MOH (17): 3. Oscars 1931 - "Im Westen nichts Neues"
In unserer Serie "Matthias' Oscar History" (MOH) bespricht Matthias in jeder Folge jeweils einen der zwischen den Jahren 1929 und 2000 nominierten Oscar-Beiträge aus der Kategorie "Bester Film".
So gut das Teilnehmerfeld der Kategorie "Outstanding Production" bei den dritten Oscars im Jahr 1931 über weite Strecken auch war, der Sieger hätte verdienter nicht ausfallen können. Mit "Im Westen nichts Neues" sicherte sich ein packender Antikriegsfilm die begehrte Trophäe, dessen eindringliche Botschaft aber nicht einmal zehn Jahre später in Europa wieder komplett verklungen zu sein schien.
Im Westen nichts Neues
Mit seinem Werk "Im Westen nichts Neues" verfasste Erich Maria Remarque 1928 den wohl berühmtesten Antikriegsroman der Welt. Er beschreibt darin die schrecklichen Erlebnisse des jungen deutschen Soldaten Paul Bäumer an der Front des ersten Weltkrieges. Die Verfilmung von Lewis Milestone hält sich dabei eigentlich relativ eng an das Buch (im Gegensatz zur ebenfalls Oscar-prämierten deutschen Neuverfilmung). So begleiten wir eine Gruppe junger Nachwuchsrekruten rund um Bäumer (Lew Ayres), die alle aus derselben Schulklasse stammen, von der ersten Kriegshetze durch ihren Lehrer über das strenge Training bis hin zum blutigen Fronteinsatz unter dem Kommando des erfahrenen Stanislaus Katczinski (Louis Wolheim).
Auffallend bei der filmischen Umsetzung ist, dass Paul im Gegensatz zum Buch im Film erst relativ spät zur gefühlten Hauptfigur avanciert. Während das Buch aus der Sicht von Paul geschrieben wurde, ist der hier zwar stets präsent, aber ein wirklich starker Fokus wird auf seine Figur erst im zweiten Teil gelegt. In der ersten Hälfte wirken viele der Figuren dagegen noch gleichwertig, wobei bei den jungen Schülern die Figuren leider nicht so leicht unterscheidbar voneinander sind. Das raubt den einzelnen "Verlusten" während des Fronteinsatzes ein wenig die emotionale Wucht. Aber nur ein wenig, denn wie kompromisslos hier die Schrecken des Krieges gezeigt werden, macht immer noch verdammt viel Eindruck.
Dieser Krieg ist schmutzig, gnadenlos und sowas von keine Bühne für große Heldentaten. Jugendliche Naivität macht schon bald Platz für die nackte Überlebensangst unserer ehemaligen Schulkameraden. Gerade für die Sinnlosigkeit des Krieges findet der Film dabei viele gelungene Bilder, ob der anonyme Tod an der Front und in den Lazaretten oder ein symbolträchtiger Stiefel, der mehr als einmal seinen Besitzer wechselt. Dazu nimmt der Film sich auch Zeit für ein paar glücklicherweise nicht zu aufgesetzt wirkende Gespräche über den Sinn des Krieges, die einen vor dem Bildschirm auch noch knapp 100 Jahre später stumm und melancholisch nicken lassen. Und irgendwie wirkt das alles natürlich noch mal intensiver mit dem Wissen, dass keiner der hier am Film Beteiligten sich wohl nur ansatzweise hat ausmalen können, welches Leid schon bald ein noch schlimmerer Krieg über Europa bringen würde.
Das "Im Westen nicht Neues" so eindringlich wirkt, liegt aber auch an der Inszenierung. Im Vergleich zur statischen Umsetzung vieler Oscarbeiträge im Vorjahr arbeitet Regisseur Lewis Milestone hier gekonnt immer wieder mit kleinen Kamerafahrten und nutzt gerade manch enges Set, um erfolgreich eine klaustrophobische Stimmung zu schaffen. Zugegeben, teilweise ist das Schauspiel etwas altbacken geraten und verhindert in manchen Momenten, dass man sich noch mehr mit dem Geschehen identifiziert. Gerade Lew Ayres als Paul spielt, wie für die Zeit ja oft typisch, in manchen Szenen dann doch übertrieben theatralisch. Glücklicherweise wird das aber immer wieder durch ein paar deutlich ehrlicher und berührender wirkende Momente ausgeglichen, wie einem Gespräch der Jungs über die Vorzüge des anderen Geschlechts.
Auch wenn "Im Westen nicht Neues" an manchen Stellen durch sein Alter auch mal sperrig wirken kann, seine Botschaft transportiert der Film am Ende immer noch sehr überzeugend. Eben weil ihm viele wirklich intensive Szenen gelingen, wie die emotionale Rückkehr von Paul in seine alte Schule oder ein Schlussbild, das einem einen genauso poetischen wie düsteren finalen Schlag in die Magengrube versetzt. Und das macht "Im Westen nicht Neues" am Ende dann zu einem wirklich starken Film. Nur gelernt hat die Menschheit daraus damals leider nichts.
"Im Westen nicht Neues" ist aktuell auf Amazon Prime in Deutschland verfügbar. Der Film ist aber auch auf der Webseite des Internet Archive kostenlos abrufbar.
Trailer zu "Im Westen nichts Neues"
Überblick 3. Academy Awards
Und nun noch einmal die Kategorie “Outstanding Picture“ mit allen nominierten Filmen der dritten Academy Awards 1931 auf einen Blick:
- "Im Westen nichts Neues" (9/10)
- "Hölle hinter Gittern" (7/10)
- "The Divorcee" (8/10)
- "Disraeli" (5/10)
- "Liebesparade" (7/10)
Ausblick
In unserer nächsten Folge springen wir lediglich ein paar Monate weiter zu den ebenfalls 1931 verliehenen vierten Academy Awards. Dabei klären wir unter anderem wieso so viele Filme aus dieser Zeit leider für immer verloren sind.
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