Don't Look Up

Land
Jahr
2021
Laufzeit
138 min
Genre
Regie
Release Date
Streaming
Bewertung
5
5/10
von Matthias Kastl / 28. Dezember 2021

Was ist denn hier bitte schiefgelaufen? Angesichts der beeindruckenden Starbesetzung hatte man die berechtige Hoffnung, dass Netflix uns zum Ende des Jahres noch ein ganz besonderes Geschenk unter den Weihnachtsbaum legen würde. Doch die Weltuntergangs-Satire „Don't Look Up“ bietet trotz großer Namen leider nicht nur eine viel zu oberflächliche Gesellschaftskritik. Dank einiger dramaturgischer Fehlentscheidungen und einem Übermaß an irritierend wirkenden Protagonisten fehlt dem Film schlicht die Leichtigkeit und vor allem auch der Humor, den dieses surreale Szenario so dringend gebraucht hätte.

Völlig humorfrei ist auch die Entdeckung, die Astronomie-Studentin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence, „Die Tribute von Panem“, „Silver Linings“) zusammen mit ihrem Professor Dr. Randall Mindy (Leonardo DiCaprio, „Inception“, „Aviator“) gelingt. Ein Komet rast auf die Erde zu und wird diese in einem halben Jahr dem Erdboden gleichmachen. Durchaus nachvollziehbar, dass die zwei nun natürlich die Menschheit warnen wollen. Doch bei der selbstverliebten US-Präsidentin (Meryl Streep, „Die Verlegerin“, “Mamma mia“) und ihrem Stabschef und Sohn Jason (Jonah Hill, „21 Jump Street“, “Die Kunst zu gewinnen – Moneyball“) treffen die Wissenschaftler erst mal auf taube Ohren.

Auch ein Besuch bei der beliebten TV-Talk-Show von Brie Evantee (Cate Blanchett, „Carol“, „The Good German“) schlägt nicht die gewünschten Wellen, da die Menschheit anscheinend die Eheprobleme der Sängerin Riley Bina (Ariana Grande) für deutlich wichtiger hält. Aber vielleicht braucht es für so eine Mammutaufgabe ja einfach auch echte Visionäre, wie den berühmten Unternehmer und Technologie-Papst Peter Isherwell (Mark Rylance, „Dunkirk“, „Ready Player One“). Irgendjemand wird diesen Planeten ja schon retten wollen. Oder etwa nicht?

 

Die wohl witzigste Szene in „Don't Look Up“ ist eigentlich gar keine richtige Szene. Niemand aus dem namhaften Schauspielensemble ist hierbei beteiligt, stattdessen handelt es sich um die simple Texteinblendung eines Zitates. Es ist eigentlich das einzige Mal, dass der Film Witz und Biss zu einer perfekten Symbiose vereint. Umso tragischer, dass dieser Moment bereits schon nach fünf Minuten erfolgt und „Don't Look Up“ diese humorvolle Höhe danach nie wieder erreicht. Stattdessen erwartet das Publikum eine Satire, die viel zu verkrampft und unlustig daherkommt und spürbar damit überfordert ist, bei ihrer Gesellschaftskritik mehr als nur oberflächliche Nadelstiche zu setzen.

Dabei hat Regisseur und Autor Adam McKay („The Big Short“, „Vice – Der zweite Mann“) eigentlich ja unter Beweis gestellt, dass er Satire gut kann. Und eigentlich ist sein Hauptziel auch hier wieder ein nobles, nämlich mit Hilfe dieses Genres der aus vielen Ecken unter Beschuss geratenen Wissenschaft zur Hilfe zu eilen. Kein Wunder, dass die politisch ja sehr stark linksorientierte Hollywood-Prominenz sich hierfür vor der Kamera zahlreich engagieren möchte. Doch eine gelungene Satire braucht eben mehr als nur eine löbliche Botschaft und ein paar motivierte Hollywood-Stars. Sie braucht vor allem auch den richtigen Biss und die richtigen Ansatzpunkte, und genau da gehen die Probleme mit „Don't Look Up“ los.  

 

Nehmen wir die Rolle von Oscar-Sammlerin Meryl Streep. Welchen kürzlich abgewählten US-Präsidenten sie karikieren soll wird nicht erst dadurch deutlich, dass die Präsidentin ihren eigenen inkompetenten Sohn als Stabschef installiert hat. Doch ist Trump wirklich eine gute Vorlage für eine Satire? Satire lebt von Überhöhung und Zuspitzung und irgendwie ist es ja sinnlos sich hier jemanden auszusuchen, der das ja schon im echten Leben perfektioniert hat. So ist Streep im Wesentlichen nur ein weiblicher Abklatsch von Trump und der Film überfordert damit, dieser Figur irgendetwas Neues oder Überraschendes hinzuzufügen.

Ein ähnliches Schicksal ereilt auch die von Cate Blanchett gespielte Moderatorin der Morning-Show. Mit Hilfe dieses Strangs versucht das Drehbuch einen Rundumschlag gegen die Oberflächlichkeit von Social Media durchzuführen. Doch auch hier ist der Film überfordert damit, irgendeine neue Erkenntnis oder echten Biss zu entwickeln. Es ist eben schwierig die Auswüchse von Social Media satirisch überhöhen zu wollen, wenn die Realität das ja bereits schon selbst übernommen hat. Auch hier hat der Film keine Idee, wie er mehr als nur die simple Botschaft „Social Media ist ja voll oberflächlich“ transportieren kann. Und das hat man nun ja ehrlich gesagt auch schon irgendwie vorher gewusst.

 

Diese fehlende Tiefe wäre ja noch halbwegs zu verzeihen, wenn man uns wenigstens ein paar ordentliche Gags servieren würde. Aber auch die sind Mangelware und selbst wenn dann mal einer um die Ecke kommt, ist einem auch nur begrenzt zum Lachen zumute. Das liegt an den Figuren, die fast durch die Bank weg einfach irritierend wirken. Hier ist eigentlich jeder gefühlt irgendwie unangenehm und creepy, was bei einer Satire nur auf den ersten Blick nach einer guten Idee klingt. Weil irgendwann braucht man ja dann doch mal eine kleine Pause von dem Wahnsinn oder zumindest eine Figur, bei der man sich emotional auch mal einhaken kann. Stattdessen präsentiert man uns hier aber immer wieder neue überzogene Nebenfiguren, die meist einfach so gar nichts Interessantes zu bieten haben und auf irritierende Weise einfach unsympathisch wirken.

Für sich genommen mag so eine Figur ja funktionieren, wie zum Beispiel der mit Menschen und sozialem Verhalten komplett überforderte Tech-Mogul Peter Isherwell (für den sich Mark Rylance deutlich an Steve Jobs orientiert hat). Aber wenn man halt nur so Typen vorgesetzt bekommt, dann vergeht einem irgendwann die Lust beim Zuschauen. Am schlimmsten trifft es hier Timothée Chalamet („Dune“, „Lady Bird“), dessen Auftritt im letzten Drittel wirklich keinerlei Sinn ergibt und der als alternativ angehauchter Jugendlicher mit Hang zum Religiösen mehr als befremdlich rüberkommt.

 

Keine Frage, bei diesem Kuriositätenkabinett und angesichts der surrealen Ausgangslage (kaum einer scheint hier das Ende der Welt so richtig ernst zu nehmen) bräuchte man einen starken „normaleren“ Gegenpart. Das wäre eigentlich die Aufgabe unserer beiden Hauptfiguren, doch auch die bieten nicht gerade eine viel angenehmere Gesellschaft. Gerade der Charakter von DiCaprio wird im Laufe des Films immer unnahbarer, auch weil das Drehbuch mit ihm mal eben noch schnell das Thema Medikamentenmissbrauch abfrühstücken möchte. Und Jennifer Lawrence ist den ganzen Film eigentlich nur schlecht gelaunt und konstant mit Wutausbrüchen beschäftigt. Angesichts der Lage ja durchaus nachvollziehbar, aber so wird dem Film eben auch die letzte Chance auf ein bisschen dringend benötigte Leichtigkeit geraubt.

Trotzdem muss man fairerweise sagen, dass diese Cast natürlich immer noch viel zu gut dafür ist, um den Karren komplett an die Wand fahren zu lassen. Auch wenn hier gefühlt nur wenig zueinander passt, so richtig schlecht ist der Film dank des Ensembles vor der Kamera dann auch nie. Man merkt schon, dass sich hier alle wirklich Mühe geben. Und immer wieder gibt es kleinere Szenen, die dank des starken Ensembles durchaus nett anzuschauen sind. Wenn Streep, DiCaprio und Lawrence im Oval Office sitzen, dann knistert es dank dem intensiven Spiel zwischen den Figuren schon ein wenig. Und natürlich stand auch ordentlich Budget für nette Schauwerte zur Verfügung und auch die Inszenierung ist durchaus schwungvoll. Aber all die Mühe versandet angesichts der angesprochenen Schwächen am Ende dann eben doch in der Durchschnittlichkeit.

Und so ist „Don't Look Up“, gerade angesichts des eindrucksvollen Ensembles, einfach eine ziemliche Enttäuschung geworden. Richtig gute Satire schafft es ja, ihr Publikum sowohl zum Lachen als auch zum Nachdenken zu bringen. Doch außer seinen Stars und einer aufwendigen Inszenierung hat dieser Film leider kaum etwas zu bieten. Abgesehen natürlich von dem eingangs erwähnten Zitat. Um zum Jahresabschluss nun zumindest mit einer etwas fröhlicheren Note zu enden und um unseren Lesern die Entscheidung, „Don't Look Up“ zu ignorieren, noch leichter zu machen, gibt es den einzig guten Gag des Films darum nun kostenlos zur Verfügung gestellt. Mit besten Wünschen für 2022.

„I want to die peacefully in my sleep like my grandfather – not screaming in terror like his passengers.“ - Jack Handey

 

Bilder: Copyright

7
7/10

Ich bin durch Zufall über den Film gestolpert und hatte aufgrund der kurzen Zusammenfassung eher mit einem Science-Fiction- oder Katastrophennfilm gerechnet. Insofern war ich positiv überrascht, dass das Thema dann doch eher anders angegangen wurde (nämlich: "Was interessieren uns die Probleme von morgen?").
Ich kann manche Kritikpunkte verstehen (z.B. ist die Figur von Timothée Chalamet eher unnötig), aber wenn man überlegt, wie andere bedrohliche Szenarien unserer Zeit behandelt werden, passt der Film doch ganz gut.

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7
7/10

Nein, er kommt nicht an Big Short ran. Auch nicht an Vice. Trotzdem bleibt es für mich ein gelungener Film. Der Film ist vollgestopft mit Gesellschaftskritik. Der Humor ist teilweise in Nebensätzen und Kleinigkeiten zu finden. Verstehe die Kritik des Autors hier deshalb leider nicht ganz.

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5
5/10

Wieder einmal eine aus meiner Sicht komplett zutreffende Kritik der Filmszene. Nahezu identische Empfindungen meinerseits was „Don’t Look Up” anbelangt. Irgendwie war das nix. Sehr unausgegoren und auch handwerklich über weite Strecken ziemlich schlurig umgesetzt das Ganze. Was hätte man da aus der ein oder anderen Szene machen können? Etwa, wenn sich das Team von „Black Mirror” oder „Years And Years” um die Umsetzung gekümmert hätte. Besonders unangenehm ist mir auch der Einsatz der Musik bei diesem Film aufgefallen. Hörte sich für mich an, als wäre die für irgendeinen anderen Film geschrieben und versehentlich bei „Don’t Look Up” draufgelegt worden. Zu Mark Rylance als Tech-Mogul Peter Isherwel: für viele deutschsprachige Zuschauer (die den Film als OV oder OmU geschaut haben) schien er sich wohl weniger an Steve Jobs orientiert zu haben als vielmehr an dem Comedian Florian König ;-)

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1
1/10

Hätte ich nicht besser schreiben können. Hab den Film nicht Mal bis zum Ende sehen wollen. Ist verlorene Lebenszeit

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7
7/10

Fand den Film jetzt nicht sooo schlecht, kann man sich mal geben. Glaube auch nicht dass er als reine Satire gedacht war, nicht im Sinne dass er auf Lacher aus war. Die einzige Stelle bei der ich schmunzeln musste war, als Jonnah Hill Jennifer Lawrence als „Lisbeth Salander“ bezeichnet hatte.

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4
4/10

Ja, danke für die Kritik und volle Zustimmung. Eine Satire sollte geistvoll und scharfsinnig sein und nicht derart platt und albern. Natürlich sind die Schauspieler allesamt klasse. Und Ironie, Überspitzung und einige Lacher sind vorhanden. Aber die Realität ist seit Jahren viel grotesker und dramatischer und so kann der Film kaum Neues zeigen, kommt tatsächlich recht altbacken und lahm daher und kann auch wenig berühren oder mitreißen. Dazu ist der Film viel zu lang, 90 Minuten hätten es definitiv auch getan.

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