Achtung, hier kommt sie: Die beste deutsche Komödie des Jahres. Gut, dass mag dann vielleicht doch diskutabel sein, aber es war jetzt einfach erst einmal notwendig die Aufmerksamkeit der verehrten Leserschaft zu gewinnen. Denn da leider weder das klamottige Plakatmotiv, noch der derbe Titel darauf hindeuten, dass es sich bei „Fack ju, Göhte“ um einen irgendwie überdurchschnittlichen Film handeln könnte, ist es in diesem Fall angebracht den ersten Eindruck gleich mal mit einer klaren Ansage zu kontern: Denn dies ist in der Tat ein herrlich frecher und extrem witziger Filmspaß.
Zeki Müller (Elyas M’Barek) hat soeben seine Strafe wegen Bankraub abgesessen und denkt gar nicht daran, jetzt vielleicht zur Abwechslung mal auf ehrliche Art und Weise sein Geld zu verdienen. Vielmehr möchte er sich endlich die Beute vom letzten Coup holen, doch dummerweise hat seine nicht besonders helle Freundin Charlie (Jana Pallaske) diese genau dort vergraben, wo jetzt eine Schulsporthalle steht. Konnte sie ja nicht wissen, schließlich war da doch vor kurzem noch eine Baustelle. Zeki bleibt also nichts anderes übrig als sich in die Schule einzuschleichen, um von innen an das Geld ranzukommen. Statt des erhofften Hausmeisterjobs engagiert ihn die gestresste Rektorin (Katja Riemann) aber kurzerhand als Aushilfslehrer für Sport und Deutsch. Zumindest Letzteres ist keinesfalls Zekis Stärke, doch der passt sich der neuen Situation an und solange ihn die eh desinteressierte Schülerbande in Ruhe im Unterricht DVDs schauen lässt, soll es ihm recht sein. Als wirklich lästig erweist sich nur die idealistische und hochmotivierte Kollegin Lisi Schnabelstedt (Karoline Herfurth), die ihm andererseits in organisatorischen Dingen durchaus nützlich ist. Zum Erstaunen aller bekommt Zeki jedoch mit seinen unkonventionellen Methoden selbst die größte Problemklasse in den Griff und findet langsam Gefallen am neuen Job. Was ihn allerdings nicht davon abhält, des Nachts weiter seinen Tunnel zu graben.
Keine Frage, die Ausgangsituation ist nicht gerade realistisch konstruiert und die Idee auch nicht komplett neu, denn in einem ähnlichen Umfeld haben wir erst vor kurzem eine Hollywood-Variante mit Cameron Diaz erlebt. Die war dann ja auch ganz nett, aber „Fack ju, Göhte“ ist doch von anderem Kaliber, obwohl es oberflächlich betrachtet noch weitere Punkte gibt, die den Kritiker normalerweise den Stift zücken und Abzüge in der B-Note verteilen lassen. Denn da werden zunächst fleißig Klischees bedient, seien es bei der hilflosen und teils weltfremden Lehrerschaft oder noch stärker bei den unwilligen Schülern der Kategorie prolliger Störenfried bzw. aufgebrezelte Tussi.
Doch was Regisseur und Drehbuchautor Bora Dagtekin aus diesen Vorgaben macht ist absolut bemerkenswert. Der Mann, der sich seine Sporen mit der TV-Serie „Türkisch für Anfänger“ verdiente, zieht hier alle Register in seinem offensichtlichen Lieblingsspielfeld der multikulturellen deutschen Befindlichkeiten. Was beim „Türkisch“-Kinofilm noch nicht hundertprozentig überzeugte, da dieser unter anderem in zu viele unnötige Nebenstränge zerfaserte und gerade das mit den Klischees nicht so richtig hin bekam, gelingt nun eine ganze Klasse besser. Dagtekin spielt seine Stärke der schnellen und witzigen Dialoge aus, verzahnt seine unterschiedlichen Figuren hervorragend miteinander und meistert vor allem die schwierige Aufgabe, aus diesen dann letztlich doch keine Karikaturen werden zu lassen. Zwar ist die „moralische“ Wandlung der Hauptfigur unerlässlich, doch gelingt diese selten so locker und quasi im Vorbeigehen wie in diesem Fall, wobei auch sämtliche weiteren Charaktere am Ende etwas „gelernt“ haben, dass nicht allzu aufgesetzt wirkt. Denn wenn Zeki die dusselige Chantal geschickt in die Richtung steuert, sich doch viel besser zu fühlen wenn sie anderen hilft und mit den Nerds forschen geht, dann löst er das fast so genial wie mit dem „Schulausflug“ zu realen Arbeitslosen, Fixern oder Neonazis, die seiner Klasse eher unfreiwillig, aber dafür sehr anschaulich vor Augen führen wohin sie eine falsche Einstellung zwangsläufig führen wird („Wer wollte hier nochmal Drogendealer werden?“).
Das ist dann genauso wenig politisch korrekt wie viele andere Sprüche in diesem Film, der dabei gelegentlich sogar so weit geht, dass einem das Lachen eigentlich schon im Halse stecken bleiben oder man empört mit der „Rassismus“-Karte wedeln könnte, würden die Unverschämtheiten nicht so derart locker und selbstverständlich aus der Hüfte kommen, dass man sich schnell wehrlos ergibt. Zumal dabei keine Fraktion, keine ethnische Minderheit und kein Geschlecht geschont wird. Wenn eine Schülerin weint, mahnt Pädgoge Zeki „Heul leise“, wenn es auf Reisen geht hoffen die Schüler „Bitte nicht schon wieder KZ!“, und wenn ein Nerd eingesperrt von Innen an der Scheibe des Süßigkeitenautomaten klebt, ist das noch lange kein Grund sich von ihm keinen Schokoriegel reichen zu lassen. Der Einfallsreichtum ist immens, das Tempo imposant und die Spielfreude aller Beteiligten jederzeit spürbar. Dass das auch und insbesondere für Katja Riemann als genauso getriebene wie pragmatische Rektorin gilt und selbst eine Uschi Glass noch irgendwie gut mit reinpasst, sollte dafür fast schon Beweis genug sein. Meistens lacht man jedenfalls nicht über die Figuren sondern mit ihnen und ein wenig Systemkritik scheint dabei auch noch durch, doch der Holzhammer bleibt erfreulicherweise im Schrank.
Gut, phasenweise ist der Humor dann auch mal ziemlich platt und die Sprache etwas überzogen derb, doch selbst wenn nicht absolut jeder Gag sitzt, fällt das bei dieser Frequenz kaum ins Gewicht. So viel Spaß und Gelächter war jedenfalls in Pressevorführungen selten, bei der sich „Fack ju, Göhte“ als echte, eher unerwartete Frischzellenkur für ein gerne mal eher muffeliges Publikum erwies. Dem Rest dürfte es kaum anders gehen und am Ende haben wir sie dann vielleicht ja doch gesehen – die beste deutsche Komödie des Jahres.
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