
Es ist Bescherungszeit für die Freunde von Mittelerde. Denn neun Jahre nachdem „Die Rückkehr des Königs“ die in vielen Punkten bahnbrechende „Herr der Ringe“-Trilogie vollendete, hat Peter Jackson nun nach vielen Anlaufschwierigkeiten auch seine Verfilmung des „Hobbits“ endgültig in die finalen Bahnen gelenkt. Doch selbst unter den Enthusiasten der Welt von Mittelerde konnte man zumindest ein leichtes Stirnrunzeln beobachten als Jackson verkündete, dass aus den ursprünglich zwei geplanten Filmen nun ebenfalls wieder eine Trilogie werden wird, die dann also hinsichtlich ihrer Länge der zu J.R.R. Tolkiens Hauptwerk nicht nachstehen wird. Zwar brachte die Ankündigung, man werde auch Elemente aus Tolkiens Anhängen und erst später veröffentlichten Werken wie den „Nachrichten aus Mittelerde“ mit in die Adaptionen einbauen ein wenig Aufklärung, aber die grundsätzliche Frage blieb: Kann man wirklich aus einem Buch, welches gerade mal ein Drittel des Umfangs vom „Herr der Ringe“ besitzt, eine weitere Mammut-Kino-Trilogie machen? Die Antwort nach Sichtung des ersten Teils „Eine unerwartete Reise“ lautet: Ja, man kann – aber besonders sinnvoll ist das nicht.
In einem Loch im Boden, da lebte ein Hobbit. Der trägt den Namen Bilbo Beutlin (Martin Freeman) und fühlt sich eigentlich in seiner gemütlichen Wohnung im Auenland ganz wohl. Doch damit ist es vorbei, als eines Tages der Zauberer Gandalf (Ian McKellen) vor seiner Tür steht und Bilbos Heim kurzerhand zum Treffpunkt einer Gruppe von dreizehn Zwergen unter der Führung von Thorin Eichenschild (Richard Armitage) macht. Diese planen sich endlich ihre Heimat zurückzuerobern, aus der sie einst vom Drachen Smaug gewaltsam vertrieben wurden. Der Hobbit Bilbo soll sie bei ihrer Mission begleiten, ist von dieser Aussicht auf ein „Abenteuer“ zunächst aber nur wenig begeistert. Doch er überlegt es sich schließlich anders und schließt sich doch noch der Truppe an. Auf dem weiteren Weg wird er zum ersten Mal in seinem Leben die Bekanntschaft von Orks, Trollen und Elben machen. Und er wird einem merkwürdigen Wesen namens Gollum begegnen.
Das Zauberwort heißt 48fps („frames per second“). Mit 48 statt der üblichen 24 Bilder pro Sekunde aufgenommen, soll „Der Hobbit“ ein völlig neues Kinoerlebnis bieten und eine Detailliertheit, Schärfe und Klarheit an Bildern erzielen, wie man sie bisher nicht kannte. Und dieses Versprechen wird auch tatsächlich erfüllt. Längst nicht alle Kinos sind so ausgerüstet, dass sie diese Technologie anbieten können, aber es lohnt sich nach den entsprechenden Abspielstätten zu suchen. Denn der Unterschied ist beträchtlich und auch für Laien nicht zu übersehen. Er ist allerdings auch gewöhnungsbedürftig, denn zunächst befremdet die Darstellung doch merklich. Zwar fühlt man sich in der Tat noch ein Stück mehr „mittendrin“ im Geschehen, der 3D-Effekt wird verstärkt und die Bilder erscheinen allgemein deutlich heller als in anderen Filmen, bei denen man eine Brille auf der Nase trägt. Andererseits verstärkt die enorme Detailschärfe aber auch die gefühlte Künstlichkeit des Gezeigten, lässt es fast wie ein Fernsehstudio oder auch eine Theaterbühne wirken, auf der die sehr plastischen Figuren sich bewegen. Ob einem das gefällt ist dann zweifelsohne Geschmackssache, der Versuch erweist sich aber auf jeden Fall als äußerst interessant und zudem setzt mit der Zeit ein Gewöhnungseffekt ein, der einen selbst diese Innovation dann irgendwann fast vergessen lässt.
Auch abgesehen von der neuen Aufnahmetechnik bietet „Der Hobbit“, was das Visuelle angeht, spektakuläre Bilder, atemberaubende Kamerafahrten und Schauplätze sowie Wesen (die Steinriesen, die Adler) die einen wieder mal staunen lassen. Seit der „Rückkehr des Königs“ sind schließlich ein paar weitere Jahre ins Land gegangen und die Möglichkeiten, was man alles zeigen kann, natürlich nicht geringer geworden. Für jeden, der sich damals ein wenig in diese Kinoversion von Mittelerde verliebt hat, ist daher auch der neue Film ein absolutes Fest für die Augen. Doch auch wenn es hart klingt: Genau das war im Prinzip auch von vornherein zu erwarten und dass „Der Hobbit“ sicher nicht an der Optik scheitern würde wohl jedem klar. Und natürlich ist Tolkiens Romanvorlage auch inhaltlich keinesfalls „schwach“, sie ist nur eben völlig anders ausgerichtet als das später folgende „Ring“-Epos, mehr ein Jugendbuch mit sehr fantasievollen Ideen, aber doch weit weniger düster und apokalyptisch als die Mär um Sauron und Mordor.
Und da beginnen die Probleme, denn eine entsprechend schlichte, abgespeckte Adaption kam kaum in Frage, schließlich muss man dem Kinopublikum etwas bieten, was dem bereits bekannten „Ringe“-Spektakel nicht nachstehen darf, auch wenn es sich hier eigentlich nur um die bescheidene Vorspeise handelt. So wird nun also schon bevor es ins beschauliche Auenland geht die erste große Schlacht serviert, in der wir zu sehen bekommen, wie einst den Zwergen ihre Reichtümer und ihre Heimat am Einsamen Berg genommen wurde, und Drache Smaug (der im Buch erst ganz am Ende auftaucht) darf schon mal in aller 3D-Herrrlichkeit wüten. Auch danach würde die Geschichte eigentlich lange Zeit recht beschaulich weitergehen, doch weil das hier nicht sein darf, behilft man sich gleich mehrfach damit, diese mit einigen Rückblicken und Anekdoten aufzulockern, die sich die Reisenden gegenseitig erzählen und die dann für den Zuschauer entsprechend bildgewaltig umgesetzt werden. Was soweit geht, dass die eigentliche Handlung im Mittelteil derart langsam und fade vor sich hin fasert, dass sich ernsthaft Langeweile breitzumachen droht. In Mittelerde, das muss man sich mal vorstellen.
So ist dann auch mehr als genug Zeit, ein wenig Fanservice zu betreiben und ein paar altbekannten Charakteren einen kurzen Auftritt zu verschaffen, mit dem einzigen Zweck dem Betrachter ein erfreutes „Aha“-Erlebnis zu kredenzen. Dabei geben sich dann Cate Blanchett und Hugo Weaving als Galadriel und Elrond ein Stelldichein, Zauberer Saruman sagt mal kurz guten Tag (der Regisseur hat sich demnach also auch mit Christopher Lee wieder versöhnt) und der finstere Sauron lauert auch bereits als latente Bedrohung am Horizont. Wir sehen Elijah Wood alias Frodo im Haus von Bilbo Beutlin ein und aus gehen und fühlen uns prompt ebenfalls so richtig zuhause. Wobei fast all diese Szenen ihre Wirkung natürlich allein daraus beziehen, dass man halt schon weiß was aus all diesen Figuren später einmal werden wird - und damit sind wir dann endgültig in einem „Prequel“ angekommen, dass in dieser Hinsicht stark der nachgeschobenen „Star Wars“-Vorgeschichte ähnelt.
Nun war George Lucas zweite Trilogie zwar storytechnisch auch kein Meisterwerk, aber immerhin konnte man dort drauflos fabulieren ohne sich an irgendeiner Vorlage orientieren zu müssen. Peter Jackson und seine drei weiteren Drehbuchautoren blasen hier jedoch das hübsche, kleine Büchlein vom „Hobbit“ zu einem bombastischen neuen Epos auf, in dessen Kern sich aber dennoch nicht mehr als eine Mücke von Story verbirgt. Denn der im Goldpalast schlummernde Drache Smaug ist nun mal keine apokalyptische Bedrohung und Mittelerde nicht annähernd vom Untergang bedroht, aber man kann ja einfach mal so tun. Und falls wir es wirklich noch erwähnen müssen: Dreizehn nur andeutungsweise mit Charaktereigenschaften versehene Zwerge versprühen auch nicht annähernd das Charisma und die Faszination, die einst (bzw. später) den „Gefährten“ innewohnte, als ein J.R.R. Tolkien seinen erzählerischen Zenit erreichte. Wobei Martin Freeman („Sherlock“) seine Aufgabe als Bilbo Beutlin gut und überzeugend erledigt, während ein Ian McKellen seinen Gandalf eher schaumgebremst agieren lässt.
Es ist das letzte Drittel, welches den „Hobbit“ dann vor einer strengeren Bewertung bewahrt, denn mit den Ereignissen in den Höhlen der Goblins und dort schließlich mit der Konfrontation zwischen Bilbo und Gollum läuft die Geschichte endlich doch noch zu einer Form auf, die den Vorgängerfilmen absolut ebenbürtig ist. Und von da an lassen Tempo, Action und Spektakel auch nicht mehr nach. Das versöhnt mit einem bis dahin lange vor sich hin mäandernden Film, an dessen Ende man sich nichts desto trotz fragen muss, wie und womit denn um alles in der Mittelerden-Welt jetzt noch gleich zwei weitere von der Sorte gefüllt werden sollen. Ganz klar, dem Oberfanboy Peter Jackson wird da schon so Einiges eingefallen sein. Es könnte jedoch sein, dass ihm dahin dann aber nur noch die ganz Harten folgen werden.
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