
Man befürchtete ja das Schlimmste. Am Anfang stand sie schon, übermächtig und bedrohlich, die Frage: Wer braucht so etwas, einen erneuten Dracula-Aufguss? Und dann sieht man sich gleich so klischeehaft bestätigt. Wes Cravens Involvierung? Der Produzent gibt wieder nur seinen gerade mal guten Namen her, das hat er schon öfter gemacht und das ging auch genau so oft in die Hose. Regisseur Lussier war vorher Cravens Cutter erfährt man. Aha. Sollte immerhin der sequenzielle Aufbau funktionieren. Die Darsteller: Oha, Johnny Lee Miller. Eigentlich ein sympathischer Bursche, aber seit "Trainspotting" relativ glücklos. Schon tragisch, wenn die größte Errungenschaft ist, Angelina Jolie abserviert zu haben, bevor sie ganz ganz heiß war. Naja, weiter im Text. Hmm, immerhin gibt's Christopher Plummer, Charaktermime und inzwischen uralt. Sieht auch so aus, aber halt, das passt hier ja vortrefflich zur Rolle. Und sonst? Semibekannte Jungschauspieler und - na klar - unser aller Lieblingsborg Seven-of-Nine, pardon, Jeri Ryan natürlich, darf auch hier wieder ihre Qualitäten knapp unterhalb der Stimmbänder zur Schau stellen. Boobs sell. Hat ja auch nie jemand bezweifelt. Die musikalische Untermalung? Wuarg, schlimmster Schweinerock und hohlstes Hardrockgeknüppel Marke Spandexhosen. Also auch hier keine Überraschungen. Das kann ja heiter werden. Na denn mal los mit der Beißerei...
den Fürst der Dunkelheit. |
Die Geschichte? Zwischen klassizistisch und modern, dabei in konstanter Schräglage aber erstaunlich tragfähig: Ins hochsicherheitsgeschützte Anwesen des Londoner Antiquitätenhändlers Van Helsing (Plummer) brechen eine Bande junger Diebe unter Mithilfe von Van Helsings heißer Assistentin Solina (Jennifer Esposito) ein und finden - nein, kein Geld und Gold, sondern bloß einen silbernen Sarg. Da solche Diebe erwartungsgemäß erstens gierig und zweitens geistig eher minderbemittelt sind, kommt natürlich keiner von denen auf die Idee, daß die Sicherheitssysteme und Fallen im Anwesen vielleicht nicht so sehr dafür da waren, jemanden rein zu lassen, sondern vor allem, jemanden nicht raus zu lassen. Also wird der Sarg geknackt und schon ist Dracula entfleucht, er plus seine kleine Armada aus Untoten machen sich's in New Orleans gemütlich. Gerüchteweise mögen ja auch Vampire "Mardi Gras". Da fällt man unter alkoholisierten Touristen nämlich auch als blasser Blutsauger kaum auf. Von den
Möglichkeiten sexwillige Opfer anzusaugen, mal ganz zu schweigen ... Oh, wehe, uns droht der Weltuntergang, doch was ist das? Es naht Rettung aus England in Gestalt von Van Helsing und seinem jungen Assistenten Simon (Miller). Die beiden machen sich also flugs auf die Jagd nach Dracula (Gerard Butler), während der etwas anderes jagt: Die junge Mary (Justine Waddell) hat seit frühester Kindheit Alpträume und ein Geheimnis, das sowohl Dracula als auch seine beiden Verfolger interessiert ...
Mit Coolness gegen die bösen
Jungs: |
Zurück zur Ausgangsfrage: Wer braucht so etwas, einen erneuten
Dracula-Aufguss? Die Antwort: Wenn das Ergebnis derart temporeich,
gewitzt und durchaus nicht dumm daher kommt, dann immer her damit.
Die Übertragung des Stoffes in die Moderne wirkt in diesem eher
seltenen Fall gelungen, da die Umsetzung Schritt hält: Kamera, Schnitt
und Effekte sind up to date. Sicher, man sieht, daß dieser Dracula
keine 100 Millionen Dollar gekostet hat, aber in dem Fall wäre sicherlich
viel vom fast altmodischen Witz verlorengegangen. Das Schauspielerensemble
hat durchweg Spaß daran, diesen köstlichen Unsinn mitzumachen, und
werden dafür mit ebenso köstlichen Zeilen belohnt: Als Miller einem
Vampir den Garaus gemacht hat, darf er in bester Eastwood-Manier
brummen: "Never ever fuck with an Antiquedealer!" Mucho cool. Ebenfalls
sehr schön, wie selbstironisch der Film die Stereotypen auf die
Schippe nimmt. Als Millers Figur einem angreifenden Vampir zur Abwehr
ein Kruzifix entgegenhält, hält dieser kurz inne, scheint ein wenig
nachzudenken, zuckt dann mit den Schultern, sagt: "Sorry, ich bin
Atheist!" und greift weiter an. Herrlich.
Jeri Ryan beim gepflegten Blutsaugen. |
Was aber den Film eindeutig über das Niveau eines leidlich unterhaltsamen Spaßfilms hebt, ist die Schlußpointe. Diese soll hier natürlich nicht verraten werden, aber daß es den Machern überhaupt gelang, dem hundertmal gezeigten Dracula-Mythos noch eine völlig neue Facette hinzuzufügen, grenzt ans Genialische. Zugegeben: Einer ganz genauen Betrachtung kann der so simple wie geniale Einfall nicht standhalten, der reinen Wirkung in diesem knalligen Vergnügen tut das aber keinen Abbruch. Wären alle Remakes so smart wie "Wes Cravens Dracula", dann hätten diese auch nicht so einen schlechten Ruf.
Aufgrund der Thematik und den auch vom Rezensenten anfangs aufgeführten Vorbehalten wird diesem Film wahrscheinlich nur der Status eines kleinen Geheimtips bleiben. Wer aber sowohl klassische Vampirfilme als auch gepflegten bis gewitzten Grusel mag, der darf "Wes Cravens Dracula" nicht verpassen.
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