Dass im neuen Film von Roland Emmerich mal wieder Amerika im Allgemeinen und das Weiße Haus im Speziellen bedroht wird, ist wenig überraschend. Schließlich wurde es schon in „Independence Day“ und „2012“ ziemlich übel hergerichtet. Auch, dass der Patriotismus für seine Wahlheimat mit dicken Pinselstrichen aufgetragen wird, überrascht sicherlich niemanden mehr. Allerdings: Waren es früher noch Außerirdische, Monster oder die Apokalypse, die den USA in Roland Emmerichs Filmen zu schaffen machten, befasst sich der Regisseur in seinem neuen Film mit seriöseren Bedrohungen in Form von politischen Intrigen und Terroristen.
John Cale (Channing Tatum) ist hoch dekoriert aus dem Afghanistan-Krieg wiedergekommen, jedoch hilft ihm das weder bei der Jobsuche noch beim Buhlen um die Gunst seiner Tochter Emily (Joey King). Die straft ihren Vater mit Liebesentzug, da er in ihrem Leben bisher hauptsächlich durch Abwesenheit geglänzt hat. Um sich der politikbegeisterten Emily wieder zu nähern bewirbt sich John beim Secret Service, denn was könnte ihn beliebter machen als das Idol seiner Tochter, Präsident James Sawyer (Jamie Foxx), zu bewachen? Auch dieses Vorstellungsgespräch läuft schlecht, doch zumindest kann John Emily mit auf eine Tour durchs Weiße Haus nehmen. Nicht ahnend, dass damit quasi das längste Bewerbungsgespräch seines Lebens beginnt, bei dem er wirklich beweisen muss, wie sehr er das Zeug dazu hat, den Präsidenten zu beschützen.
„Schuster, bleib bei deinen Leisten“ ist ein Motto, das Roland Emmerich sich eventuell über den Schreibtisch hängen sollte (Billy Wilder beispielsweise war mit „How would Lubitsch do it?“ ziemlich gut beraten). „White House Down“ zeigt seine Ambitionen, auch mal einen anspruchsvollen Politthriller zu machen – am Ende kommt aber doch nur ein typischer Popcorn-Action-Film Marke Emmerich dabei heraus, mit einer unnötig wendungsreichen Handlung, die eher stört. Man könnte auch einfach nur 131 Minuten berühmte Gebäude zerstören und alle Special-Effects-Fans wären glücklich. Obwohl die Actionszenen meist so absurd sind, dass sie ungewollt wie eine Parodie wirken. Zwischendurch beweist Emmerich immerhin Humor: Als Passanten zusehen, wie etwas am Weißen Haus in die Luft fliegt, sagt einer zum anderen, „wie bei Independence Day!“.
Leider ist das Zurückgreifen auf Altbewährtes aber auch die größte Schwäche des Films: Bei aller Unterhaltung hat man nie wirklich das Gefühl, etwas Originelles zu sehen, und das gilt nicht nur für diejenigen, die vor einigen Monaten bereits „Olympus has fallen“, Antoine Fuquas Film mit fast identischem Plot gesehen haben. Auch die Geschichte vom schlechten Vater, der erst um die Beziehung zu seinem Kind kämpfen muss und dann nebenbei noch Amerika rettet, ist wenig originell (siehe „The Day after Tomorrow“). Ein Blick aufs Plakat und man fühlt sich an „Stirb langsam“ erinnert, ein Bösewicht hört mit Vorliebe Beethoven wie in „Léon – der Profi“ oder ach ja, „Stirb langsam“, und „White House Down“ klingt auch nicht nur zufällig wie „Black Hawk Down“.
Und was wäre ein Film über die Verdorbenheit der Politik ohne einen vor Pathos nur so triefenden Hinweis auf den Idealismus, der einst die amerikanische Politik prägte? So lässt sich Präsident Sawyer (Ähnlichkeiten mit dem amtierenden Präsidenten der USA nicht ganz zufällig) regelmäßig um das Lincoln Memorial herumfliegen, um seinem gelangweilten Stab mitzuteilen, dass Lincoln sich nicht nur für die Freiheit der Sklaven, sondern auch für das Wahlrecht der Frauen eingesetzt habe. Hier klingt wohl ein wenig die Hoffnung Emmerichs durch, dass durch Präsident Obama der Idealismus in die amerikanische Politik zurückkommen möge. Das ist zwar schön, übersteigt den intellektuellen Anspruch des Films dann aber doch etwas.
Wie viel Ansehen (und Budget) Roland Emmerich in Hollywood genießt, lässt sich unschwer an der Liste der hochkarätigen Schauspieler erkennen, die in „White House Down“ mitwirken. Zum Glück, denn ohne Jamie Foxx, der es versteht, dem Buddy-Gespann Sawyer und Cale eine gehörige Portion Humor und Ironie einzuhauchen, wäre Channing Tatum geradezu aufgeschmissen. Leider sind James Woods, Richard Jenkins und Maggie Gyllenhaal mit viel zu kleinen Rollen bedacht worden, als dass sie viel ausrichten könnten. Was dem Film fehlt, ist außerdem ein echter Antagonist - Drehbuchautor Vanderbilt fährt gleich eine ganze Armee von Bösewichten auf, die als Folge alle nur wenig Leinwandzeit haben und nicht wirklich Farbe bekommen. Es sei jedoch positiv vermerkt, dass die Terroristen endlich einmal keine Klischee-Muslime sind, sondern weiße US-Amerikaner, die eher an Anders Breivik oder Batmans Gegner Bane (ohne Maske) erinnern. Erfrischend ist auch das jüngste Cast-Mitglied Joey King, die im Stile von Natalie Portman in „León“ ein schlaues und mutiges Mädchen spielen darf.
Trotz Emmerichs Bemühungen, seine bewährte „Familiendrama mit Welt retten“-Formel durch Elemente eines Politthrillers aufzuwerten, bleibt „White House Down“ ein typischer Actionfilm wie man ihn schon unzählige Male besser gesehen hat. Wer Emmerich und/oder Actionfilme mag, wird sicher auf seine Kosten kommen, der Film ist durchaus unterhaltsam. Wer aber am Plot interessiert ist möge sich stattdessen „Olympus has fallen“ ansehen, der bei weitaus weniger Budget die weitaus besseren Kritiken bekommen hat.
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