Über wenige Filme ist soviel im Vorfeld geschrieben und diskutiert worden wie über "Operation Walküre", in erster Linie erhitzten sich die Gemüter an der Personalie Tom Cruise als Oberst Stauffenberg (nicht zuletzt entfacht durch die hochnotpeinliche Publicity-Show des Burda-Verlags, als man Tom Cruise einen Ehren-Bambi für den "Mut" verlieh, diese Rolle zu spielen). Von seiner Religionszugehörigkeit bis zum Dreh am Originalschauplatz von Stauffenbergs Hinrichtung in Berlin wurde da jedes Detail mit Bedeutung aufgeladen, so dass der eigentliche Film weit in den Hintergrund geriet. Jetzt läuft der Attentats-Thriller endlich an und so können all die Diskussionen aus der Vorgeschichte endlich ad acta gelegt werden und eine weitere Verfilmung dieser populärsten Heldengeschichte des Dritten Reiches als das unter die Lupe genommen werden, was sie ist: Ein historischer Blockbuster, der um das Gesicht seines Superstars herum arrangiert ist.
Die Geschichte des Films ist relativ schnell zusammengefasst, das unglückliche Ende hinlänglich bekannt. 1944, kurz vor Ende des Krieges, beschließt eine Gruppe hochrangiger Wehrmachtsoffiziere und Politiker, einen Putschversuch gegen Hitler zu unternehmen. Die militärische Führung übernimmt Oberst Stauffenberg, der desillusioniert und verwundet vom Afrikafeldzug zurückgekehrt ist. Der Plan beinhaltet neben einem Bombenattentat auf Hitler die Übernahme Berlins durch das Ersatzheer in der sogenannten "Operation Walküre".
Die Spannung zieht der Film natürlich nicht aus dem ungewissen Ausgang des Attentats, sondern aus der Aussichtslosigkeit des Unterfangens und den daran beteiligten Charakteren. Die Chance dieses Films und auch die von Tom Cruise, sich nachdrücklich als Charakterdarsteller zu präsentieren, wäre es gewesen, die Zerrissenheit und Tiefe der Verschwörer auszuloten. Der Zuschauer erfährt aber leider wenig über die Hauptfiguren, ihre Geschichte und vor allem die Beweggründe für dieses lebensgefährliche Unternehmen. Auch interessante Nebenfiguren wie Stauffenbergs Frau Nina (Clarice van Houten) werden nicht näher verfolgt. Wie vorige Stauffenberg-Filme beschränkt sich auch "Operation Walküre" auf die spannungsgeladenen Aspekte der Geschichte wie den langen Marsch von Stauffenbergs Aktentasche, in der sich die Bombe, die Hitler töten soll, befindet. Und wie immer bietet allein dieser Stoff ein so aufregendes Szenario, dass sich der Zuschauer trotz des bekannten Ausgangs fesseln lässt. Der Film fällt hier nicht weiter ab, pflichtbewusst, routiniert und durchaus wirksam wird das Scheitern des Anschlags und die nervliche Anspannung der Attentäter geschildert.
Bei der latenten Komik, die manche Szenen durchzieht, ist wohl davon auszugehen, dass sie unfreiwillig entstand. Hitler in seinem Berghof, der Schäferhund Blondie den Kopf tätschelt, wird fast in James Bond-Manier zum Oberfiesling stilisiert, Wotan Wilke Möhrings Kurzauftritt als Nazisoldat wird eingeleitet mit dem Ausdrücken einer Zigarette auf einem Moskito, der auf seiner Hand gelandet ist. Auch schwarze Stiefelspitzen beim Ausdrücken von Zigaretten sind ein ebenso offensichtliches wie vermeidbares Klischee-Motiv, das sich durch den Film zieht. Da werden dann doch eher die Erwartungen des amerikanischen Publikums an Nazifiguren bedient und mit manchmal allzu simpler faschistoider Metaphorik aufgeladen.
Hollywoods Begeisterung für den Popanz des Nationalsozialismus kommt dabei nicht nur in den militärischen Szenen zum Ausdruck. Besonders das Schaudern beim Anblick des Hakenkreuzes hat es Regisseur Bryan Singer offensichtlich angetan, wehende rote Flaggenmeere und sogar ein mit einem Hakenkreuz gekachelter Pool, in dem mit Riefenstahlscher Ästhetik ein gestählter Nazi Offizier seine Bahnen zieht, haben effektheischende Sonderauftritte.
Dem Film gelingt es weder, dreidimensionale Charaktere unter den Helden, noch unter den Nazis zu erschaffen. Er bleibt daher kaum mehr als ein sehr solide gemachter Historien-Thriller, der zwar versucht, Hollywood-Kitsch zu umgehen, dann aber doch in allzu nahe liegende Konventionen verfällt und so immer wieder an sich selbst scheitert. Bryan Singer ist ja für seine Superhelden-Filme bekannt, von den "X-Men" bis zu "Superman Returns", der Regisseur und Produzent kennt sich mit der Inszenierung einsamer, überlebensgroßer Helden aus - und zelebriert seine Hauptakteure auch hier ziemlich unreflektiert als reine Verkörperung hehrer Motive. Tom Cruise bleibt ein solcher Held, der unbeugsame Aufrechte, hart zu sich selbst und anderen, dem man zu Genüge in Leinwand füllenden Close-Ups beim Scheitern zusehen kann. Mission Impossible, diesmal im wahrsten Sinne des Wortes.
Der in allen Belangen hochkarätig besetzte Film nutzt auch ansonsten das Potenzial seiner großartigen Schauspieler leider kaum aus, Bill Nighy als General Olbricht kann als unentschlossener Militär und Drahtzieher seine Stärken noch am ehesten ausspielen. Da der Film zu Großteilen in Deutschland gedreht wurde, haben auch diverse hiesige Schauspielgrößen kleine und größere Auftritte, so zum Beispiel Christian Berkel, Wotan Wilke Möhring oder Thomas Kretschmann, auch Matthias Schweighöfer darf als kleines Zahnrädchen im Scheitern der gerechten Sache kurz neben Cruise auftreten, einen echten Gegenspieler für den Superhelden gibt es aber ohnehin nicht.
In der immer wieder aufflackernden Debatte, ob Themen aus dem Nationalsozialismus als reine Unterhaltungsfilme inszeniert werden dürfen, ohne dem geschichtlichen Kontext gerecht zu werden, ist "Operation Walküre" ein klares Argument für die Gegner: Er ist ein typischer Vertreter der hübsch anzusehenden, aber wenig aussagekräftigen Variante von Historienkino; ein Film, der sich viel mehr für seine starken Bilder interessiert als für das, was eigentlich darunter liegt. Ob es nun verwerflich ist, solch einen Film ob der gut zu erzählenden Heldengeschichte zu machen und dabei nicht mit einem einzigen Wort auf den Holocaust einzugehen, ist eine Diskussion für sich, verteufeln sollte man "Operation Walküre" deswegen allerdings nicht - denn soviel Aufmerksamkeit hat er gar nicht verdient. Viel Lärm um nichts im Vorfeld, am Ende steht ein gut gemachter, aber politisch und historisch komplett nichtssagender Thriller, mit einem überernsten Tom Cruise, der seinen Hang zum Pathos mal wieder nicht im Zaum halten kann. Je nach Gusto mag man das oder eben auch nicht. Besonders neu oder besonders sehenswert ist es jedenfalls nicht.
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