TIger and Dragon

Originaltitel
Crouching TIger, Hidden Dragon
Jahr
2000
Laufzeit
120 min
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Anna Sola / 16. Juni 2010

Der Exodus vieler asiatischer Filmschaffender in westliche Gefilde wurde gerade von den Fans des Hongkongkinos zumeist mit äußerstem Widerwillen zur Kenntnis genommen. Zu häufig mußte man mitansehen, wie liebgewonnene Künstler in US-Produktionen regelrecht verheizt wurden, ohne daß die Filme die speziellen Fähigkeiten ihrer mandeläugigen Mitwirkenden angemessen einzusetzen wüßten.

Als aktuellstes Beispiel für derartige Mißstände darf man ruhig mal wieder auf „M:I-2“ hinweisen, denn selbst John Woos imposante Action-Sequenzen können ihre volle Wirkung halt nur entfalten, wenn der opernhafte Pomp ihrer Inszenierung auch durch einen entsprechenden emotionalen Unterbau unterstützt und gerechtfertigt wird. Bei Mr. Cruises Personality-Show war jenseits des vordergründigen Spektakels jedoch nur wenig Gehaltvolles zu entdecken, vielmehr wirkte der Film durch seinen gerade hier fast schon schmerzhaften Kontrast zwischen gewohnt edler Form à la Woo und gewohnt uninteressanten Inhalts à la Sommer-Blockbuster so wenig stimmig. Traurig, aber leider durchaus symptomatisch für die meisten bisherigen Versuche, einen filmischen Brückenschlag zwischen Asien und Nordamerika zu versuchen.

Umso größer ist daher die freudige Überraschung angesichts der bereits mit unzähligen Vorschußlorbeeren bedachten Ost-West-Kooperation „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ (so der mal wieder wesentlich schönere Originaltitel), die trotz US-Beteiligung bereits mit ihrem Plot urasiatisches Flair verbreitet.

Da der Versuch, dem Handlungsgeflecht an dieser Stelle auch nur halbwegs übersichtlich gerecht zu werden, zum Scheitern verurteilt sein dürfte, bleibt zunächst mal festzuhalten, daß „Tiger and Dragon“ die Verfilmung des vierten Teils eines fünfteiligen Romans von Wang Du-Lu darstellt. Als einziger wirklich bedeutsamer Kritikpunkt läßt sich dann auch anmerken, daß die Informationsdichte zu Beginn dem unvorbereiteten Zuschauer etwas hoch erscheinen könnte. Man merkt deutlich, daß bereits vor dem Einsetzen der Filmhandlung viele für die Story bedeutsame Ereignisse geschehen sind, die der Film nun möglichst kompakt zu vermitteln sucht. Gerade der im Martial-Arts-Genre erfahrene Zuschauer sollte hier allerdings kaum Probleme haben, da „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ seine durchaus komplexe Geschichte immer noch wesentlich nachvollziehbarer und stringenter erzählt als dies bei vielen vergleichbaren Hongkong-Produktionen der Fall ist. Die Grundzüge der Story wirken vertraut: Im Zentrum steht das legendäre grüne Schwert des von Chow Yun-Fat gespielten Kriegers Li Mu-Bai, das im Laufe des Films mehrfach den Besitzer wechseln wird, was natürlich Anlaß für einige furiose Auseinandersetzungen handgreiflicher Art bietet.

Besagte Kämpfe gehören dann auch unzweifelhaft zu den nicht eben spärlichen Highlights des Films, mit dem sich Ang Lee, der bislang eher mit sensiblen Dramen wie der Jane-Austen-Verfilmung „Sinn und Sinnlichkeit“ bekannt wurde, nun auch als formidabler Action-Regisseur beweisen kann. Unterstützung erhält er dabei von Hongkong-Altmeister Yuen Woo-Ping, dessen Name einem Großteil des westlichen Publikums wohl am ehesten durch seine Kampf-Choreographie in „The Matrix“ ein Begriff sein dürfte. Mit eben jenem Smasher der Wachowski-Brothers wurden die Fights in „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ dann auch bereits des öfteren verglichen, was aber abgesehen von der durchaus erkennbaren Handschrift Yuens wohl auch mit dem Umstand zu erklären ist, daß „The Matrix“ für viele Zuschauer der erste intensive Kontakt mit dieser speziellen Form der ‚Wirework-Action‘ gewesen sein dürfte, bei der die Kämpfenden den Gesetzen der Schwerkraft nur in sehr geringem Maße verpflichtet zu sein scheinen.

Im Prinzip zeigt Ang Lees Film nichts, was im Martial-Arts-Genre nicht bereits häufig zu sehen gewesen wäre, denn umherspringende und -fliegende Schwertkämpfer sind in Hongkongfilmen schließlich schon lange gang und gäbe, man denke nur an die auch in Deutschland recht bekannte „A Chinese Ghost Story“-Trilogie. Daß die Action-Szenen in „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ trotzdem begeistern können, liegt also weniger an ihrer etwaigen Innovation als vielmehr an ihrer Perfektion, denn selten wurden derartige Sequenzen mit einer solchen Sorgfalt, Eleganz und Poesie in Szene gesetzt. Unterlegt mit hypnotischen Percussion-Klängen entfaltet sich vor dem Auge des staunenden Betrachters ein zuweilen schwindelerregendes Spektakel, das dem Begriff „Bewegungsrausch“ alle Ehre macht. Oder anders gesagt: Die Fights kommen FETT.

Nun wäre dem Film allein durch diese aufwendigen Actionszenen wohl bereits ein Ehrenplatz im Swordplay-Genre sicher, seinen Ausnahmestatus erlangt „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ allerdings erst durch seine mindestens ebenso gut gelungenen dramatischen Elemente. Wer schon mal solch filmischer Göttergaben wie beispielsweise Lee Chi-Ngais „Lost and Found“ ansichtig werden durfte, sollte bereits überzeugt sein, daß (gerade auch tragische) Liebesgeschichten im asiatischen Kino wahrscheinlich besser aufgehoben sind als irgendwo sonst auf der Welt. Auch Ang Lees Film kann in dieser Hinsicht voll überzeugen, wartet er doch gleich mit zwei derartigen Erzählsträngen auf, in denen die durchaus differenziert angelegten Charaktere mit ihren Gefühlen mindestens genauso hart zu kämpfen haben wie mit ihren Kontrahenten.

Was die Darsteller angeht, die diesen Figuren Leben einhauchen dürfen, kann man der Einfachheit halber gleich weiterjubeln. Es ist eine regelrechte Wohltat, den beiden Ikonen des Hongkongfilms Chow Yun-Fat und Michelle Yeoh (der Lichtblick im vorletzten Bond „Der Morgen stirbt nie“) zuzusehen, wie sie mit zurückhaltender Leidenschaft (doch, das gibt’s) zwei Menschen spielen, denen in einer physischen Auseinandersetzung so gut wie niemand etwas anhaben kann, die sich ihre gegenseitige Zuneigung jedoch nicht eingestehen können. Schlichtweg sensationell ist allerdings Zhang Ziyi in der heimlichen Hauptrolle als abenteuerlustige Gouverneurstochter Jen, die auf Wunsch ihrer Familie eine Vernunftehe eingehen soll, jedoch in den Banditen Lo verliebt ist, wie sich in einer ausgedehnten Rückblende herausstellt. Die junge Chinesin bezaubert in ihrem erst zweiten Film nach „Heimweg - The Road Home“ nicht nur durch ihre bloße Erscheinung, sondern kann auch darstellerisch mit den beiden oben genannten Veteranen locker mithalten und hinterläßt zudem auch in den Kampfszenen einen fantastischen Eindruck, der sich nicht zuletzt auch auf ihre Tanzausbildung zurückführen lassen dürfte. Eine faszinierendere Mischung aus schier grenzenlosem Starpotential und höchst sympathischer Ausstrahlung wird zur Zeit nur schwer zu finden sein.

Ang Lee nennt seinen Film „eine Art Traum von China“, und man kann dem gebürtigen Taiwanesen nur dankbar sein, daß er diesen Traum mit uns teilt. „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ ist eine auf sehr hohem Niveau angesiedelte Huldigung der traditionellen chinesischen Populärkultur, in der Freunde der Martial-Arts-Gattung viele bekannte Elemente wiederfinden, die hier liebevoll aufbereitet worden sind und zudem in eine Geschichte integriert wurden, deren dramatische Wirkung (und nicht zuletzt auch deren Produktionsaufwand) den Großteil ihrer Vorbilder weit übertrifft. Jedoch sollten auch Genre-Neulinge nach einer kurzen Orientierungsphase überzeugt sein, um dann nach viel zu kurzen zwei Stunden beim äußerst bewegenden Schluß des Films spüren zu können, daß sich die Begriffe „todtraurig“ und „wunderschön“ keineswegs widersprechen. Ob man hier nun von dem Martial-Arts-Film mit dem größten emotionalen Impact oder von dem Drama mit den geilsten Kampfszenen spricht, spielt genau genommen keine Rolle. Was zählt, ist die Wirkung, und dieser ‚Instant Classic‘ wirkt.

 

Bilder: Courtesy of Columbia Tristar, Copyright 2000

 

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