The Tender Bar

Originaltitel
The Tender Bar
Land
Jahr
2021
Laufzeit
106 min
Genre
Release Date
Streaming
Bewertung
5
5/10
von Frank-Michael Helmke / 8. Januar 2022

Der Journalist und Autor J.R. Moehringer veröffentlichte 2005 mit knapp 40 Jahren seine Memoiren, und obwohl man meinen sollte, dass die Erinnerungen eines weitgehend unbekannten Schreiberlings an seine nicht sonderlich ungewöhnliche Kindheit, Jugend und jungen Erwachsenenjahre niemanden besonders interessieren sollten, wurde "The Tender Bar" ein internationaler Bestseller. Was definitiv an Moehringers besonderem Stil lag, der ebenso poetisch wie humorvoll aus Alltäglichkeiten großes literarisches Kino zimmerte. Und vor allem auf unnachahmliche Weise einem spezifischen Ort ein kleines Denkmal setzte: die Kneipe als Refugium, Auffangbecken, Fluchtpunkt, Therapiezentrum und Lebensschule. Vor allem für Männer natürlich, und ganz besonders für Moehringer, der ohne Vater aufwuchs und in jener Bar in seinem Heimatort, die im Zentrum seiner Memoiren stand, auf eine ganze Gruppe von Ersatz-Vaterfiguren stieß, die alle zusammen eben die Rolle ausfüllten, die in Moehringers Leben gefehlt hatte. 

Dass es nun über 15 Jahre gedauert hat, bis jemand diesen Bestseller verfilmt hat, wundert indes nicht sonderlich, denn "The Tender Bar" bietet sich so gar nicht als Grundlage für einen Film an. Moehringers etwas irrlichterndem Dasein, bis er endlich richtig in seiner Berufung als Autor angekommen war, fehlt eine klare dramatische Struktur, ein Geschichtsbogen, wie ihn eine filmische Dramaturgie nun mal braucht. Und dieses Problem kann auch die nun für Amazons Streaming-Dienst produzierte und von George Clooney inszenierte Verfilmung nicht lösen, auch wenn man mit Oscar-Preisträger William Monahan ("Königreich der Himmel", "The Departed") einen sehr fähigen Drehbuch-Autor daran gesetzt hat.

Monahan tut sein Bestes, um Moehringers Geschichte eine gewisse Coming-of-Age-Kontur zu verpassen, indem er den Film um zwei zu überwindende Beziehungen strukturiert: Zum einen die zum die allermeiste Zeit abwesenden Vater des jungen J.R., der als Radio-Moderator jedoch als markante Stimme aus dem Äther dennoch eine immer wiederkehrende Präsenz in J.R.s Leben darstellt. Zum anderen die zu seiner ersten großen Liebe Sidney, die J.R. am College kennenlernt und von der er sich trotz baldiger (und unter recht absurden Umständen stattfindender) Trennung jahrelang nicht emotional lösen kann. Die wahren zentralen Figuren in J..R.s Leben sind jedoch seine Mutter (Lily Rabe), die J.R. von Kindesbeinen an einimpft, dass er einmal ein namhaftes College besuchen wird, damit er es im Leben besser hat als sie, und sein Onkel Charlie (Ben Affleck), der die titelgebende Bar betreibt und für J.R. zur wichtigsten Vaterfigur wird.

Und obwohl sich diese beiden Figuren und J.R.s Beziehung zu ihnen im Lauf des Films kein bisschen wandeln, sind sie doch das sehenswerteste an "The Tender Bar", denn Lily Rabe und Ben Affleck erwecken ihre bodenständigen Charaktere durch erstaunlich authentisches und natürliches Spiel beeindruckend zum Leben. Affleck wirkt in jeder Szene tatsächlich wie jemand, der tagein tagaus nichts anderes tut, als hinter einem Tresen zu stehen und erstaunlich weise Phrasen darüber zu dreschen, was einen echten Mann ausmacht. Er wurde für diese Leistung gerade erst verdientermaßen mit einer Golden Globe-Nominierung als bester Nebendarsteller geehrt. Man wünscht sich beim Betrachten des Films eigentlich ständig, noch mehr Zeit mit ihm und seinen Kumpels in der Kneipe verbringen zu dürfen - und es ist wohl das größte Versäumnis von "The Tender Bar", dass man das eben nicht tut. Der besondere Ort, der diese Bar in Moehringers Buch noch war, wird hier nie wirklich zum Leben erweckt. Anstatt zentraler Handlungsort zu sein, bleibt die Bar nur ein relativ austauschbares Motiv, und ihre Stammgäste jenseits von Onkel Charlie konturlose Staffage. 

Damit scheitert "The Tender Bar" leider daran, den besonderen Charme der Vorlage effektiv ins Medium Film zu übersetzen. Und auch wenn es Regisseur Clooney fraglos gelingt, das Zeitkolorit und die spezifische Atmosphäre der 70er und 80er Jahre in einer Ostküsten-Kleinstadt sehr präzise einzufangen (auch dank eines sorgsam ausgewählten Soundtracks), so gibt es doch wenig an "The Tender Bar", was wirklich hängenbleibt. Letztlich ist der Film nur eine ohne große Verwerfungen vor sich hinplätschernde Erzählung, die von Anfang an so mäandernd und ziellos wirkt, dass manch ein Streaming-Zuschauer vermutlich schon irgendwo auf halber Strecke desinteressiert aussteigen wird. 

Bilder: Copyright

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