Mortdecai - Der Teilzeitgauner

Originaltitel
Mortdecai
Land
Jahr
2015
Laufzeit
106 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Frank-Michael Helmke / 19. Januar 2015

MortdecaiWenn man in einer Superstar-besetzten neuen Hollywood-Komödie sitzt und nach fünf Minuten noch nicht einmal richtig gelacht hat, dann weiß man, dass hier etwas ganz gehörig schief läuft. Eine gute Komödie, vor allem wenn sie aus dem "Wenn einer weiß, wie es geht, dann ja wohl wir"-System Hollywoods kommt, weiß genau, wie essentiell wichtig ein prägnanter Einstieg ist. Man will das Publikum möglichst rasch abholen und einstimmen auf das, worüber es sich auch die nächsten 100 Minuten schieflachen soll. Den Ton setzen. Atmosphäre schaffen. In den ersten fünf Minuten von "Mortdecai - Der Teilzeitgauner" sieht man vor allem zwei Dinge: Eine Eröffnungssequenz, die wie ein billiger Abklatsch des Intros von "Indiana Jones und der Tempel des Todes" erscheint. Und den Amerikaner Johnny Depp, der sich sehr dabei abmüht, einen überaus affektierten Engländer mit einem entsprechend über-affektierten englischen Akzent zu spielen (letzteres wird in der deutschen Synchronisation natürlich verloren gehen, aber es sei versichert: Das macht nichts, denn im Original funktioniert es auch nicht besser). Beides ist vor allem eins: Leider nicht wirklich lustig. Und das gilt dann auch in ernüchternder Konsequenz für den ganzen Film.

Johnny Depp spielt Charles Mortdecai, letzter Abkömmling einer englischen Aristokraten-Familie, Besitzer eines sehr ansehnlichen Landsitzes, einer sehr ansehnlichen Ehefrau (Gwyneth Paltrow), einer recht zwielichtigen Karriere als Schwarzmarkt-Kunsthändler, und eines millionenschweren Berges an Steuerschulden. Dieser droht Mortdecai binnen der nächsten drei Tage den Landsitz, den einträglichen Job und eventuell auch die Ehefrau zu kosten. Praktischerweise bittet Mortdecais ewiger Erzfeind, Inspektor Martland (Ewan McGregor) ihn dank seiner Expertise um Mithilfe bei einem mysteriösen Mordfall in der Kunsthändlerszene, bei dem es um ein sagenumwobenes, verschollenes Bild des spanischen Meisters Goya geht (um den Wert des Bildes und das Interesse für Nicht-Kunstinteressierte noch etwas in die Höhe zu treiben, gibt es dazu noch eine kleine Legende, dass Hermann Göring auf der Rückseite der Leinwand seine geheime Schweizer Kontonummer notiert haben soll, wo ein verschollener Schatz an Nazi-Gold gebunkert ist). MortdecaiSollte es Mortdecai gelingen, das Bild ausfindig zu machen, könnte das auf einen Schlag all seine Probleme lösen. Allerdings sind auch einige wenig zimperliche Russen und ein internationaler Terrorist auf der Jagd nach dem Gemälde. Und was Mortdecai noch viel mehr beschäftigt: Seine geliebte Frau kann sich einfach nicht mit seinem neuen Schnurrbart anfreunden. Dabei ist er doch so stolz darauf!

Mortdecais Faszination mit seiner eigenen Gesichtsbehaarung ist der dominante Running Gag des Films, und wer sich jetzt denkt, dass so ein Bärtchen ja nun auch nicht sooo unglaublich witzig ist, hat den Nagel des Problems perfekt auf den Kopf getroffen. Es ist das zentrale Dilemma dieser leider sehr unwitzigen Komödie, dass so ziemlich alles, was hier lustig sein soll, es irgendwie nicht so richtig ist, und einem allenfalls ab und zu ein leichtes Schmunzeln abringen kann. Dieses Problem manifestiert sich vor allem in der Hauptfigur selbst. Deren Namen als schlichten Filmtitel zu verwenden ist ja schon mal eine sehr klare, programmatische Ansage: Diese Show gehört Mortdecai, Mortdecai ist diese Show! Nur leider ist Mortdecai keine sonderlich gute Show. Die zumindest theoretische Witzigkeit dieser Figur speist sich einzig und allein aus ihrer abgehobenen Affektiertheit, dem hochkultivierten Gehabe, mit dem er durch die Welt läuft - eine völlig überspitzte Form von Egomanie und Narzissmus, die Mortdecai die Gefahr, in der er sich beizeiten befindet, komplett auszublenden lassen scheint. Hauptsache, sein Schnurrbart bleibt formschön. Es liegt nahe, was hier versucht wurde und wieso Johnny Depp als prädestiniert für diese Rolle betrachtet wurde. Es soll so eine Art Reinszenierung von Jack Sparrow als englischer Aristokrat sein. Doch diese Idee funktioniert leider nur auf dem Papier gut.

MortdecaiIm Gegensatz zu Depps legendärer Paraderolle als überaffektierter Karibik-Pirat schafft er es als überaffektierter Aristokrat leider nie, in all seiner Lächerlichkeit trotzdem so etwas wie Glaubwürdigkeit zu entwickeln. Mortdecai wirkt von Anfang bis Ende prätentiös, unnatürlich und gewollt. Kurz: Die spielerische Leichtigkeit, die für eine erfolgreiche komödiantische Performance unabdingbar ist, geht Depp hier leider völlig ab. Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, begeht der Film dann auch noch den Fehler, sich viel zu sehr darauf zu verlassen, dass aus dieser Figur schon allein genug Witz entstehen wird um das Publikum durch eine Geschichte zu tragen, in der es eigentlich um nicht sehr viel geht. Ein verzogener englischer Snob droht seinen Landsitz zu verlieren, wenn er nicht ein bestimmtes Kunstwerk findet - warum sollte mich das kümmern? Der Film ist gefangen zwischen zwei widersprüchlichen Tendenzen: Er erhebt eine Witzfigur zu seinem Zentrum, über die man sich vortrefflich lustig machen könnte, will diese Witzfigur aber zugleich zum Helden seiner eigenen Geschichte machen. Doch auch wenn Mortdecai eigentlich erst im letzten Drittel des Films beginnt, das Heft tatsächlich selbst in die Hand zu nehmen und mehr zu tun als dort hinzureisen, wo es ihm gesagt wurde - dass er sich überhaupt als kompetent erweist, seiner eigenen Zwickmühle zu entkommen, ist das größte Malheur des ganzen Films. 

Wie man aus solch einer Figur einen wirklich lustigen Film herausholen kann? Zwei Worte: Peter Sellers. In seinen legendärsten Rollen als Hrundi Bakshi in "Der Partyschreck" oder Inspektor Clouseau in "Der rosarote Panther" blieb Sellers von Anfang bis Ende ein grandios unterbelichteter Vollidiot, der unbeschreibliches Chaos verursachen konnte und das nicht einmal bemerkte - um am Ende trotzdem in ungebrochener Selbstüberschätzung heil aus der Geschichte rauszukommen, obwohl er den ganzen Film über nicht eine einzige kluge Sache zustande gebracht hat. Solch eine Filmfigur trägt in sich genug Unterhaltungswert, um einen ganzen Film zu tragen. Charles Mortdecai ist in seinem affektierten Gehabe zwar enorm lächerlich, aber längst noch nicht lächerlich genug, um für sich allein stehend wirklich unterhaltsam zu sein. Jedenfalls ganz sicher nicht über 100 Minuten. 

MortdecaiAuch Gwyneth Paltrow und Ewan McGregor sind hier gefangen in Rollen, die in ihrem Zusammenspiel mit Mortdecai zumindest theoretisch so etwas wie eigenen Witz entwickeln sollen, aber genau so zum Opfer einer in der Praxis leider nicht aufgehenden Formel werden. Der heimliche, wahre und genau genommen einzige Star des Films ist Paul Bettany als Mortdecais tumber, endlos loyaler und sexuell höchst aktiver Lakai Jock Strapp (keine Bonuspunkte für subtile Namensgebung). Mit grandioser stoischer Gleichmütigkeit und einem permanenten, sanften Anflug von Qual in seiner Miene - so als wüsste er, wie dämlich sein Herr und Meister ist, würde es aber nie wagen, das tatsächlich auszusprechen - macht Bettany jeden seiner Auftritte zu einem kleinen Highlight und rettet hier endlose Male den Tag und die Hauptfigur, die das so gar nicht verdient hat. 

Verdient hat es auch "Mortdecai - Der Teilzeitgauner" nicht, dass man seine Zeit oder gar sein Kinoeintrittsgeld an ihn verschwendet. Dieser Film taugt vielleicht als warnendes Beispiel dafür, wie eine vermeintlich todsichere Komödien-Kalkulation selbst dann schief gehen kann, wenn man höchst kompetentes Personal dafür versammelt. Für mehr aber auch nicht. Erster vielversprechender Kandidat für die Enttäuschung des Jahres.

Bilder: Copyright

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2/10

Seit Jahren geht mir Johnny Depp in seiner immer gleichen Paraderolle als affektierter, entrückter und verschrobener Gockel gehörig auf die Nerven. Egal ob als Jack Sparrow, Willy Wonka, Tonto, Sweeney Todd, Barnabas Collins oder als verrückter Hutmacher - es ist immer dasselbe egozentrische, leicht tuntige Gehabe. Das letzte mal als mich Depps "Schauspielkunst" positiv überraschte war in "Nightmare - Mörderische Träume".

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Die Tragik bei Johnny Depp ist, dass er am Anfang seiner Karriere bei seiner Rollenwahl darauf geachtet hat, nicht als austauschbarer TV-Beau zu enden und deshalb bewusst immer wieder den versponnenen kauzigen Exzentriker gibt. Das hat aber mittlerweile dazu geführt, dass ihm wohl nur noch komische exzentrische Rollen angeboten werden, obwohl der Mann eigentlich gar nicht komisch ist. Wäre ihm zu wünschen, dass er irgendwann noch die Kurve ins Charakterfach kriegt.

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Depp mag nicht der beste Schauspieler sein und seine Rollenwahl war nach den tollen Filmen "Edward mit den Scherenhänden" und "Gilbert Grape" nicht immer gut. Aber seine skurrilen Filme mit Tim Burton waren fast immer sehr unterhaltsam. Dafür sowie für Fluch der Karibik wurde er zurecht gefeiert. Nun verstehe auch ich nicht, warum er trotz des immensen Erfolgs und seines Vermögens die Piraten-Kuh bis zum Tode melken oder in solch schlechten Filmen mitspielen muss (könnte man Paltrow und McGregor natürlich auch fragen). Aber nun alles Schaffen von Johnny Depp in den Dreck zu ziehen, ist mal wieder diese typische Reaktion, wenn es mal schlecht läuft. Siehe Peter Jackson.

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