
Unter ihnen der blaue Planet in seiner ganzen Schönheit, um sie herum die Stille des Weltraums. Fünf Astronauten erledigen eine Routinemission, zwei bleiben im Raumschiff „Explorer“, drei nehmen Arbeiten am Weltraumteleskop „Hubble“ vor. Während die Ingenieurin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock) sich auf ihre Aufgabe konzentriert, lockert der erfahrene Matt Kowalski (George Clooney) die Situation mit ein paar Anekdoten auf, während er mit seinem Anzug munter durch den Raum schwebt. Doch sein Satz „Ich habe bei dieser Mission ein schlechtes Gefühl“ bewahrheitet sich, als von der Bodenstation die Nachricht hereinkommt, dass ein verunglückter russischer Satellit eine Kollision verursacht hat und nun diverse Trümmerteile mit Hochgeschwindigkeit durch den Orbit rasen. Wenige Minuten später wird auch die „Explorer“ getroffen, der Kontakt zur Erde reißt ab, Stone und Kowalski treiben hilflos im Raum. Ihre Kollegen haben den Zwischenfall nicht überlebt und auch für die Beiden sieht es nicht gut aus. Während Kowalski aber noch seinen Anzug steuern kann und versucht beruhigend auf seine unerfahrene Kollegin einzuwirken, ist diese kurz davor zu hyperventilieren und so ihren eh schon knappen Sauerstoffvorrat noch schneller zu verbrauchen.
Neunzig Minuten, zwei Personen, ein Schauplatz mit äußerst eingeschränkten Möglichkeiten. Das ist mal eine Herausforderung und eventuell klingt die Synopsis „Zwei Astronauten treiben durchs All und versuchen zur Erde zurückzukehren“ nicht gleich für jeden so verlockend, um dafür eine Kinokarte zu lösen. Das nicht zu tun wäre jedoch ein Fehler, denn was Regisseur Alfonso Cuarón, der nach Meinung vieler den eindeutig besten „Harry Potter“-Film inszenierte und sich bereits mit „Children of Men“ erfolgreich im Science-Fiction-Genre versuchte, hier nach rund vierjähriger Vorbereitungszeit abliefert, ist äußerst bemerkenswert und verdient sich bereits nach wenigen Minuten das Prädikat „haben wir so noch nicht gesehen“. Denn so früh ist bereits klar, dass dies ein visuell atemberaubender Trip wird, bei dem man sich auch die sonst oft berechtigte Frage nach dem Sinn des 3D-Effekts überhaupt nicht zu stellen braucht – genau für solche Filme ist der gedacht. Ohne irgendeine Form von Vorgeschichte oder Charaktereinführung befinden wir uns von Beginn an mitten im Geschehen und das ist durchaus wörtlich gemeint, denn so nahe kam man wohl in einem Kinosaal dem Gefühl, tatsächlich im all über der Erde zu schweben, noch nie. Was Kamera und Regie hier an Bildern zaubern würde zweifellos auch einen Stanley Kubrick beeindrucken, um da gleich mal ganz weit oben ins SciFi-Klassiker-Regal zu greifen.
Doch „Gravity“ bietet noch mehr als eine aufregende Optik, denn die Frage, ob es die beiden Gestrandeten zurück schaffen werden, reicht in der Tat völlig aus um die gesamte Laufzeit über für Spannung zu sorgen. Geschickt zieht das Drehbuch dabei den Verzweifelten immer wieder brutal die Hoffnung auf Rettung unter den Füßen weg, baut neue Hindernisse auf. Doch stets folgt darauf eine weitere Idee, was man doch noch versuchen und eventuell funktionieren könnte. Das einem dabei das Schicksal der Figuren tatsächlich nahe geht ist eine weitere große Leistung, bleibt doch eigentlich kaum Zeit oder Gelegenheit für eine ausführliche Charakterzeichnung, müssen wenige (verbale) Rückblicke in die Vergangenheit sowie die akute Extremsituation dafür ausreichen. Aber das gelingt, vor allem was die Rolle von Sandra Bullock angeht, denn dies ist vor allem ihr Film. Gesicht und Körper oft unter dem Raumanzug nicht sichtbar, bleibt der Schauspielerin in diesen Szenen nichts anderes übrig als mit ihrer Stimme zu arbeiten, wenn sie dann zwischenzeitlich doch mal den Helm abnimmt, sind Anspannung, Panik und das fieberhafte Arbeiten der Gedanken jederzeit fühlbar.
Es ist dabei zweifelsohne eine kluge Entscheidung gewesen, den Film nicht auf die heute im Blockbuster-Kino übliche Laufzeit von zwei Stunden plus X aufzublasen, sondern so komprimiert zu halten wie es der Geschichte eben gerecht wird. Auch in diesem Punkt regiert also das Stichwort „Reduktion“ genauso wie bei der Anzahl der Figuren, bei Handlungszeit- und ort. All das funktioniert ganz ausgezeichnet und daher ist es dann doch ein wenig schade, dass Cuarón diesem Konzept zum Finale hin schließlich etwas untreu wird. Wo zunächst die absolute Stille der Umgebung beeindruckte und für eine ganz besondere Atmosphäre sorgte, wird im Verlauf dann doch noch mehr und mehr dramatische Filmmusik zur Untermalung eingesetzt. Und wo die Geschichte bis dahin auch dadurch überzeugte, dass sie mit der Gefahr durch den durchs All treibenden Weltraumschrott einem höchst realistischen Ansatz folgt und die anschließende Odyssee durchgehend nachvollziehbar inszeniert, werden am Ende Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit dann etwas zu sehr strapaziert.
Das geht dann zwar ein wenig mehr in Richtung konventionelles Hollywood-Kino, dämpft aber kaum den bis dahin überragenden Eindruck. Und es ändert auch nichts an der Empfehlung, sich diesen sehr intensiven Film anzuschauen. Und das in diesem Fall bitte auf einer möglichst großen Leinwand und auch unbedingt in 3D.
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