
Schnitzeljagd, die Zweite. In der literarischen Welt verfasste Dan Brown zuerst die Mär vom Anschlag der "Illuminati" auf das Zentrum der katholischen Kirche, bevor er seinen Helden Robert Langdon mit dem "Da Vinci Code" ein weiteres Rätsel mit Religionsbezug lösen ließ. Da dieses dann noch ein ganzes Stück provokativer ausfiel und auch den größeren Massenerfolg erzielen konnte, wurde es folgerichtig zuerst von Hollywood verfilmt. Der Vorgänger "Illuminati" ist im Kino also nun der Nachfolger, aber das ist inhaltlich kein Problem und wird auch nur kurz zu Beginn des Films thematisiert, als Langdon (Tom Hanks) überrascht ist, von der Kirche um Hilfe gebeten zu werden, da er vermutet dort seit den Enthüllungen des "Codes" nicht besonders beliebt zu sein. Aber was soll man machen, wenn kurz nach dem Tode des letzten Papstes gleich vier seiner möglichen Nachfolgekandidaten von der anscheinend wiederauferstandenen Organisation der "Illuminati" entführt wurden, die zusätzlich auch noch eine Bombe mit gewaltiger Sprengkraft im Vatikan deponiert hat. Man ruft den Fachmann für christliche Symbolik, denn der kennt sich halt wesentlich besser mit den Erzfeinden der Kirche aus als diese selbst.
Womit wir bereits die erste größere Unglaubwürdigkeit benannt hätten und es ließen sich mühelos weitere finden, im ebenso faszinierenden wie absurden Plot um den legendären Verschwörerbund. Und wie es sich für eine ordentliche Verschwörung gehört, liegen mit der geschilderten Ausgangssituation natürlich noch längst nicht alle Karten offen auf dem Tisch, ein zweiter und eventuell auch dritter Boden harren zu diesem Zeitpunkt noch ihrer Entdeckung. Hauptsächlich geht es jedoch darum diverse kryptische Hinweise zu entschlüsseln, um zunächst das Leben der entführten Kardinäle zu retten und anschließend nach Möglichkeit auch die hübschen Gebäude um den Petersdom vor der Zerstörung zu bewahren. Auch für den explosiven Stoff wird eine Expertin angeheuert, und mit dem Handlungsstrang um die Wissenschaftlerin Vittoria Vetra (Ayelet Zurer aus "Ein Leben für ein Leben") und ihre im Schweizer CERN-Forschungszentrum geschaffene Anti-Materie gelang es Dan Brown erneut äußerst geschickt, überzogenen Unfug soweit in der Realität fußen zu lassen, dass er bedrohlich genug wirkt. Einen ernsthaften Angriff auf die Werte der Kirche oder gar eine erneute Erschütterung ihres Weltbildes vermag man allerdings nur schwerlich zu entdecken in dieser Räuberpistole, und so bleibt die reflexartige Verdammung des neuen Filmprojekts seitens der Kirche auch unverständlich und überflüssig - so es sie denn tatsächlich gibt und nicht nur ständig als willkommenes PR-Argument angeführt wird.
Was aber haben wir von diesem zweiten Film zu halten?
Argumentation 1: "Illuminati" ist schlechter als der "Da Vinci Code". Die Geschichte ist weniger gewaltig und sensationshaschend. Nach dem weltumspannenden Auftakt folgt jetzt nur noch die provinzielle Variante, die praktisch nur an einem einzigen Ort spielt. Das kommt davon, wenn man die ursprüngliche Vorspeise erst nach dem Hauptgericht serviert. Die angeblich jahrhundertealten tatsächlich existierenden Reliquien und Hinweise sind hier erst recht nichts als billiger Mummenschanz.
Die Persönlichkeit der Hauptfigur hat sich nicht die Spur weiter entwickelt und selbst ein erstklassiger Mime wie Tom Hanks vermag es nicht, ihr nennenswerten Charakter zu verleihen. Der weibliche Sidekick ist zudem eigentlich komplett überflüssig und darf nur unter fadenscheinigsten Begründungen durchgehend an der Schnitzeljagd teilnehmen. Nicht mal als "Love Interest" taugt sie, da der Professor dafür erstens viel zu spröde ist und zweitens eh keine Zeit hat.
Der finale Twist wird dramaturgisch verschenkt und quasi nebenbei abgehandelt. Und da man im Vatikan und den römischen Kirchen nicht drehen durfte, wirkt das ganze Gehetze durch Rom auch nicht immer überzeugend, sondern zuweilen doch arg bemüht und konstruiert.
Argumentation 2: "Illuminati" ist deutlich besser als der "Da Vinci Code". Die kompakte Story lässt sich viel leichter und ohne allzu große Auslassungen auf gut zwei Stunden Kino übertragen. Die Begrenztheit des Handlungsraums und der ständige Zeitdruck verdichten das Geschehen vorteilhaft, so dass einem kaum eine Atempause bleibt. Eine tiefere Charakterisierung ist daher weder nötig noch sinnvoll, sind die Figuren doch hier zweitrangig und lediglich Funktionsträger für die rasant ablaufende Handlung.
Ob nun glaubwürdig oder nicht, bildet der religiös-historische Hintergrund ein Fundament, das faszinierend genug ist, um Interesse zu wecken oder gar zu fesseln. Und eine so spektakuläre Szene wie den Aufstieg des Helikopters aus dem Petersdom gab es im Vorgänger auch nicht.
In besagtes Fluggerät steigt Robert Langdon übrigens hier - im Gegensatz zum Buch - gar nicht erst mit ein, und dem verstorbenen Papst wird auch kein heimlich gezeugtes Kind angedichtet. Offensichtlich haben die versierten Drehbuchautoren Koepp und Goldsman also die deftigsten und billigsten Effekte der Vorlage erkannt und im Bemühen um etwas mehr Glaubwürdigkeit lieber weggelassen, was man allemal anerkennen sollte.
Beide Argumentationen lasen sich vertreten, und zu welcher Seite der Waage man neigt, hängt wohl zum Großteil von der persönlichen Einstellung zu Dan Brown, seinen Themen und den unvermeidlichen Zwängen einer großen Blockbuster-Produktion ab - und auch davon in welcher Dosis man dies alles goutieren mag. Als Fakt lässt sich aber ziemlich eindeutig festhalten, dass wir es mit einem kompetent inszenierten Stück Mainstream-Kino auf hohem Produktionsniveau zu tun haben, in dem sogar noch Platz für ein wenig Humor und kurze Diskussionen zum Thema Glaube vs. Wissenschaft bleibt, die gar nicht mal so flach sind wie man erwarten könnte. Und zumindest den Nebenrollen von Ewan McGregor als Kämmerer des verstorbenen Papstes sowie Armin Mueller-Stahl als Ratzinger-ähnlichen möglichen neuen Papst deutscher Herkunft darf man eine gewisse Vielschichtigkeit nicht ganz absprechen.
Vor allem aber ist eines kaum zu leugnen: Die erzählte Geschichte ist - wenn man dank des angeschlagenen Tempos nicht dazu kommt weiter über sie nachzudenken - einfach mörderisch spannend. Und mit dem Augenmerk auf diesem Hauptargument ist "Illuminati" am Ende dann doch genau so gut gelungen wie sein Vorgänger - oder halt genau so wenig.
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