Die 14-jährige Mattie Ross (Hailee Steinfeld) kommt nach Fort Smith, Arkansas, um zwei Dinge zu finden: Den Leichnam ihres Vaters, der in die Heimat zurückgeschickt wird, und dann einen Gesetzeshüter mit echtem Mumm in den Knochen ("true grit"), der den Killer ihres Vaters jagt und zur Strecke bringt. Der härteste, aber auch kontroverseste (da - wenn es die Situation gebietet - dem feigen Schuss in den Rücken nicht abgeneigte) Marshall in der Gegend ist Reuben, genannt "Rooster", Cogburn (Jeff Bridges). Oder er ist es zumindest dann, wenn er nicht gerade seinen Rausch ausschläft, was angesichts von Roosters Trinksucht sehr häufig vorkommt. Auch sonst ist der missmutige Cogburn nicht unbedingt so, wie man sich einen gewieften Kopfgeldjäger im ersten Moment vorstellt: übergewichtig und einäugig. Aber Mattie wird im Verlaufe der Jagd auf Tom Chaney (Josh Brolin), den Mörder ihres Vaters, feststellen, dass Cogburn mehr Fähigkeiten hat, als man ihm auf den ersten Blick zuschreibt. Ebenfalls auf der Fährte von Chaney befindet sich Texas Ranger LaBoeuf (Matt Damon), der Chaney lebend fangen will, um eine Belohnung zu kassieren. Es geht das Gerücht um, Chaney sei ins Indianergebiet geflohen und habe sich dort der Outlawbande von 'Lucky' Ned Pepper (Barry Pepper) angeschlossen. Eine gefährliche Reise wartet also auf die drei ungleichen Jäger, in deren Verlauf sich zeigen wird, wer hier wirklich Mumm in den Knochen hat...
Für die wenigsten Remakes, mit denen Hollywood uns jedes Jahr bewirft, gibt es eine gute Daseinsberechtigung. Die meisten schaffen nur eins: daran zu erinnern, wie sehr viel besser das Original doch war. Manche Filme allerdings laden durchaus zu einer erfolgreichen Neuauflage ein, nämlich die Filme, die Schwächen aufweisen, die ein Remake im besten Falle ausmerzt. Und "True Grit" ist so ein Fall. Das Original aus dem Jahr 1969 - hierzulande bekannt als "Der Marshall" - ist genau genommen kein sonderlich guter Film, sondern blieb hauptsächlich in Erinnerung als der Streifen, der John Wayne einen (heftig diskutierten) Oscar als bester Hauptdarsteller einbrachte. Klar, der Duke und seine Augenklappe machen schon Laune, aber "Der Marshall" hat bei einer Laufzeit von zwei Stunden ziemlich viel Leerlauf und mit Popstar Glen Campbell als Texas Ranger LaBoeuf eine wirklich schlimme Fehlbesetzung (und dazu darf Campbell auch noch den Titelsong singen, eine wirklich grausame Schnulze). Kein schlechter Film, aber eindeutig kein Klassiker, bei dem man eine Neuverfilmung automatisch verteufelt.
Wobei die Coen-Brüder darauf bestehen, dass ihr "True Grit" kein Remake des früheren Films ist, sondern vielmehr eine neue und authentischere Adaptation des zu Grunde liegenden Romans von Charles Portis. Und tatsächlich: Selbst wer den Wayne-Film auswendig kennt, wird hier in der Tat erstaunt sein, wie sehr sich die neue Version von der alten unterscheidet.
Klar, die Grundpfeiler der Story sind gleich, oftmals auch einzelne Szenen. Wichtigste Addition der Coens ist ein aus dem Roman stammender Epilog, auf den das Original hinsichtlich eines "Feelgood"-Endes verzichtet hat. Aber vor allem eines ist anders beim Betrachten von "True Grit": Das Gefühl, man habe es wirklich mit dem Westen zu tun. Bei "Der Marshall" sieht der Western noch aus wie in den 1950ern: Die Kostüme ein bisschen zu bunt und die durchaus beeindruckenden, typisch pittoresken Außenaufnahmen aus den Rocky Mountains nicht wirklich mit dem Schauplatz in Arkansas zu vereinbaren. Dies hat sich hier nun grundlegend geändert. In "True Grit" ist alles "grittier", sprich: schmutziger, härter, realistischer.
Dazu trägt vor allem das Ensemble bei, in dem alle drei Hauptfiguren überzeugender sind als im vorherigen Film. John Wayne war nicht der subtilste Schauspieler und Jeff Bridges ist hier im Vergleich seinem Vorgänger in der Rolle klar überlegen. Wo Wayne chargierend hinter seiner Augenklappe eher eine Reihe von Stereotypen darstellte, ist Bridges' Oscar-nominiertes Porträt kompletter und zeigt die Menschlichkeit hinter Cogburns schlechter Laune und wüsten Sprüchen. Die typische Knorrigkeit, mit der Bridges zunehmend seine Rollen bestreitet, funktioniert hier wunderbar und seine Interpretation des Rooster Cogburn geht über die Karikatur hinaus, weil sich in ihr halbbetrunkene Kaspereien mit Szenen abwechseln, in denen die tödlichen Fähigkeiten und Attitüden durchscheinen, die ihm seinen Job überhaupt erst eingebracht haben.
Wie Bridges ebenfalls völlig zurecht mit einer Oscarnominierung bedacht ist die junge Hailee Steinfeld als Mattie Ross. Sie ist allein schon aus offensichtlicher Realitätsnähe besser als Kim Darby in "Der Marshall". Wo Darby über 20 war und ziemlich vergeblich versuchte, eine 14-jährige zu spielen, war Steinfeld erst 13 während der Dreharbeiten. Umso beeindruckender ihre Leistung, die über Darbys Lausbubigkeit hinaus geht und der so jungen Mattie eine alte Seele einhaucht. Wie sie beim Ponyverkauf den windigen Colonel Stonehill mit ihrem eisernen Willen so sehr entnervt, dass er sich geschlagen gibt - das sorgt wie in "Der Marshall" für ein frühes Highlight des Films. Auch das erste Rededuell mit Laboeuf hat sich gewaschen und endet aufgrund Steinfelds knallharten Repliken gegenüber dem Erwachsenen mit einem tollen Lacher auf Kosten von Matt Damons Figur. Steinfeld lässt dann, sobald die Gewalt sich steigert, auch Furcht und Unsicherheit durchblicken und gibt ihrer Figur damit die nötige Balance. "True Grit" ist damit in gewissem Sinne auch eine Variation des Bildungsromans, in der ein junges Mädchen lernt, was es heißt, sich in einer harten, Männer-dominierten Welt zu behaupten. Durch den hier im Gegensatz zu "Der Marshall" vorhandenen Epilog wird dies noch betont.
Das Triumvirat der exzellenten Darsteller vervollständigt Matt Damon, dessen Darstellung des Texas Rangers Laboeuf (den auch hier jeder "LaBeef" nennt) die größte Verbesserung zum "Marshall" darstellt. Während dort der unerfahrene Campbell ziemlich fürchterlich spielte, macht Damon mindestens so viel Spaß wie Bridges. Sein LaBoeuf ist wie Rooster Cogburn ein Mann der Widersprüche: auf der einen Seite ein aufgeblasener Geck, der mit seinem Lateinwissen und vornehmem Redestil protzt, auf der anderen aber auch ein mutiger Mann, der sich selbst ausweglosen Situationen stellt. Das ausgerechnet Damon nicht für einen Oscar nominiert ist, ist eigentlich ungerecht, denn während Bridges letztlich doch wieder eine Variation seiner bekannten Leinwandfiguren der letzten Jahre gibt, verschwindet Damon komplett unter der Eigenwilligkeit seiner Figur.
Abgerundet wird das Ensemble von einem Josh Brolin, der wenig zu tun bekommt, und einem kaum wiederzuerkennenden Barry Pepper als Namensvetter "Lucky" Ned Pepper, dessen Frisur und Bart eine kaum zu verhehlende Hommage an Dennis Hopper (der in "Der Marshall" den jungen Moon spielte) darstellt.
Eine Klasse für sich - und sehr viel besser als die Arbeit in "Der Marshall" - sind die technischen Aspekte des Films. Der Stammkameramann der Coens, Roger Deakins, zaubert wieder einmal grandiose Bilder auf die Leinwand, und man kann nur hoffen, dass ihm dafür endlich einmal der längst überfällige Oscar verliehen wird. Auch Carter Burwell - ebenfalls seit Jahren Kollaborateur der Coens - erschafft wieder einen bemerkenswerten Filmscore, der im Gegensatz zu der pompösen Westernheroik von Jerry Goldsmiths Orchestermusik im Originalfilm sehr viel zurückgenommener, auch trauriger daherkommt. Burwell hat sich bei den meisten Stücken von Kirchenhymnen aus der dargestellten Zeit inspirieren lassen, die dem Film neben sehr einprägsamer Musik auch noch ein Stück mehr Authentizität verleihen.
Von den Kostümen bis hin zu Barry Peppers fauligen Zähnen ist Authentizität hier sowieso Trumpf und insgesamt zeichnet "True Grit" ein sehr viel realistischeres Bild des Westens als der naive "Marshall". So gibt es hier Sklaven zu sehen und Cogburn und LaBoeuf streiten sich in einem der starken Wortduelle zwischen Bridges und Damon über die sehr subjektiven Meriten von William Quantrill und ihre eigenen Errungenschaften im amerikanischen Bürgerkrieg.
Somit ist "True Grit" ein intelligenter Augen- und Ohrenschmaus geworden, den sich Cineasten auch bei Genre-Aversion allein deswegen anschauen müssen, weil es derart wunderbar umgesetztes Kinohandwerk nicht sehr häufig zu sehen gibt.
Angesichts des Ergebnisses erscheint auch die Entscheidung der Coen-Brüder für diesen Stoff im Nachhinein absolut logisch. Nicht wenige hatten sich ja gewundert, warum die Coens sich nun ausgerechnet eines Westernremakes annehmen, aber den Look des Westerns haben sie ja zuletzt im Oscar-prämierten "No Country For Old Men" schon erfolgreich ausprobiert, und auch ein Film wie ihr Erstling "Blood Simple" hatte ja schon viel mit dem Western und seinen Mythen gemein. Zudem haben die Coens aus dem anderen Teil ihrer Filmographie, den absurden Komödien, einiges hier mit herübergerettet.
Das Ergebnis ist eine Art "Best of Coen" mit Cowboyhut, ein Western der zwar realistisch und brutal ist, gleichzeitig aber auch einen hohen Humorgehalt hat. Es ist eigentlich erstaunlich, wie oft und laut man hier lacht, wenn man denn grundsätzlich mit dem Humor der Coens etwas anfangen kann. Das fängt bei Bridges' konstant murmelnder Performance an und intensiviert sich, wenn er erstmal anfängt, aus dem Nähkästchen über die Exfrauen zu plaudern. Auch das Wettschießen zwischen Cogburn und Laboeuf sorgt für beste Laune. Eine Westernkomödie ist "True Grit" zwar wirklich nicht geworden, aber eine einzigartige Mischung zwischen ernstem Realismus und Humor, die so wohl nur aus der Feder der Coens stammen kann.
"True Grit" ist vielleicht kein Meisterwerk und will dies auch gar nicht sein. Der Film will schlicht gut unterhalten und dies gelingt ihm famos. Es ist außerdem der Beweis, dass "Remake" manchmal kein Schimpfwort sein muss. Angesichts dieser wunderbar umgesetzten Adaption eines ungewöhnlichen Westernromans, der in genau den richtigen Händen gelandet ist, kann man sich nur wünschen, dass derart erfolgreiche Neuauflagen öfter daherkommen. Auch wenn die Chance darauf etwa so groß ist wie die auf einen Rooster Cogburn, der länger als zwei Tage ohne Alkohol auskommt.
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