MOH (127): 15. Oscars 1943 - "Yankee Doodle Dandy"
In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".
In unserer letzten Folge lag der Schatten des Zweiten Weltkriegs über der kompletten Geschichte, im heutigen Beitrag gewinnt dieser erst im Schlussspurt des Films so richtig an Bedeutung. Zumindest auf den ersten Blick.
Yankee Doodle Dandy

Wie wir in den letzten Folgen unserer Oscar-Reihe gesehen haben, hatte in Hollywood mit dem Kriegseintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg der Patriotismus Hochkonjunktur. Da ist dann auch "Yankee Doodle Dandy" keine Ausnahme, eine leichtfüßige Musical-Biografie des damals legendären Entertainers George M. Cohan (1878–1942). Der hatte in seiner Arbeit als Schauspieler, Komponist, Tänzer und Produzent Dutzende von Broadway-Shows mit jeder Menge schmissiger Songs erschaffen. Gerade seine berühmtesten Werke hatten dabei eine deutlich patriotische Ausrichtung, und das konnte man Anfang der 1940er Jahre natürlich gut gebrauchen, schließlich war Hollywoods wichtigste Mission nun das Feiern gemeinsamer Werte und der Zusammenhalt im Land. Gut gebrauchen hätte "Yankee Doodle Dandy" auch eine richtige Handlung können, denn gerade in der ersten Hälfte ist die Verfilmung von Cohans Lebensgeschichte eher eine zusammenhanglose Aneinanderreihung von Gesangsnummern. Das bessert sich in der zweiten Hälfte zwar nur ein wenig, doch dank eines äußerst charismatischen James Cagney und einer angenehmen Leichtigkeit verzeiht man dem Film so einiges – selbst die am Ende etwas angetackert wirkende Botschaft zum Dienst an der Front.
Wie für viele Filmbiografien der damaligen Zeit üblich, blickt auch hier unsere Hauptfigur im gesetzteren Alter auf ihr Leben zurück. Auslöser ist dabei die Einladung des US-Präsidenten Franklin Roosevelt, der den Entertainer George M. Cohan (James Cagney, "Here Comes the Navy", "Ein Sommernachtstraum") zu sich ins Weiße Haus beordert hat. Cohan, gerade aus dem Ruhestand zurückgekehrt, ahnt Schlimmes, hat er doch in seinem neuen Stück Roosevelt ein wenig auf die Schippe genommen. Doch im Oval Office angekommen, wird erst mal fröhlich geplaudert, und Cohan beginnt, sein komplettes Leben Revue passieren zu lassen. Los geht es mit einer etwas chaotischen Geburt, bei der ihm die Show-Talente seines Vaters Jerry (Walter Huston, "Zeit der Liebe, Zeit des Abschieds") und seiner Mutter Nellie (Rosemary DeCamp) sozusagen in die Wiege gelegt werden. Unter dem Namen "Die vier Cohans", Georges Schwester Josie (Jeanne Cagney) ist auch noch mit von der Partie, zieht die Familie in den nächsten Jahren erfolgreich über die Vaudeville-Bühnen des Landes. Bis George schließlich, unterstützt von seiner frisch angetrauten Frau Mary (Joan Leslie, "Sergeant York") und seinem Partner Sam Harris (Richard Whorf), eine erfolgreiche Solo-Karriere startet, die ihn zu einem der berühmtesten Broadway-Stars Amerikas machen wird.

Oft hat man bei Biopics ja das Problem, dass zu wenig Zeit für zu viel Handlung bleibt. Im Fall von "Yankee Doodle Dandy" ist es gefühlt genau umgekehrt. Auch wenn hier ja eigentlich, zumindest zeitlich, ein komplettes Leben an einem vorüberzieht. An Tiefgang ist man hier aber weniger interessiert, legt stattdessen den Fokus des Films fast ausschließlich auf den künstlerischen Output von Cohan und interessiert sich weniger für das "Warum" oder "Wie". Das ist besonders in der ersten Hälfte auffällig, wenn wir mit George und seiner Familie die Vaudeville-Bühnen Amerikas abklappern. Hier passiert, mal abgesehen von etwas lockerer Kommunikation innerhalb der Familie, herzlich wenig. Dafür gibt’s umso mehr Songs aus dem Bühnenprogramm der Cohans zu sehen, die ironischerweise in sich mehr Wendungen aufweisen als die eigentliche Haupthandlung des Films. Deren familienfreundliche Form des Varietés kommt zwar irgendwie ganz niedlich daher, richtig packend oder mitreißend ist sie aber nur bedingt. Was auch daran liegt, dass die Auftritte der Familie konsequent aus Zuschauersicht und meist nur aus ein paar statischen Kameraperspektiven gezeigt werden.
Inhaltlich sind es dabei oft liebevoll-augenzwinkernde Kommentare zur amerikanischen Kultur und dem Alltag des kleinen Mannes, die uns präsentiert werden. Das passt dann auch ganz gut zum Charakter von George selbst. Dessen Geburt (natürlich am 4. Juli) markiert den Startschuss für die lange Lebensrückblende des alten Künstlers, wobei der Film dabei großzügig unter den Tisch fallen lässt, dass der echte Cohan dieses Datum einst nur aus Marketinggründen erfunden hatte. Was aber wiederum noch einmal deutlich macht, wie wichtig diesem ein patriotisch aufgeladenes Image war. Allerdings kann man hier zumindest etwas Entwarnung geben: Zwar flattert die US-Flagge im Film schon auffällig häufig durchs Bild, doch die meisten Songs sind dann doch zu harmlos, als dass man sich ernsthaft über übertriebenen Patriotismus echauffieren müsste.

Genauso harmlos wie George selbst, der mit seinem schlichten Gemüt meist gut gelaunt durch die Geschichte surft – stets bemüht, einfach eine gute Zeit zu haben. Und auch wenn es ein bisschen braucht, überträgt sich diese gute Laune dann langfristig auf das Publikum. Das liegt zum einen an der netten Chemie zwischen George und seiner Frau Mary, deren niedliches Kennenlernen irgendwie stellvertretend für den sich steigernden Charme des Filmes steht. Sobald die beiden vereint sind und George zusammen mit ihr an seiner Solo-Karriere bastelt, schmuggelt der Film immer mal wieder nette kleine Neckereien in die Geschichte, die zumindest ein wenig den fehlenden Tiefgang kompensieren.
Größte Stärke ist aber Cagney selbst, mit dem ich in dieser Oscar-Reihe ja bisher eher gefremdelt hatte. Cagney spielte ja in seiner Karriere vor allem leicht zu erzürnende Draufgänger, mit deren bisherigen Inkarnationen ich hier nicht so wirklich warm geworden bin. In "Yankee Doodle Dandy" gibt er den entspannten Entertainer aber mit so viel Charisma und Energie, dass man sich ihm schlichtweg nicht entziehen kann. Dabei ist es schön zu sehen, wie er sich in manchen Szenen zurückhält und dann, dank vieler cleverer kleiner Gesten und süffisant eingeworfener Anmerkungen, doch wieder deren unaufgeregtes Zentrum ist. Mit die schönsten Momente gelingen dem Film dabei im Schlussdrittel. Wenn Cohan im hohen Alter so auf eine Gruppe Jugendlicher trifft, die mit seinen Werken nicht vertraut sind, ist der daraus entstehende Wortwechsel so liebevoll-augenzwinkernd gespielt und geschrieben, dass man um ein breites Grinsen nicht drumherum kommt.

Die Folge war dann auch Cagneys einziger Oscar-Sieg in dessen langer Karriere. Auch angesichts der Energie, mit der sich Cagney als nicht gerade geborener Tänzer in die Musical-Passagen wirft, ist der dann nicht unverdient. Wobei Cagney schauspielerisch jetzt nur bedingt gefordert wird von einem Film, der – genau wie seine Hauptfigur – in erster Linie einfach nur nett unterhalten will. Dass dies in der zweiten Hälfte immer besser gelingt, liegt auch daran, dass die Musiknummern nun deutlich opulenter und interessanter ausfallen. Parallel dazu steigt aber auch der Anteil an US-Flaggen im Bild, denn jetzt packt der Film mit Hymnen wie "Over There" und "You're a Grand Old Flag" die patriotischsten Werke aus Cohans Repertoire aus.
Und spätestens jetzt wird klar, dass unter dem schlanken Erzählgerüst doch noch eine ganz klare Botschaft versteckt ist. Nämlich das Feiern amerikanischer Tugenden, das Generieren eines nationalen Zusammenhalts und der Hinweis, dass im Krieg jeder Mensch seinen Beitrag leisten kann. Genau das tut nämlich Cohan im Film, der zwar aus Altersgründen seinen Wunsch nach Dienst im Ersten Weltkrieg verwehrt bekommt, dafür dann aber an der Front als Entertainer auftritt. Der Bogen zum damals aktuellen Zeitgeschehen wird dann zwar etwas abrupt geschlagen, indem man am Schluss schnell noch Cohan zu seinem eigenen Song neben Soldaten des Zweiten Weltkrieges marschieren lässt. Doch auch das ist verzeihbar, da man hier improvisieren musste (die Dreharbeiten starteten kurz nach dem Angriff auf Pearl Harbor und so wurde das Drehbuch kurzfristig angepasst), und Cagney auch in dieser Szene einfach zu charismatisch ist. Wenn man also den etwas zähen Start überwunden hat und in Sachen Patriotismus, gerade angesichts der Umstände, ein Auge zudrücken kann, dann erwartet einen mit "Yankee Doodle Dandy" durchaus nette Unterhaltung. Und bei mir keimt die Hoffnung, dass ich nach meinem holprigen Start mit James Cagney das auch von dessen zukünftigen Filmen behaupten kann.
"Yankee Doodle Dandy" ist aktuell als Blu-ray und DVD auf Amazon in Deutschland verfügbar.
Trailer des Films.
Szene: Einstieg in den Film – ein alter Cohan trifft den Präsident und blickt zurück auf sein Leben.
Szene: Zeit für den "Yankee Doodle Dandy"-Song
Ausblick
In unserer nächsten Folge ist nichts mehr mit versteckter Botschaft – wir stürzen uns direkt in die filmische Aufarbeitung einer tatsächlichen Schlacht des Zweiten Weltkriegs.
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