenheit bringt der junge Schauspieler aber überzeugend auf die Leinwand und meistert seine große Aufgabe somit bravourös.
„Ender's Game“ erzeugt durchgehend eine bedrückende und unangenehme Atmosphäre und trotz der durchaus niveauvollen Auflösung der Geschichte ist damit dann nicht alles verziehen. Denn da Orson Scott Card sich einen Ruf als nicht besonders liberaler Mensch erarbeitet hat, der vehement gegen die Ehe unter Homosexuellen argumentiert und dessen ultra-konservatives Image kürzlich dafür sorgte, dass ein von ihm geschriebener Superman-Comic aufgrund von Boykottandrohungen der Händler erst einmal auf Eis liegt, stellt sich im Hinterkopf die Frage, wie sehr der Autor dann vielleicht doch mit der von ihm geschilderten, alles andere als demokratischen Weltordnung sympathisiert.
Aber wie dem auch sei, neben seiner unbestrittenen handwerklichen Qualität bietet „Ender's Game“ jedenfalls auch die seltene Möglichkeit im Kino einen hochinteressanten, komplexen SF-Stoff zu erleben, der mal nicht als kleine Independent-Produktion, sondern im Blockbuster-Format daherkommt. Und der zum Diskutieren anregt.
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