Aber so einfach ist's nicht.
Zuerst:
Es gibt ein paar vorsichtige Neuerungen. Bespiel: James Bond
surft jetzt auch. Und wenn er diesen Anfangsstunt später
in einer lächerlich überzogenen Szene im schmelzenden
Eis wiederholt, sind wir fast im "XXX"-Gebiet
angelangt. Dazu passt dann der unpassend hüpfelige Titelsong
von Madonna (die auch ein kurzes Cameo hat, "nur"
der Titelsong reicht der Dame wenig überraschend nicht)
und die vorsichtigen Electronica-Anleihen im Soundtrack. Soll
sagen: Hey, wir sind eine Jahrzehnte alte Tradition, aber
noch nicht vertrocknet. Wie auch die hier des öfteren
eingesetzte Wischzeitlupe ihn vortäuscht, den Hauch des
Todes ... äh, des Neuen. Dazu Bond am Anfang wie man
ihn selten gesehen hat. Muss erst ganz böse einstecken,
tritt dann mit Montecristo-Rauschebart auf und will ebensolche
Rache, rennt im Schlafanzug ins Nobelhotel und erinnert dabei
an den Dude aus "The Big Lebowski". Aber kurz darauf,
quasi mit der Feinrasur, ist dann auch schon fast Schluss
mit lustig. Vor allem weil diese oberflächlichen Spielereien
nicht ersetzen können, was man Bond zwischen dem letzten
und diesem Film wieder abnahm:
Gab man den Figuren und hier insbesondere Bond in "Die Welt ist Nicht Genug" vorsichtig aber erfolgreich emotionale Seiten, so wird dies hier wieder zurückgefahren. Bond ist wieder der aalglatte Profi, den der Großteil der Fans so liebt, darüber kann auch das lustige weil unwürdige Aussehen zu Anfang nicht hinwegtäuschen. Und doch ist dies schade, denn Bond war immer am Besten, wenn er zumindest rudimentäre Emotionen zulassen durfte. Schlimmer jedoch Halle Berrys Figur. Hatten wir mit Famke Janssen, Michelle Yeoh und Sophie Marceau in den Bondstreifen der 90er als Zugeständnis an veränderte Geschlechterverhältnisse wenigstens eine starke Frau pro Film, so ist Berry mehr Häschen als Jägerin (und Rosalind Pike als Bonds Kollegin Miranda Frost ist da nur inadäquater Ausgleich). Sie soll zwar eine US-Spitzenagentin darstellen, dies nimmt man ihr aber - Hand aufs Herz - einfach nicht ab. Oder aber die USA haben ein Problem in ihrer National Security Agency. Berry macht hier eine wesentlich mäßigere Figur als sie wohl selbst erhoffte. Muss sich zwar nicht prostituieren und ihre Brüste zeigen wie in "Passwort: Swordfish", aber zu einer guten Frauenrolle hat es eben doch nicht gereicht. John Cleese als Q kriegt immerhin wieder ein paar solide Lacher, der beste bleibt Moneypenny überlassen: Sie kriegt auch endlich Bond, aber ein wenig anders als man denkt. Michael Madsen wird leider sträflich wenig eingesetzt; Toby Stephens gibt immerhin einen passabel schmierigen Bösewicht, der allerdings im Gegensatz zu den charismatischen Verrückten der Vorgängerfilme doch deutlich verblasst.
Die Story? Eigentlich sowieso Banane. Bond trifft Jinx (Berry), mit der zusammen er die Welt rettet vor dem in der Schale des Wohltäters auftretenden Gustav Graves (Stephens) samt dessen etwas verunstalteten Topkiller Zao (Rick Yune). Sie brauchen mehr als diese Angaben? Nein, brauchen Sie nicht. Glauben Sie mir. Wirklich nicht.
Es scheitert an den kleinen Dingen.
Ein Beispiel? Auch das bei Bond obligatorische Vermögen
des Zuschauers, gängige Logikvorstellungen aufzugeben,
wird diesmal bis zum Reißen gespannt, man will sagen:
überspannt. Ohne zuviel verraten zu wollen: Was hier
in Sachen Tarnung an Mensch und Auto (!) vollführt wird,
lässt einen mit ungläubigem Staunen zurück,
nicht immer im positiven Sinne. Ebenfalls, sagen wir mal:
diskussionswürdig, der Versuch, mit witzigen Sprüchen
zu punkten. Diese fallen hier nämlich ausnahmslos einer
nach dem anderen flach auf die Nase. Schlimmer hat nicht mal
Roger Moore gekalauert. Und das will wahrlich etwas heißen.
Es scheitert an den großen Dingen.
Gigantismus war immer Markenzeichen der Serie, aber hier übertreibt
man dann doch maßlos. Größer, schneller,
weiter - und trotzdem Bond as Bond can be. Das war offenbar
die Rechnung - leider geht sie nicht auf. Denn genauso wie
der Vorgänger "Die Welt ist nicht Genug" aufzeigte,
was alles gut ist (oder sein kann) an James Bond, so zeigt
"Stirb an einem Anderen Tag" alles auf, was daran
schlecht ist (oder sein kann) und schon immer war. Wie zum
Beispiel das recht beliebige Zusammenkleben von verschiedenen
set pieces, nach dem klassischen Motto: "Die exotischsten
und schönsten Schauplätze der Welt". Nur sind
wir hier nicht im TUI-Video und ein wenig mehr Sinn hinter
dieser zweifellos klassischen Bond-Ingredienz kann zumindest
nicht schaden. Wichtig ist jedoch, dass der Film nicht aufgrund
solcher fast klassischen Schwächen enttäuscht und
auch nicht aufgrund der vorsichtigen Neuerungen und milden
Innovationen, sondern weil man sich zu sehr mühte, einen
"klassischen" James Bond zu konstruieren, mit allem
was der Fan so mag. Dazu dann das Auftürmen von Konflikten,
freilich wird keiner mehr als angerissen: Politik, Rache,
Verrat in den eigenen Reihen, Vater-Sohn Konfrontation, all
dies will der Film abhandeln. Nichts davon gelingt, bleibt
hängen. Und so haben wir hier ein aufgeblasenes,
aufgeblähtes Etwas; dazu ein wüstes Konglomerat
aus typischen "Bond"-Versatzstücken, die man
bereits viel zu oft gesehen hat. Wie der Kollege in unserer
"Die Welt ist Nicht Genug"-Rezension
damals bemerkte: "Aufbau, Charaktere und Handlung sind
sowieso immer gleich." Manchmal auch gleicher als gleich.
Es scheitert an den gleichen Dingen.
Bond als Rächer auf eigene Faust hatten wir schon in
"Lizenz zum Töten" und das funktionierte auch
dort nicht wirklich; die wandelnde Freakshow als Oberkiller
wurde mit dem Beißer, Odd Job und ähnlichen Figuren
deutlich besser ausgefüllt als hier von Zao (obwohl der
eindeutig den Preis für "hässlichster Killer
ever" einheimst). Dazu dann ein Laser, der gefesselte
Menschen zerschnitzeln soll à la "Goldfinger",
einen mit Diamanten angetriebenen Killersatelliten (beides
von "Diamantenfieber", wobei der Killersatellit
ein so müdes Klischee ist, dass er noch mindestens in
drei anderen Bondstreifen auftaucht), die obligate Festung
in exotischer Umgebung (hier: Eispalast in Island, durchaus
beeindruckend anzuschauen aber trotzdem cheesy wie Edamer),
sowie Luftkissenbootjagden, Fallschirmspringen, Dreiräderrennen
und was man sonst alles schon gesehen hat. Nicht mal die Halle
Berry einführende Referenz an Ur-Bondgirl Ursula Andress
in "Dr. No" will so recht funktionieren, wirkt statt
frisch-ironischem Selbstbezug eher wie ein müdes Erhaschen
von alter Glorie. Freilich wird dieser ganze alte Wein in
recht brauchbare Schläuche gefüllt; alles professionell,
rasant und durchaus ansprechend in Szene gesetzt. Aber von
dem ständigen Deja Vu-Gefühl mal abgesehen, bleibt
das Ganze hier seelen- und leblos, erinnert frappierend an
den enttäuschenden "Tomb Raider" des letzten
Jahres. Reines Technik-Spektakel, freilich in höchster
Professionalität.
Aber manchmal ist auch höchste Professionalität nicht genug. Denn mehr als ein "Best of James Bond"-Potpourri hätte hier schon rausspringen dürfen - und müssen. Viele werden dies nicht so sehen. Werden sich über die Action und die One-Liner freuen, werden nichts vermissen und alles so vorfinden, wie sie es zu lernen geliebt haben und wie sie es zu lieben gelernt haben. Aber auch ein James Bond muss mal erwachsen werden. Auch ein James Bond muss mit ins neue Jahrtausend. Und da reicht das klassische Konstrukt nur, wenn es für mehr steht als nur sich selbst. Sonst bleibt es eine seelenlose Hülle ohne Inhalt. Und das hat selbst Veteran James Bond nicht verdient. Gerade Veteran James Bond.
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