
Magnolien
aus Stahl, Weißer Oleander - Filme, die diverse Frauenschicksale
miteinander verweben, werden gern mit blumigen Titeln bedacht. Dabei
bringt die plumpe Metapher die Aussage des Films gleich auf den Punkt:
hier geht es um Frauen, die zart erscheinen, tatsächlich aber
ganz schön tough sind. Wie weißer Oleander eben, der auch
in stürmischen Zeiten blüht und obendrein noch ein tödliches
Gift absondert.
Ingrid Magnussen (Michelle Pfeiffer) liebt diese Pflanze. So unkonventionell
wie ihre botanischen Vorlieben ist ihr ganzes Leben als allein erziehende
Mutter und Künstlerin. Ihre Tochter Astrid (Alison Lohman) kommt
dabei häufig zu kurz. Und steht, als Ingrid wegen Mordes an ihrem
Liebhaber verhaftet wird, ganz allein da. Für den Teenager beginnt
eine Odyssee durch verschiedene Pflegefamilien, die einen Querschnitt
durch die amerikanische Gesellschaft bilden: Die nicht mehr ganz taufrische
Ex-Stripperin Star (Robin Wright Penn) hat sich dem Alkohol ab- und
einer Bibelgemeinschaft zugewandt. Als ihr Lebensgefährte Ray
(Cole Hauser) Interesse an Astrid zeigt, kommt es zur Katastrophe
- und Astrid in ein Jugendheim. Hier zeigt Paul (Patrick Fugit) Interesse
an der künstlerisch begabten Astrid, die ihre Verletzungen in
der Zeichnerei zu kompensieren versucht. Doch angesichts Ingrids vehementem
Plädoyer für die Unabhängigkeit starker Frauen lässt
Astrid Paul zunächst nicht an sich heran.
Ihre
nächste Pflegefamilie lebt in einer luxuriösen Villa am
Strand vom kalifornischen Malibu, und Astrid entwickelt ein inniges
Verhältnis zu ihrer warmherzigen, doch äußerst labilen
Pflegemutter Claire (Renee Zellweger). Ingrid überwacht diese
Entwicklung eifersüchtig aus dem Gefängnis heraus und löst
durch ihr Eingreifen eine weitere Katastrophe - und Astrids Rückkehr
ins Heim - aus. Die Beziehung zwischen Ingrid, die trotz ihrer langen
Abwesenheiten Astrids Leben dominiert, und ihrer Tochter spitzt sich
immer mehr zu. Doch Astrids emotionale Abnabelungsversuche scheitern
an Ingrids Härte und ihren vielen unbeantworteten Fragen nach
dem Wesen ihrer Mutter und der eigenen Identität.
Eine russische Flohmarkthändlerin wird Astrids letzte Pflegemutter.
Sie steht kurz vor ihrem Highschool-Abschluss - und dem Sprung in
ein selbst bestimmtes Leben, in dem auch Paul mittlerweile einen Platz
gefunden hat. Da bittet Ingrid sie um eine Falschaussage vor Gericht...
Kinodebütant
Peter Kosminsky versammelt neben der beeindruckenden Newcomerin
Alison Lohman, der eine äußerst glaubwürdige Selbstfindungsreise
vom Teenie zur jungen Frau gelingt, eine ganze Riege erstklassiger
Darstellerinnen. Und dreht sich daraus einen Strick. Denn hier wird
in nur 109 Kinominuten versucht, zu viele Schicksale vielschichtiger
Frauen auszuloten. Dabei muss die dramaturgische Entwicklung teilweise
auf der Strecke bleiben. So erscheint Ingrids inneres Wachstum am
Abnabelungsprozess ihrer Tochter in so groben Sprüngen, dass
er für den Zuschauer kaum noch plausibel ist. Eine Fokussierung
auf die Mutter-Tochter-Beziehung wäre hier wünschenswert
gewesen. Auch wenn das den Verlust kleiner intermedialer Highlights
bedeutet hätte: Renée Zellweger zeigt als erfolglose
Schauspielerin Claire ihrer Pflegetochter Astrid einen ihrer Filmauftritte.
Und das ist ein Ausschnitt aus einem weniger gloriosen Punkt in
Zellwegers eigener Filmografie: Ihr Auftritt 1994 im Sequel vom
"Kettensägenmassaker".
Doch trotz zu vieler Erzählstränge ist "Weißer
Oleander" viel mehr, als sein blumiger Titel androht. Hier
geht es nicht nur um den harten Kern in der Schale schöner
Frauen, sondern um das Erwachsenwerden eines jungen Mädchens,
das sich in vielen Abhängigkeitsverhältnissen befindet.
Verletzlich und offen tendiert sie dazu, sich ihrer jeweiligen Umgebung
anzupassen, während ihre dominante Mutter selbst aus dem Gefängnis
heraus die Fäden in der Hand hält. Das macht sie zunächst
zu einem Spielball, jedoch niemals zu einem Opfer. Am versöhnlichen,
hart an der Grenze zum Kitsch schrammenden Schluss ist Astrid aus
jedem Konflikt ein wenig stärker hervorgegangen. Doch die Bilder
von Ex-Dokumentarfilmer Kosminsky und Lohmans hervorragend differenziertes
Spiel machen das durchaus verzeihlich.
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