Rachels Hochzeit

Originaltitel
Rachel Getting Married
Land
Jahr
2008
Laufzeit
118 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Patrick Wellinski / 29. Mai 2010

Kym (Anne Hathaway) ist ein Wrack. Sie sitzt als Alkoholikerin in einer Klinik. Doch für ein Wochenende darf sie das Rehabilitationszentrum verlassen, um bei der Hochzeit ihrer Schwester Rachel (Rosemarie DeWitt) dabei sein zu dürfen. Das Wiedersehen mit der Familie gerät für Kyms Vater und Schwester zum erwarteten Desaster. In ihren Augen ist Kym eine tickende Zeitbombe, die durchaus die Fähigkeit besitzt, diese Hochzeit gegen die Wand zu fahren.

Für seinen ersten größeren Spielfilm seit dem Remake von "The Manchurian Candidate" hat der Oscar-Preisträger Jonathan Demme das Drehbuch von Jenny Lumet (ganz recht: die Tochter des großen Sidney Lumet) verfilmt. Das ist ein Team, welches leider nicht allzu gut funktioniert, da "Rachel Getting Married" deutlich in zwei Teile zerfällt. Zu aller erst fällt einem der Stil auf, für den sich Demme entschieden hat. Der Film ist ausschließlich mit Handkameras gedreht. Die Kamera ist entfesselt, bewegt sich schnell und flink zwischen den zahlreichen Gästen und in dem großen Familienhaus umher. Außerdem wurde fast ausschließlich mit natürlichem Licht gearbeitet, was hilft dem Film einen authentischen Touch zu verleihen. Wenn man es nicht besser wüsste, müsste man behaupten, dass sich Demme hier deutlich von den frühen Dogma-Filmen hat inspirieren lassen (allen voran lassen sich zahlreiche Parallelen zu Thomas Vinterbergs "Das Fest" feststellen). Aber diese Vermutung greift zu kurz und würde der Klasse dieses Regisseurs nicht gerecht werden. Man darf nämlich nicht vergessen, dass Jonathan Demme aus der Schule des unabhängigen Filmemachers und Produzenten Roger Corman kommt. Corman hat mit seinen Low-Budget-Produktionen Demmes frühes Werk stark beeinflusst. Und obwohl er dann mit "Das Schweigen der Lämmer" und "Philadelphia" in die Riege der großen Hollywood Regisseure aufgestiegen ist, bliebt Demme seinen Wurzeln treu und arbeitete immer wieder an Projekten, die den Geist seines Lehrers Roger Corman atmen.

"Rachel Getting Married" darf dann wohl als eine Art Hybrid dieser beiden Richtungen gelten. Es steht jedenfalls außer Frage, dass Demme ein großartiger Regisseur ist, der sein Handwerk versteht. So ist sein Film vor allem in jenen Szenen toll, wenn er die Gäste meisterhaft orchestriert. Wie er aus den vielfältigen Gesprächsfetzen eine überzeugende familiäre Atmosphäre erschafft, erinnert stark an die Ensemblefilme eines Robert Altman. Der zweite Coup, der Demme hier gelingt, ist die Besetzung von Rosemarie DeWitt als Rachel. Diese junge Darstellerin hat ein überwältigendes Charisma, welches selbst der eigentlichen Hauptdarstellerin Anne Hathaway phasenweise die Show stiehlt. Doch auch Hathaway beweist, dass sie über ein großes Schauspielspektrum verfügt und neben Mainstreamrollen wie in "Der Teufel trägt Prada" auch ein Herz für kleinere Produktionen hat. Was ihr dieses Jahr letztlich auch eine verdiente Oscarnominierung einbrachte.
Doch schon hier erschöpft sich die Kraft des Films. Der Grund hierfür lässt sich eigentlich nur in Lumets Drehbuch finden. Die immer wieder hochkochenden Konflikte wirken allzu konstruiert und vorhersehbar. Außerdem lassen sie an Tiefe und Durchschlagskraft vermissen. Die vorgestellten Figuren können daher ihren Ursprung aus der Feder der Autorin nicht verbergen.
Dadurch verliert sich auch die anfänglich noch reizvolle inszenierte Ambivalenz einer Familienfeier. Ganz schlimm wird es, wenn man sich die Hochzeitsgäste genauer ansieht. Rachel heiratet nämlich einen Afroamerikaner. Dies nutzt der Film, um uns einen quasi-repräsentativen Querschnitt der amerikanischen Bevölkerung zu präsentieren. Damit drückt sich das Werk aber einen unerträglichen Stempel der politischen Korrektheit auf, der einfach unglaubwürdig ist.
Weil dies anscheinend nicht genug war, mutiert die Hochzeitsfeier im Laufe des Films zu einer äußerst kitschigen Multikulti-Ethno-Disconummer, die einem eigentlich nur ein enttäuschtes Augenrollen abgewinnen kann. Laut Demme soll dies das neue Amerika unter Barack Obama sein, doch leider muss man nach der Sichtung des Films ernüchternd feststellen, dass solches Gerede wohl meistens nur eine gut kalkulierte PR-Aktion darstellt. "Rachel Getting Married" verpasst so die Möglichkeit, ein wirklich überzeugendes Porträt einer Familienzusammenkunft zu werden, und versinkt in der Mittelmäßigkeit.

Bilder: Copyright

7
7/10

Durch einen Zufall habe ich mir den Film gestern im Kino angesehen und muss sagen, dass er meine - durch den Titel und die Schauspielerin erzeugte - Erwartungshaltung Lügen strafte. Der Film ist alles andere als seicht, sondern eher schwere Kost.

Die in der Kritik geäußerten Mängel sind mir beim Schauen gar nicht so sehr aufgefallen. Im Nachhinein muss ich dann aber schon zustimmen: Das ist schon ein bisschen zuviel politische Korrektheit. Allerdings auch ein schöner Kontrast zu der an sich ziemlich kaputten Familie um Kym.

Was neben der Handkamera auch auffällt, ist, dass die einzige Hintergrundmusik im Film durch die Streicher erzeugt wird, die sich im Haus aufhalten und für die Hochzeit proben.

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6
6/10

Ein merkwürdig halbgarer, zerrissener Film. Eigentlich hat er zwei Themen: eine leicht durchgeknallte, Mulit-Kulti-Hochzeit in einer turbulenten Familie einerseits, ein Drama um eine (Ex-)Drogenabhängige Tochter andererseits. Problem: beides zusammen passt einfach nicht.

Der Film hat dann immer seine Stärken, wenn er sich nur auf das eine oder andere ELement konzentriert. Das tut er dann auch ausführlich; so wird der 'Polterabend' ausführlich gezeigt, jede Rede en Detail miterlebt. Das macht durchaus Spass, soll aber eigentlich als Kontrapunkt zu Kyms schwieriger Rede am Schluss stehen. Vielleicht sollte dies gerade den Kontrast hervorheben, aber sobald man Spaß an der gelungenen Darstellung der Hochzeitsgesellschaft (und den vielen Musikern) gefunden hat, kommt wieder der ernste Erzählstrang. Dieser permanente Wechselt tut dem Film aber überhaupt nicht gut. Umgekehrt gilt diese auch: ernste Szenen (und davon gibt es ein paar richtig gelungene) werden durch die Rückkehr zur fröhlichen Hochzeitsgesellschaft wieder emotional entwertet.

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7
7/10

mir waren diese (zugebeben stimmig inszenierten) hochzeitspartytanztoastnummern eher ein dorn im auge weil ich die konflikte an sich gut fand, sie wurden nur nicht vernünftig zu ende geführt. zu der politischen korrektheit muss ich sagen, dass ich ähnlich empfunden habe, aber es ist von uns doch auch schon ziemlich zynisch es als überkorrekt und kitschig zu empfinden wenn ein film eine relativ intakte beziehung einer weißen und schwarzen familie zeigt, in der dieser zustand (oberflächlich) als normal angesehen wird.

das problem ist nur, dass das alles überflüssig ist, denn die konflikte bleiben auf der strecke und der film dümpelt vor sich hin.

dennoch 7 augen für die guten darsteller und die stimmige inszenierung (für sich genommen)

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9
9/10

Wenn man das Werk Jonathan Demmes retrospektiv betrachtet, erscheint der Dreh von Rachels Hochzeit nur konsequent, auch wenn man die großen Erfolgsproduktionen "Das Schweigen der Lämmer" und "Philadelphia" einbezieht. Ja, der Hochzeitsfilm, der wie der Gerichtsfilm oder der Highschoolfilm ein recht typisches amerikanisches Genre zu sein scheint, wenn man all den Kommentatoren und Rezensenten Glauben schenken darf, aber vielleicht kann man das auch mal genau anders herum betrachten, Lumet und Demme mussten eine Situation konstruieren, um das Drama um Schuld und Sühne, Vergebung und Versöhnung, bunter Oberfläche und zerbrochenem Innenleben in dieser Art stattfinden zu lassen. Der Vergleich mit Vinterbergs Fest mag zunächst plausibel erscheinen, aber der Vergleich hinkt und er kann nur bedingt als "sehr verwandtes Thema" mit einem inhaltlichen Erklärungsversuch verwendet werden. Handkamera und Festgesellschaft sowie dokumentarischer Spielfilmstil reichen nicht aus, um beide Werke auf eine Stufe zu stellen.
Demmes Film ist sehr amerikanisch und das ist auch gut so, weil all die "Love" und "Feelgood" Scheinwelten explizit die amerikanische Wirklichkeit einer begüterten ökoliberalen Mittelschicht aufzeichnen. Vielleicht, auch wenn es als plump bewertet wird, ist der multikulturelle Hochzeitsmix genau das, was Demme zumindest seinen amerikanischen Landsleuten vor Augen halten will, weil die alte Idee des "melting pots" und die Passage aus Martin Luther Kings Rede "I have a dream" vielleicht doch als Vision einer neuen Gesellschaft dargestellt werden soll. Für uns Europäer mag das verkitscht erscheinen und als platte Schaumschlägerei rüberkommen, aber vielleicht bedeutet es für die Amis die unliebsame und schmerzhafte Erinnerung an die uralten ethischen Tugenden, die schon von den Gründervätern formuliert worden sind.
Ebenso schließen sich Popmusik, Ethnobewußtsein und Spießigkeit im Arrangieren einer opulenten Hochzeitsfeier überhaupt nicht aus, vielleicht ist auch der Umgang mit psychisch gestörten Drop-Outs im übertherapierten amerikanischen Mittelstand so vollkommen andersartig als alles, was wir uns aus unserer europäischen Sicht vorstellen können. Die eigentlich zum Glück sparsam eingesetzten Psychobegriffswelten beispielsweise über Kontrollzwang und Kontrollvermeidung sowie einer realen Stigmatisierung des "Andersartigen", auch wenn die Protagonisten so tun, als sei im Prinzip alles wunderbar in Ordnung, beleuchten ebenso eine amerikanische Wirklichkeit, die wir nicht so kennen. In diesem Zusammenhang muss man an andere Filme erinnern, die den "Clash menschlicher Abgründe" thematisiert haben: American Beauty, Ordinary People, Five Easy Pieces, A Woman Under the Influence, One Flew Over The Cuckoo’s Nest, Frances oder Happiness, auch wenn sie inhaltlich und filmtechnisch zu "Rachels Hochzeit" völlig grundverschieden sein mögen.
Alles in allem ist der Film gelungen und die Darsteller sind allesamt gut aufgestellt, Anne hathaway spielte die Kym genau so zickig und egozentriert dramatisch wie es eben Menschen in einer vergleichbaren Situation zu tun pflegen. Vergesst die Hochzeitsfilmfixierung und den politisch korrekten Blick auf Multi-Kulti-Fest a la americaine, vertieft euch in die Handlung und die Dialoge sowie die allmähliche Entschlüsselung eines tief brodelnden Familiendramas, das auch nach der letzten Einstellung noch lange nicht gelöst ist. Und Debra Winger zeigt in ihrer dialogärmeren Rolle, wie eine psychische Deformierung allein durch die Mimik exzellent und glaubhaft vorgetragen werden kann. Man muss Demme dankbar sein, diesen Blick in das seelische Desaster des gut verdienenden amerikanischen Mittelstandes aufgedeckt zu haben.

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