"Unverfilmbar", dieses Attribut haftete bis vor kurzem an den Büchern von Cormac McCarthy, einem der wohl bedeutendsten amerikanischen Schriftsteller unserer Zeit. Bis sich eines Tages zwei Herren namens Joel und Ethan Coen dessen Buch "No Country for Old Men" annahmen und dafür mal nebenbei den Oscar für den besten Film einsackten. Na also, geht doch, dachte sich Hollywood, und stürzte sich sogleich hoffnungsvoll auf die restlichen Werke des renommierten Autors. Während die Verfilmungen von "Blood Meridian" und "Cities of the Plain" noch in der Vorbereitungsphase stecken, präsentiert man uns als Erstes nun die Umsetzung des mit dem Pulitzerpreis bedachten Endzeitdramas "The Road". Eine packende Atmosphäre und ein überragender Hauptdarsteller sind dabei die großen Pluspunkte eines Films, der letztendlich aber dann doch einfach keine Chance hat, der schwierigen literarischen Vorlage wirklich gerecht zu werden.
Wahrscheinlich haben sich die Macher bei der Wahl dieses Projektes ein wenig Hoffnung auf die eine oder andere Oscar-Trophäe gemacht, doch ob diese so deprimierend-düstere Geschichte die Herzen der Academy wirklich erobern kann, ist dann doch mehr als fraglich. Nicht nur liegt die Welt nach einer nicht näher definierten Katastrophe komplett in Schutt und Asche, auch die wenigen Überlebenden stehen bereits kurz vor dem Hungertod. Da die meisten Tiere ausgestorben und die Vorräte rar sind, bleibt für den Rest der Menschheit eigentlich nur noch eine einzige Nahrungsquelle übrig: die eigene Rasse. Opfer von Kannibalismus zu werden ist folgerichtig die größte Sorge unserer beiden Protagonisten, einem Vater (Viggo Mortensen) und seinem Sohn (Kodi Smit-McPhee), die nach dem Verlust der Mutter (Charlize Theron) verzweifelt die so gut wie aussichtslose Reise in Richtung Süden angetreten haben.
Nein, das klingt nicht wirklich wie ein Film fürs erste Date und man muss es den Beteiligten schon hoch anrechnen, dass sie sich dieser knallharten Geschichte nicht nur angenommen, sondern sie auch noch so kompromisslos umgesetzt haben.
Vor allem visuell ist die postapokalyptische Welt meisterhaft in Szene gesetzt, als ebenso trostloser wie feindlich wirkender Ort, der ganz in grau getaucht eine wahrlich deprimierende Stimmung entfaltet. Die besondere Stärke liegt dabei darin, dass im Gegensatz zu vielen anderen Filmen die Auswirkungen der Apokalypse nicht anhand von Großstädten wie New York oder Los Angeles demonstriert werden. Mal ehrlich, so mancher Straßenzug verbreitet dort ja heute schon ein gewisses Weltuntergangsflair. Nein, "The Road" spielt stattdessen komplett auf dem Land, also genau dem Ort, den man in erster Linie mit blühender Natur und dörflicher Romantik verbindet. Genau dadurch wirkt der Film so bedrückend, denn wo eigentlich eine farbenprächtige Blumenlandschaft die Wiesen schmücken und Vogelzwitschern die Wälder erfüllen sollte, herrscht nun Stille und Tristesse. Verfallene Villen, deren alter Glanz noch zu erahnen ist, verstärken nur noch das bedrückende Bild.
Und dann ist da natürlich noch der Kannibalismus, der auch visuell eine sehr prominente Rolle in der Geschichte einnimmt. "The Road" ist wahrlich kein Film für zarte Gemüter, denn diese dürften wohl spätestens bei der Entdeckung einer ganz speziellen Art der "Vorratskammer" fluchtartig das Kino verlassen. Mindestens genauso schockierend sind aber auch die abgestumpften Blicke der Wegelagerer, die ihre Mitmenschen gar nicht mehr als Menschen, sondern nur noch als wandelnde Fleischtheke wahrnehmen. Diese Welt lässt einem wirklich das Blut in den Adern gefrieren.
Genau das gleiche lässt sich auch von der Leistung Viggo Mortensens ("Herr der Ringe", "Tödliche Versprechen") sagen. Rein optisch erinnert Mortensen mit seinem Umhang und seinen langen Haaren auf den ersten Blick ein bisschen an seine bisher berühmteste Rolle: Aragorn aus "Herr der Ringe". Allerdings ist dieser "Aragorn" hier abgemagert, apathisch, ohne jegliches Feuer und überhaupt kurz davor dem eigenen Leben ein Ende zu setzen. Alleine die Existenz seines Sohnes hält noch einen kleinen Lebensfunken am köcheln, doch je weiter die Reise geht, umso mehr scheint dieser Funke zu erlöschen. All das bringt Mortensen so perfekt und glaubwürdig auf die Leinwand, dass es einem manchmal schon regelrecht einen Schauer über den Rücken jagt. So überstrahlt diese Leistung dann auch den durchaus soliden Auftritt des jungen Kodi Smit-McPhee und die ebenfalls gelungenen Gastrollen von Robert Duvall, Charlize Theron und Guy Pearce (letzterer bekommt dabei eindeutig den diesjährigen "Mut zur Hässlichkeit"-Award verliehen).
Wir bekommen also gute Darsteller und eine tolle Atmosphäre serviert, doch irgendwas fehlt einfach. Und genau bei diesem etwas liegt der Hund begraben, denn es sind die Geschichte und die Figuren, die dem Film ein wenig das Genick brechen. Das Problem? Unsere Figuren sind im Wesentlichen innerlich tot und eine Geschichte so gut wie kaum existent. Genau das macht es unglaublich schwierig von diesem Film in irgendeiner Weise emotional berührt zu werden, und genau deswegen wurde gerade dieses Buch von McCarthy immer als unverfilmbar angesehen.
Natürlich ist das toll wie Regisseur John Hillcoat ("The Proposition") und sein Team diese postapokalyptische Welt so erschreckend real umgesetzt haben, aber um auch wirklich in diese Welt aufgesogen zu werden, braucht es eben mehr als ein tolles Setting und tolle Darsteller. Wo das Buch die Möglichkeit hatte durch einen Erzähler nicht nur tiefer in die Figuren einzudringen, sondern auch den moralischen Verfall der Welt komplex aufzubereiten, ist der Film vor allem auf die Wirkungen seiner Handlungen und Dialoge angewiesen. Doch die Geschichte besteht im Wesentlichen ja nur aus der Suche unserer Protagonisten nach Nahrung und dem Abschütteln aggressiver Wegelagerer. Auch Dialoge sind nur spärlich gesät. Sicher, ab und zu wird am Lagerfeuer kurz diskutiert ob man denn noch zu den Guten gehört, und sich gegenseitig versichert nie aufgeben zu wollen. Aber all das reicht eben nicht um wirklich tiefer in diese Welt eintauchen zu können und wirklich emotional mitgerissen zu werden.
Vielleicht wäre es ja klüger gewesen, sich stärker auf genau den Handlungsstrang zu konzentrieren, dem es als Einzigen wirklich gelingt eine starke emotionale Bindung zum Zuschauer hervorzurufen. Gemeint sind die immer wieder eingestreuten Rückblenden, die das Auseinanderbrechen der einst glücklichen Familie in den Anfangsmonaten der Apokalypse dokumentieren. Ein wahrhaft mitreißender Handlungsstrang, was mit an der fulminanten Charlize Theron liegt, der aber leider viel zu schnell vorbeigeht. Dabei wäre genau diese "Übergangszeit", was die Story angeht, deutlich filmtauglicher gewesen.
Dass man aber mal eben die komplette Dramaturgie eines Pulitzerpreis-Buches durcheinander wirbelt, wäre wohl wirklich etwas viel verlangt gewesen. So machen Hillcoat und sein Team zumindest das Beste aus einer Geschichte, deren filmische Umsetzung einfach keine Chance hat, auch nur annähernd die emotionale Wucht des Buches zu entfalten. Manche Bücher sind eben vielleicht doch einfach unverfilmbar.
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