Trotz der immens erfolgreichen „Dark Knight“-Filme eines Christopher Nolan läuft es nach wie vor nicht so richtig rund in Sachen Kino-Adaptionen der DC-Comic-Superhelden. Obwohl man doch mit den Warner Studios einen der mächtigsten Produzenten quasi im eigenen Hause hat, hechelt man den mittlerweile praktisch im Halbjahresrhythmus aufschlagenden Filmen des Erzkonkurrenten Marvel deutlich hinterher. Eine „Green Lantern“-Fortsetzung ist mehr als ungewiss, von einer schlagkräftigen Franchise wie den „Avengers“ ist man weit entfernt und auch das potentielle Flaggschiff „Superman“ erweist sich seit längerem als eine Art Problembär. Der Urvater aller Comichelden mit Superkräften gilt bei vielen als etwas langweilig und aus der Mode gekommen, zu mächtig seine Kräfte, zu glatt und uninteressant seine Persönlichkeit. Der letzte Versuch einer Neuinterpretation namens „Superman returns“ ist erst wenige Jahre her, konnte aber auch deshalb bei Kritik und Publikum nicht so richtig punkten, weil er sich letztlich nur wenig vom Stil der Verfilmungen aus den 70er und 80er Jahren entfernte und kaum neue Reize setzte.
Deshalb folgt nun also mit „Man of Steel“ die Radikalkur, eine Art „letzter Schuss“, der sitzen muss. Zu diesem Zweck hat man dann sogar zwei Künstler zusammengeführt, deren Herangehensweise unterschiedlicher kaum sein könnte. Hier der Bilderzauberer Zack Snyder, der gerne vorgegebene Geschichten adaptiert um sich vor allem visuell an ihnen auszutoben (in den Fällen „300“ und „Watchmen“ auch durchaus mit Erfolg), dort der erklärte Geschichtenerzähler Christopher Nolan, für den ein möglichst realistischer und wirklichkeitsnaher Stil über alles geht. Nolan fungiert hier erstmalig nur als Autor und Produzent, bei der Story assistierte ihm noch der bewährte David S. Goyer und das Gesamtergebnis ist durchaus bemerkenswert.
An der vertrauten Grundkonstellation wird dabei rein formell kaum gerüttelt: Wieder beginnt alles mit der bevorstehenden Zerstörung des Planeten Krypton, wo der vorausschauende Jor-El (Russell Crowe) sein neugeborenes Baby mittels einer Rakete zur Erde und damit in Sicherheit bringen will. Auch der Konflikt mit dem radikalen General Zod (Michael Shannon) sowie dessen Verbannung in die Phantomzone dürfte den Comic-Kennern bekannt sein, allerdings gibt Jor-El seinem Sprössling hier einen genetischen Code mit auf den Weg, der das Fortbestehen der kryptonischen Rasse sichern soll und welcher der Hauptgrund dafür ist, dass sich Zod später auf die Suche nach Kal-El (Henry Cavill) machen wird. Auf der Erde angekommen wird der nun Clark getaufte Junge jedoch von dem Ehepaar Kent (Kevin Costner und Diane Lane) großgezogen und vor allem sein Vater beharrt darauf, dass es sicherer sei wenn Clark seine unter der irdischen Sonne auftretenden besonderen Kräfte besser nicht einsetzt. Der Mann vom fernen Planeten fügt sich schließlich diesem Wunsch und bemüht sich auch bei gelegentlichen Rettungseinsätzen unerkannt zu bleiben. Doch als schließlich Zod auf der Erde auftaucht und die Auslieferung von Kal-El fordert, muss dieser eine endgültige Entscheidung treffen.
Abgesehen davon, dass Clark Kent seine Lois Lane (gespielt von Amy Adams) hier nicht als angehender Reporter kennenlernt, bleibt die klassische Origin-Story des „Superman“ also intakt. Die Nennung dieses bekannten, heutzutage aber vielleicht etwas albern klingenden Helden-Namens nicht nur im Filmtitel sondern auch sonst möglichst lange zu vermeiden, entwickelt sich zu einem Running Gag des Films und damit zu etwas Besonderem. Denn der Humor, der bisher doch immer ein fester Bestandteil der „Superman“-Filme war, spielt hier ansonsten so gut wie keine Rolle, von der Leichtigkeit früherer Adaptionen ist nichts mehr zu spüren. Clark/Kal-El trägt schwer an seinem Schicksal und verspürt nur wenig Lust als strahlender, bunt kostümierter Held durch die Häuserschluchten zu eilen. Dementsprechend ist das Kostüm, das er schließlich trotzdem anlegt, dann auch nicht farbenfroh sondern eher matt, und so entpuppt sich „Grau“ als die bestimmende Farbe des gesamten Films.
Nicht nur wenn die Handlung im arktischen Eis spielt wirkt die Umgebung äußerst kühl, auch sonst fängt die dynamische Kamera eine sehr raue und ungemütliche Umgebung ein, in der selbst die aparte Amy Adams als Lois Lane blass und spröde wirkt. Dies allerdings nur äußerlich, denn Adams verleiht ihrer Figur deutlich mehr Power und Eigenständigkeit als es ihren Vorgängerinnen gestattet war. Auch wenn ihre plötzliche große Bedeutung für die Invasoren von Krypton storytechnisch etwas konstruiert wirkt. Doch selbst die erste intensive Begegnung zwischen Lois und Clark verläuft wenig romantisch, für irgendwelches Liebesgeplänkel ist wenig Raum vorhanden.
Henry Cavill, dem Publikum am ehesten aus dem Fantasy-Film „Immortals – Krieg der Götter“ bekannt, ist ebenfalls ein großer Schritt weg vom klassischen Stil eines Christopher Reeve, verkörpert den mit sich hadernden, oft aber auch aggressiven und wütenden Mann jedoch äußerst wirkungsvoll und überzeugend. Michael Shannon ist ein solider Bösewicht, aber auch nicht mehr und die Auftritte von Kevin Costner und Diane Lane sind dann erfreulicherweise doch nicht so kurz wie es zunächst scheint. Denn die Kindheit und Jugend des Clark Kent wird diesmal nicht chronologisch sondern in Rückblenden erzählt, was auch sehr gut funktioniert, wenn der sich in bestimmten Situationen an prägende Momente der Vergangenheit erinnert. Die Szene in der sich Clark für oder gegen die Rettung seines Adoptiv-Vaters entscheiden muss, ist dann emotional gesehen vielleicht sogar die bewegendste des gesamten Films. Und wer hat eigentlich behauptet, dass Superhelden niemals bewusst jemanden töten? Auch von solch edlen, aber offensichtlich nicht mehr zeitgemäßen Idealen gilt es sich nun zu verabschieden.
Der betont raue Look ist sicherlich Geschmackssache, passt aber grundsätzlich zur ernsthaften Herangehensweise an die Geschichte. Was die rein technische Umsetzung betrifft gibt es ansonsten aber nichts zu meckern, sondern vielmehr Einiges zu bestaunen. Das beginnt bei einem so noch nicht gesehenen Planeten Krypton, der hier von riesigen Vögeln und saurierartigen Wesen bevölkert wird. Hier und auch in den gewaltigen Actiongewittern der zweiten Filmhälfte bekommt Zack Snyder die Möglichkeit sich visuell so richtig auszutoben, die Flugszenen und Prügeleien spielen sich hier in einem geradezu wahnwitzigen Tempo ab. Das alles in ordentlichem, aber auch in diesem Falle eigentlich nicht zwingend notwendigem 3D - da hatte der erklärte Gegner dieses Gimmicks Nolan dann wohl nicht mitzureden.
Auch wenn das Ganze zum Ende hin in einer der mittlerweile üblichen Materialschlachten ausartet und dabei vielleicht etwas zuviel des Guten ist, so muss man doch konstatieren, dass diese Kombination aus der Arbeit eines bildgewaltigen Regisseurs und eines sehr geerdeten Erzählers doch insgesamt gut funktioniert. Unser guter alter „Superman“ als düster-schwermütige und wenig fröhliche Angelegenheit? Doch, das kann man so machen. Und musste man vielleicht sogar genau so angehen, um dieser mittlerweile rund 75 Jahre alten Figur wieder eine neue Relevanz zu geben.
Neuen Kommentar hinzufügen