Wake Island

MOH (128): 15. Oscars 1943 - "Wake Island"

In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".

von Matthias Kastl / 7. Oktober 2025

In unserer letzten Folge wurde noch mit schmissigen Songs fröhlich Kampfmoral aufgebaut, heute dagegen werden unsere Protagonisten auf dem Schlachtfeld direkt mit dem Grauen des Zweiten Weltkriegs konfrontiert.

Wake Island

Land
Jahr
1942
Laufzeit
88 min
Genre
Regie
Release Date
Oscar
Nominiert "Outstanding Production"
Bewertung
6
6/10

Der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg war die direkte Folge des japanischen Angriffs auf Pearl Harbor. Die daraus resultierenden Kämpfe zwischen den beiden Großmächten dürften aber wohl erst wieder in der entscheidenden Endphase (Hiroshima, Nagasaki oder die von Eastwood verfilmte Schlacht von Iwojima) vielen Europäern ein Begriff sein. Dabei folgte schon am Tage nach dem Angriff auf Pearl Harbor die nächste Attacke der Japaner, diesmal auf eine noch im Aufbau befindliche amerikanische Militärbasis auf Wake Island. Eine weitere große Angriffswelle wenige Tage später konnten die Amerikaner dort sogar noch abwehren, bevor man schließlich anhand der aussichtslosen Lage kapitulierte. Da steckt doch genug Stoff für eine Heldengeschichte drin, und so präsentierte Hollywood knapp ein halbes Jahr nach dem Angriff bereits eine erste Verfilmung der Ereignisse. Die hält sich nicht wirklich eng an die tatsächlichen Ereignisse und fokussiert sich vor allem auf eine möglichst tapfere Darstellung seiner Protagonisten. Das Ergebnis ist dann auch eher einfache Unterhaltung, die zwar ordentliche Schlachtszenen bietet, aber leider nicht interessant genug Charaktere, als dass man jetzt so richtig mitfiebern könnte.

"Wake Island" beginnt kurz vor dem Angriff auf Pearl Harbor und begleitet Major Geoffrey Caton (Brian Donlevy, "Chicago"), der als neuer Kommandeur auf die Insel versetzt wird. Vor Ort trifft er dabei auf Soldaten und jede Menge Zivilarbeiter, deren Disziplin insgesamt ausbaufähig ist. Ganz vorne dabei auf dieser Liste: die beiden rebellischen Privates Doyle (Robert Preston) und Randall (William Bendix). Ebenfalls ausbaufähig ist die Basis selbst, weswegen auch noch der Zivilist Shad McCloskey (Albert Dekker) als neuer Bauleiter auf die Insel versetzt wird. Niemand ahnt, dass dieser bunt gemischten Truppe nicht mehr viel Zeit bleibt, sowohl die Basis als auch die Disziplin der Truppe auf Vordermann zu bringen.
 


Eigentlich ist das durchaus löblich, wie "Wake Island" die dramatischen Ereignisse von damals angehen möchte. Der Film startet mit einem klassischen Setup, bei dem wir in der ersten halben Stunde erst einmal alle wichtigen Figuren kennenlernen sollen, bevor dann die Hölle losbricht. Dabei achtet man tunlichst darauf, ein möglichst breites Spektrum an Personen zu etablieren. So lernen wir den Kommandeur, genauso wie zwei einfache Privates, einen wagemutigen Piloten sowie mit unserem eher auf Profit schielenden Bauleiter einen "normalen" Zivilisten kennen. Gerade Letzterem einen Platz einzuräumen ist dabei durchaus berechtigt angesichts der Tatsache, dass auf Wake Island damals doppelt so viele Zivilisten wie Soldaten stationiert waren.

Hier eine Art Querschnitt an Rängen und Funktionen einzufangen ist an sich also eine schöne Idee. Blöd nur, dass man dabei vergisst, uns auch interessante Charakterporträts zu liefern. So gut wie keine der Figuren in "Wake Island" bringt irgendeine interessante Schattierung mit. Als Beispiel dafür dürfen unsere beiden Privates dienen, die in der ersten Hälfte vor allem als eine Art Comic Relief agieren sollen. Da wird sich mal spontan geprügelt, ein paar flotte Sprüche geklopft oder auf sonstige Art und Weise gegen die Befehlskultur rebelliert. Leider ist das aber nur bedingt witzig geraten, bringt uns die Figuren nie wirklich näher und wirkt dann irgendwie auch unglaubwürdig. Die beiden agieren nämlich teils so tölpelhaft, dass deren "Humor" dann doch mehr erzwungen als halbwegs natürlich wirkt. Dazu sind weder Robert Preston noch William Bendix in der Lage, ihren simpel gestrickten Figuren Charme oder zumindest eine passable Dreidimensionalität zu verpassen.
 


Das gleiche Urteil kann man über den Rest der Protagonisten fällen. Da ist hier und da vielleicht mal ein netter kleiner Charaktermoment versteckt und zumindest Brian Donlevy zeigt als Kommandeur auch ein ordentliches Schauspieltalent. Aber so richtig packt einen keine dieser Figuren. Harter Kommandeur, wagemutiger Pilot, raubeiniger Bauleiter – viel komplexer wird es nicht. Schön sind immerhin ein paar Momente, in denen die bunte kulturelle Zusammensetzung der Gruppe kurz aufgegriffen und daran erinnert wird, dass eine unterschiedliche Herkunft nicht trennen, sondern vereinend sein kann. Das ganze Setup fällt aber trotzdem deutlich zu banal aus, um  wirklich zukünftig mit dem Schicksal dieser Figuren eng mitfiebern zu können.

Immerhin wird glaubwürdig vermittelt, wie unvorbereitet die Besatzung der Insel auf die kommenden Angriffe war. Wenn dann schließlich eine Angriffswelle auf die nächste rollt, kommt zumindest etwas Tempo in die Handlung. Für das hohe Alter sind die Actionszenen dabei über weite Strecken sehr ordentlich inszeniert – auch wenn man gelegentlich schmunzeln muss, wenn dann doch sehr offensichtlich kleine Modellboote in die Luft gejagt werden. Diese actionreiche zweite Hälfte ist jedoch spürbar kurzweiliger, weil es eben ordentlich rummst und kracht auf dem Bildschirm. In Sachen Spannungskurve kann die Inszenierung dabei aber nur bedingt punkten. Lediglich einmal, als die Amerikaner den Japanern eine Falle stellen, steigt mal so richtig der Adrenalinspiegel. Da zeigt Regisseur John Farrow, der einst in der britischen Marine diente und 1957 für "In 80 Tagen um die Welt" den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch gewinnen sollte, dass er mehr kann, als die Ereignisse nur nachzuerzählen.
 


Insgesamt nagt der Film aber auch hier spürbar daran, dass seine Figuren eben austauschbar wirken und einen deren Schicksal jetzt nur bedingt den Schlaf raubt. Vereinzelte, humorvoll gemeinte Einschübe wirken dazu ebenfalls etwas deplatziert, da man sich kaum vorstellen kann, dass direkt nach dem grausamen Tod eines Kameraden jemand mal eben über die Damenwelt lästern würde. Noch weniger Tiefgang kann man von der japanischen Seite erwarten, deren einzige, nennenswert in Erscheinung tretende Figur ein Unterhändler ist, der schon verdammt überzeichnet und klischeehaft als Bösewicht inszeniert wird. Glücklicherweise verschwindet der aber nach wenigen Minuten wieder. Wie überhaupt die kompakte Laufzeit des Filmes dem eher dünnen Handlungs- und Figurengerüst entgegenkommt und so richtige Langeweile dann auch wieder nicht aufkommt.

So bekommt man mit "Wake Island" einfaches, patriotisch eingefärbtes Unterhaltungskino, bei dem historische Genauigkeit jetzt auch nur eine untergeordnete Rolle spielt. So wird etwa die Tatsache, dass sich die Marines damals nach der zweiten Angriffswelle ergeben haben, im Film in einen heroischen Endkampf um Leben und Tod "umgedeutet". Das Ende fällt dabei sehr abrupt aus, weil man einem direkt nach dem heroischen Endkampf keinerlei Verdauungspause gönnt, sondern direkt mit einem Sprecher aus dem Off noch einmal den großartigen Kampfeswillen der Truppe feiert. Da schlägt die Propaganda-Botschaft dann eben die Filmkunst. Und trotzdem, "Wake Island" birgt doch auch eine gewisse Faszination nach all den Jahren. Die fast schon "tagesaktuelle" Umsetzung dieser Hollywood-Produktion ermöglicht einem sowohl optisch als auch gedanklich einen irgendwie spannenden Einblick in ein bedeutendes Stück Weltgeschichte. Ob das einem, inklusive der passablen Action in der zweiten Hälfte, aber für einen ordentlichen Filmabend reicht, muss am Ende jeder selbst entscheiden.

"Wake Island" ist aktuell als DVD-Import auf Amazon in Deutschland verfügbar.
 


Trailer des Films.
 


Zusammenschnitt aus Kriegsszenen des Filmes
 


Radio-Broadcast zum Sieg der Japaner auf Wake Island
 


Historisch korrektere Zusammenfassung der Ereignisse (Animation)
 


Ausblick
In unserer nächsten Folge wartet mal wieder ein Filmklassiker auf uns – obwohl sich das Werk deutlich von der eigentlichen Vision seines berühmten Regisseurs unterscheidet.

Bilder: Copyright

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.