Kym (Anne Hathaway) ist ein Wrack. Sie sitzt als Alkoholikerin in einer Klinik. Doch für ein Wochenende darf sie das Rehabilitationszentrum verlassen, um bei der Hochzeit ihrer Schwester Rachel (Rosemarie DeWitt) dabei sein zu dürfen. Das Wiedersehen mit der Familie gerät für Kyms Vater und Schwester zum erwarteten Desaster. In ihren Augen ist Kym eine tickende Zeitbombe, die durchaus die Fähigkeit besitzt, diese Hochzeit gegen die Wand zu fahren.
Für seinen ersten größeren Spielfilm seit dem Remake von "The Manchurian Candidate" hat der Oscar-Preisträger Jonathan Demme das Drehbuch von Jenny Lumet (ganz recht: die Tochter des großen Sidney Lumet) verfilmt. Das ist ein Team, welches leider nicht allzu gut funktioniert, da "Rachel Getting Married" deutlich in zwei Teile zerfällt. Zu aller erst fällt einem der Stil auf, für den sich Demme entschieden hat. Der Film ist ausschließlich mit Handkameras gedreht. Die Kamera ist entfesselt, bewegt sich schnell und flink zwischen den zahlreichen Gästen und in dem großen Familienhaus umher. Außerdem wurde fast ausschließlich mit natürlichem Licht gearbeitet, was hilft dem Film einen authentischen Touch zu verleihen. Wenn man es nicht besser wüsste, müsste man behaupten, dass sich Demme hier deutlich von den frühen Dogma-Filmen hat inspirieren lassen (allen voran lassen sich zahlreiche Parallelen zu Thomas Vinterbergs "Das Fest" feststellen). Aber diese Vermutung greift zu kurz und würde der Klasse dieses Regisseurs nicht gerecht werden. Man darf nämlich nicht vergessen, dass Jonathan Demme aus der Schule des unabhängigen Filmemachers und Produzenten Roger Corman kommt. Corman hat mit seinen Low-Budget-Produktionen Demmes frühes Werk stark beeinflusst. Und obwohl er dann mit "Das Schweigen der Lämmer" und "Philadelphia" in die Riege der großen Hollywood Regisseure aufgestiegen ist, bliebt Demme seinen Wurzeln treu und arbeitete immer wieder an Projekten, die den Geist seines Lehrers Roger Corman atmen.
"Rachel Getting Married" darf dann wohl als eine Art Hybrid dieser beiden Richtungen gelten. Es steht jedenfalls außer Frage, dass Demme ein großartiger Regisseur ist, der sein Handwerk versteht. So ist sein Film vor allem in jenen Szenen toll, wenn er die Gäste meisterhaft orchestriert. Wie er aus den vielfältigen Gesprächsfetzen eine überzeugende familiäre Atmosphäre erschafft, erinnert stark an die Ensemblefilme eines Robert Altman. Der zweite Coup, der Demme hier gelingt, ist die Besetzung von Rosemarie DeWitt als Rachel. Diese junge Darstellerin hat ein überwältigendes Charisma, welches selbst der eigentlichen Hauptdarstellerin Anne Hathaway phasenweise die Show stiehlt. Doch auch Hathaway beweist, dass sie über ein großes Schauspielspektrum verfügt und neben Mainstreamrollen wie in "Der Teufel trägt Prada" auch ein Herz für kleinere Produktionen hat. Was ihr dieses Jahr letztlich auch eine verdiente Oscarnominierung einbrachte.
Doch schon hier erschöpft sich die Kraft des Films. Der Grund hierfür lässt sich eigentlich nur in Lumets Drehbuch finden. Die immer wieder hochkochenden Konflikte wirken allzu konstruiert und vorhersehbar. Außerdem lassen sie an Tiefe und Durchschlagskraft vermissen. Die vorgestellten Figuren können daher ihren Ursprung aus der Feder der Autorin nicht verbergen.
Dadurch verliert sich auch die anfänglich noch reizvolle inszenierte Ambivalenz einer Familienfeier. Ganz schlimm wird es, wenn man sich die Hochzeitsgäste genauer ansieht. Rachel heiratet nämlich einen Afroamerikaner. Dies nutzt der Film, um uns einen quasi-repräsentativen Querschnitt der amerikanischen Bevölkerung zu präsentieren. Damit drückt sich das Werk aber einen unerträglichen Stempel der politischen Korrektheit auf, der einfach unglaubwürdig ist.
Weil dies anscheinend nicht genug war, mutiert die Hochzeitsfeier im Laufe des Films zu einer äußerst kitschigen Multikulti-Ethno-Disconummer, die einem eigentlich nur ein enttäuschtes Augenrollen abgewinnen kann. Laut Demme soll dies das neue Amerika unter Barack Obama sein, doch leider muss man nach der Sichtung des Films ernüchternd feststellen, dass solches Gerede wohl meistens nur eine gut kalkulierte PR-Aktion darstellt. "Rachel Getting Married" verpasst so die Möglichkeit, ein wirklich überzeugendes Porträt einer Familienzusammenkunft zu werden, und versinkt in der Mittelmäßigkeit.
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