Ex Machina

Originaltitel
Ex Machina
Jahr
2015
Laufzeit
108 min
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 7. April 2015

Der junge Programmierer Caleb (Dohmnall Gleeson) arbeitet für den weltgrößten Suchmaschinen-Betreiber (die Firma im Film heißt Bluebook, aber alles, was man über sie erfährt, entspricht im Prinzip Google) und gewinnt in einer firmeninternen Lotterie einen höchst begehrten Preis: Eine gemeinsame Woche mit dem legendären, genialen und zurückgezogenen Firmengründer Nathan (Oscar Isaac). Als Caleb in Nathans hermetisch abgeriegeltem Heim mitten im menschenleeren Nirgendwo der unendlichen Weiten Alaskas ankommt, eröffnet Nathan ihm indes, dass sein Aufenthalt hier einen tieferen Sinn als bloß ein hochexklusives „Meet & Greet“ hat. Ex MachinaDas modernistische Ferienhaus ist zugleich ein Forschungslabor, in dem Nathan an der Entwicklung einer fortschrittlichen künstlichen Intelligenz in Form eines menschenähnlichen Roboters arbeitet, und Caleb soll als außen stehender Tester Nathans Schöpfung der alles entscheidenden Prüfung unterziehen: ob er noch einen Unterschied zwischen Mensch und Maschine feststellen kann, oder ob es Nathan tatsächlich geglückt ist eine KI zu schaffen, die den kognitiven Fähigkeiten eines Menschen gleichkommt – die also wirklich ein eigenes Bewusstsein entwickelt hat. So lernt Caleb „Ava“ (Alicia Vikander) kennen, und es liegt nicht nur an dem sehr ästhetischen Körper, den Nathan seiner Schöpfung gegeben hat, dass es Caleb schwer fällt, Ava ihre eigene Menschlichkeit abzusprechen – während er gleichzeitig das unwohle Gefühl entwickelt, dass Nathan nicht ganz aufrichtig mit ihm ist.
 

Alex Garland begründete seine Karriere einst als Romanautor mit dem Weltbestseller „The Beach“, bevor er auch als Drehbuchschreiber in Erscheinung trat und für Danny Boyle zwei höchst bemerkenswerte Skripte verfasste. Sowohl die Geburt der rasenden Zombies in „28 Days later“ als auch der ungewöhnliche Science-Fiction-Film „Sunshine“ stammten aus Garlands Feder, in beiden Fällen schuf er eine allegoriereiche Erzählung, die sowohl durch ihre packende Oberfläche als auch ihren komplexen Subtext zu begeistern wusste. Nun versuchte Garland sich erstmals selbst als Regisseur seines eigenen Drehbuchs, und besticht erneut mit gewohnter Qualität. Mehr als das: „Ex Machina“ ist wohl Garlands bislang intelligenteste und beste Arbeit. Ein Werk, dem man in jeder Minute sowohl anmerkt, wie begabt sein Regisseur darin ist, eine fesselnde Atmosphäre zu erzeugen, als auch wie gewissenhaft sein Autor sich mit den komplexen Aspekten seines Themas auseinandergesetzt hat.

Ex MachinaAn der Oberfläche ist „Ex Machina“ ein sehr überzeugend umgesetztes Kammerspiel. Es gibt nur einen Handlungsort und im Prinzip nur drei Charaktere, doch Garland versteht es brillant, aus seiner Konstellation das Maximum herauszuholen. Obwohl der Film mit einem schmalen Budget von kaum 13 Millionen Euro produziert wurde, ist er gerade in Sachen Set-Design ein absoluter Triumph. Nathans Ferienhaus/Forschungslabor wirkt zugleich luxuriös und einengend, ein Traumdomizil und gleichzeitig ein Gefängnis. Die Architektur wirkt kalt, futuristisch und entmenschlicht, und spiegelt damit das Kernthema des Films wieder, ebenso wie der Handlungsort. Das Nirgendwo aus unendlicher, menschenleerer Natur, in dem sich Nathans Haus befindet, lässt zugleich prähistorische wie postapokalyptische Assoziationen zu – eine Welt, in der es noch keine Menschen gibt, oder in der es keine Menschen mehr gibt. Allein durch sein Setting reflektiert Garland damit über die zwei Kernaspekte der KI-Thematik: Auf der einen Seite versucht der Mensch hier Gott zu spielen, indem er selbst eine ihm ebenbürtige Schöpfung erschafft und so eine neue Welt kreiert; auf der anderen Seite könnte der Mensch damit seinen eigene Auslöschung heraufbeschwören.

Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass die Entstehung der ersten KI, die dem Intelligenzgrad des Menschen ebenbürtig ist, der Anfang vom Ende der Menschheit sein wird, und man merkt es „Ex Machina“ genau an, dass Alex Garland sehr gut über dieses Thema Bescheid weiß. Schon allein weil er nicht denselben Fehler macht, den bisher so ziemlich jeder Film zum Thema KI begangen hat – nämlich die KI mit menschlichen Attributen wie „gut“ oder „böse“ zu versehen. Der Film setzt sich sehr klug mit der philosophischen Frage auseinander, ob ein Computer, der das komplexe emotionale Spektrum des menschlichen Geistes erlernt hat und dieses nun selbst zeigt, tatsächlich ein eigenes Bewusstsein hat und diese Emotionen wirklich durchlebt, Ex Machinaoder ob er nicht „nur“ eine (sehr überzeugende) Simulation des Erlernten durchführt. Diese Frage muss auch Caleb in seiner Auseinandersetzung mit Ava beantworten: Sind ihre Gefühle echt, oder sind sie nur simuliert? Gegen Ende bringt der Film noch eine dritte Möglichkeit ins Spiel, und hier betritt „Ex Machina“ die letzte, faszinierendste und auch am meisten beängstigende Stufe seines Gedankenspiels.

Traurigerweise nimmt er sich ausgerechnet für diese letzte Stufe zu wenig Zeit, und dies ist dann auch das zentrale Manko des Films, welches ihm auch eine (noch) höhere Bewertung raubt. Obschon Garland sein Skript mit klarer Konsequenz zu Ende führt, wirken die entscheidenden Wendungen und ihre Umsetzung in den letzten Filmminuten zu gehetzt und auch ein wenig zu diffus, und lassen einen als Zuschauer mit dem etwas unbefriedigenden Gefühl zurück, dass hier noch mehr drin gewesen wäre. Garland zeigt hier erneut einen schon in seinen früheren Werken bemerkbaren Hang, Dinge offen zu lassen, wo es befriedigender wäre, sie zu erklären.

Das betrifft hier auch die Charakterzeichnung: „Ex Machina“ zeichnet sein technisches Mastermind Nathan als ein psychologisch sehr komplexes – um nicht zu sagen: gestörtes – Individuum, mit seinem ständigen Pendeln zwischen Selbstoptimierung durch Fitnesstraining und Selbstzerstörung durch Alkoholexzesse. Ein Mann, der einen enormen Gott-Komplex mit sich rum trägt, andererseits aber offensichtlich auch von üblen Dämonen geplagt wird. Welche das genau sind, darauf gibt „Ex Machina“ jedoch leider nie eine Antwort, und verrät seinem Publikum damit letztlich zu wenig über seine komplexeste und schillerndste Figur.

Ex MachinaEin Rätsel – aber dies im positiven Sinne – bleibt bis kurz vor Schluss auch Ava, und deren Darstellerin Alicia Vikander empfiehlt sich hier nachdrücklich für weitere, große Aufgaben. Vor allem ihre körpersprachliche Präzision ist beeindruckend, wie sie ihren Bewegungen einen sehr subtilen, aber stets bemerkbaren Hauch von Mechanik gibt und das Publikum so niemals vergessen lässt, dass sie unter aller scheinbaren Menschlichkeit immer noch ein Roboter ist. Sie vermittelt damit ein konsequentes Gefühl von Unheimlichkeit, wie sie dem Konzept eines künstlichen Menschen, der eben doch nicht ganz Mensch ist, schon immer inhärent war. Und trägt damit ihren Teil zur höchst wirksamen Gesamtatmosphäre des Films bei.

Die Beklemmung sowohl in der Stimmung der Handlung als auch in den Implikationen der Geschichte ist hier von der ersten Minute an spürbar, und wird von da an so langsam wie konsequent hochgezogen, bis hin zum Finale. Mit seinen einfachen Mitteln erzeugt Alex Garland einen Film, der von Anfang bis Ende zu fesseln und zu packen weiß, und dabei auch noch eine Menge sehr kluge Dinge über ein sehr, sehr wichtiges Thema zu sagen hat. Die Entwicklung künstlicher Intelligenz wird die Zukunft der Menschheit mehr bestimmen als irgend etwas anderes. Und „Ex Machina“ ist ein mehr als guter Anstoß, um sich Gedanken über dieses Thema zu machen.
 

Wer mehr über den Stand der Dinge zum Thema KI wissen will sowie über die Prognosen, warum deren Entwicklung schon innerhalb der nächsten Jahrzehnte die Geschichte der Menschheit komplett verändern (und vielleicht auch komplett auslöschen) wird, dem sei dieser sehr lange, aber auch sehr sehr gute Artikel empfohlen: http://waitbutwhy.com/2015/01/artificial-intelligence-revolution-1.html

Bilder: Copyright

Bin gespannt auf den Film, danke für die Besprechung. Ganz besonderen Dank aber, lieber Frank-Michael Helmke, für den Link auf den wait but why Artikel zum Thema AI. Whoa! Sehr anregend!

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....dem schließe ich mich an! Nicht nur, dass ich mir den Film gleich morgen ansehen werde, vor allem habe ich jetzt mit wait but why eine neue Lieblingswebsite und einen der besten Artikel seit Jahren lesen dürfen! Dickes Dankeschön für diesen Link!

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"Die Entwicklung künstlicher Intelligenz wird die Zukunft der Menschheit mehr bestimmen als irgend etwas anderes."

Stimmt nicht. Wasserknappheit, Nahrung für eine immens wachsende Weltbevölkerung und der Kampf der Kulturen werden die entscheidenden Faktoren für die Menschheit in den nächsten Hunderten von Jahren sein.

Warum? Offensichtlich...

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@janph: Du solltest den oben verlinkten Artikel bei Waitbutwhy mal lesen. Dann wirst du begreifen, dass alle (also wirklich: alle, inkl. allem was du erwähnt hast) Menschheitsprobleme mit der Entwicklung einer höheren künstlichen Intelligenz entweder gelöst werden oder angesichts dessen, was dann auf uns zukommt, komplett irrelevant werden.

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8
8/10

Sehr gut gemachter Film, sowohl was die Vielseitigkeit der Geschichte, die komplexe Zeichnung der Figuren als auch die fantasiereiche Umsetzung betrifft.

*schwacher Spoiler*
Natürlich macht der Film m.E. einen zentralen Fehler bei der Behandlung des Themas "künstliche Intelligenz", und das ist dass man nunmal ein menschliches Gegenüber braucht um in einem Roboter menschliche Züge zu erkennen. Ava's Handlungsimpulse gehen ein wenig über eine reine "künstliche Intelligenz" hinaus sondern Weisen eher in Richtung "künstliches Lebewesen".
*Spoiler Ende*

Ich persönlich finde "Her" als Kommentar zum möglichen Verhältnis zwischen KI und Mensch am Ende etwas aufschlussreicher.

Trotzdem ist der Film sehr gut geschrieben und hat eine wirklich grosse Anzahl an "unmittelbaren" Szenen in denen man bei dem was geschieht hautnah mit dabei ist ohne zu wissen oder wissen zu können wie es weitergehen wird.

Viel zum Nachdenken auch nachdem der Film zu Ende ist, teilweise auch aus zunächst unerwarteten Richtungen.

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Ein durchweg packender Film, bei dem alle drei Hauptfiguren vielschichtig angelegt sind und der Erzählstrang immer nachvollziehbar ist. "Her" mag noch vielschichtiger und romantischer sein, aber "Ex-Machina" schlägt eher die suspense Richtung ein und ist so sehr gut gemacht.

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10
10/10

....also wie definiere ich Spannung? Vor allem, wenn ich bei einem Film zu keiner Sekunde vorhersagen kann, was als nächstes passiert. Wenn die Verstrickungen der Ziele von allen Beteiligten so gegensätzliche Motive aneinanderprallen lassen, dass ich keine Sekunde sagen kann wer das beste Spiel spielt, wer am meisten weiß, wer gewinnen wird. Was das betrifft, kriegt dieser Film absolute Bestnoten. Und wenn ich dann auch noch eine hammerharte Meditation über künstliche Intelligenz, unsere Rolle als Mensch und den zweifelhaften Segen der neuen Technologie dazu bekomme......WOW.
Bester Film des Jahres bis jetzt!
Wer auf extrem gut gemachte Stories jenseits von Klatsch-Bumm-Hollywood steht: Unbedingt ansehen!! Wirklich: Unbedingt!!

++ btw, danke für die Empfehlung dieses hochgradig geilen Artikels!

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8
8/10

Ava adore! Gut gemachter, spannender Film mit einem in dieser Kpnsequenz dann doch etwas unerwarteten Ende. Zum Schluss verliert der Film etwas und es wirkt irgendwie holprig, doch der Gesamteindruck ist gut. Spoiler Ob es jemals solch eine künstliche Intelligenz geben wird, Ava ist letztendlich auch nicht besser als einige Menschen, manipuliert und betrügt genauso wie viele andere auf der Welt. Hätte Nathan ihr nur mal besser etwas mehr Mitleid implantiert. Ist jedenfalls ein interessanter Gedankengang den der Film zum Thema liefert.

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8
8/10

Die Dämonen Nathans werden doch in einer kurzen aber intensiven Sequenz rückblickend gezeigt. Einer dieser Dämonen, nämlich der vierte und letzte Protagonist in diesem Kammerspiel - der in der obigen Rezension überraschenderweise gar nicht erwähnt wird - war für mich auch die mit Abstand unheimlichste und gruseligste Figur des Films. Eine zum Schweigen verdammte Sexsklavin, die wieder herunterprogrammiert / downgegradet wurde, damit sie bedingungslos und unproblematischer den Wünschen ihres Herrn Folge leisten kann. Das weckte bei mir wieder schaurige und verstörende Gefühle, die mich schon beim Klassiker "Westworld" in ihren Bann zogen. Gestört hat mich dabei nur das sinnlose und unnötige Selbstzerstümmeln / Hautabziehen der schönen Liebesdienerin, das in Filmen mit Robo- oder Cyborgthematik scheinbar immer wieder obligatorisch eingebaut wird um dem Zuschauer einen Überraschungs- und tollen SF-Effekt zu bieten. Alles in allem ein kluger Film mit einem gelungenem Ende, den ich mir bestimmt noch einmal ansehen werde.

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