Voll frontal

Originaltitel
Full frontal
Land
Jahr
2002
Laufzeit
101 min
Genre
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Miriam Flüß / 23. Dezember 2010

Steven Soderbergh ("Erin Brockovich", "Ocean's Eleven") ist längst ein etablierter und seit "Traffic" auch Oscar-dekorierter Hollywood-Regisseur. Würde er sein Regiedebüt "Sex, Lügen und Video" (1989) noch einmal drehen, sähe es laut Soderbergh seinem neuesten Werk "Voll Frontal", sehr ähnlich. Und genau diesen Anschein erweckt "Voll Frontal", der wie ein Independent-Film daher kommt. Soderbergh scheint sich hier den Wunsch einer nostalgischen Reise zurück zu den Anfängen eines Jungregisseurs zu erfüllen, dem kaum Geld, aber jede Menge unkonventionelle Ideen zur Verfügung stehen. Die künstlerische Freiheit, letztere umzusetzen, kann sich Soderbergh im Kommerzorientierten Hollywood erst als etablierter Regisseur leisten. Oder er konnte - ketzerisch gedacht - damals noch nicht bei seinen dänischen Kollegen abgucken. Bei denen heißt das, was Soderbergh in "Voll Frontal" erfolglos versucht, nämlich Dogma, wurde einige Jahre nach "Sex, Lügen und Video" entwickelt und ist seinerseits längst etabliert.
"Voll Frontal" wurde innerhalb von 18 Tagen vorwiegend in digitaler Videotechnik abgedreht. Die Darsteller - darunter David Duchovny und Julia Roberts - wurden von Soderbergh ausdrücklich zur Improvisation aufgefordert. Vor Drehbeginn erhielt jeder von ihnen ein Regelwerk von zehn Punkten, das ihnen u.a. einen eigenen Wohnwagen untersagte, ihnen die alleinige Verantwortung für Make-up und Garderobe übertrug und den Fahrdienst zum Set abschaffte. Ob Mega-Diva Julia Roberts sich daran gehalten hat, darf bezweifelt werden. Die Darsteller sollten jedenfalls so das zentrale Thema des Films, zwischenmenschliche Beziehungen, so intensiv als möglich erfahren und so wenig wie möglich agieren.
Angesiedelt in der Filmbranche verwischen in "Voll frontal" Film und Realität ohnehin - was u.a. ein Cameo-Auftritt von Brad Pitt unterstreicht. Im Mittelpunkt stehen sieben Menschen während eines Zeitraumes von 24 Stunden, die auf verschiedene Weise miteinander verbunden und alle am Abend zum 40. Geburtstag des erfolgreichen Produzenten Gus (David Duchovny) eingeladen sind. Lee (Catherine Keener) ist eine erfolgreiche, aber unzufriedene Karrierefrau, die sich entschließt, ihren Mann Carl (David Hyde Pierce) zu verlassen und ihren Frust in demütigenden Kündigungsgesprächen mit ihren Mitarbeitern ablässt. Carl wird zeitgleich selbst gefeuert und erwacht erst aus seiner Lethargie, als er seinen Hund beinahe mit einem Haschkuchen umbringt. Calvin (Blair Underwood) und Francesca (Julia Roberts) spielen derweil einen erfolgreichen Schauspieler und eine Reporterin, die sich an einem Filmset treffen. Lees Schwester Linda (Mary McCormack) arbeitet als Masseuse und trägt sich mit dem Gedanken, nach Tucson zu fliegen, um dort eine ihr völlig fremde Internet-Bekanntschaft zu treffen. Und dann ist da noch Hitler (Nicky Katt), Hauptdarsteller des mäßig erfolgreichen (und ebenso mäßig witzigen Regie-Einfalls) "The Sound and the Führer".

In ihren verzweifelten Bemühungen, mit anderen Menschen in eine Beziehung zur treten, bewegen sich die Figuren durch Theater-im-Film oder Film-im-Film-im-Film oder einfach nur durch die Lobbies von Luxus Hotels, immer aufs Neue enttäuscht, und realisieren nicht, dass das, worauf sie warten, vielleicht in genau diesem Moment passiert ist.
Grobkörnige Aufnahmen und gewollt nachlässig zurechtgemachte Hollywood-Stars sollen dem Ganzen Authentizität und den leicht naiven Charme eines Independent-Films verleihen. Überzeugend ist dieser Versuch in keiner Weise. Erschlagende Symbolik (Lees Spiel mit der aufblasbaren Weltkugel) und ermüdende Dialoge, die nach Soderberghs selbst ernannten Regeln jeweils nur von zwei Charakteren pro Szene geführt werden dürfen, wirken bemüht und dem Spiel mit dem Film im Film fehlt jegliches satirische Element.
Soderberghs zehntes Gebot an seine Darsteller lautete: "Du wirst Spaß haben, ob du willst oder nicht". Der Zuschauer, der ihn gern gehabt hätte, ist leider meilenweit davon entfernt. Soderberghs krampfiger Naturalismus schafft es, auch schauspielerisch gelungene Szenen verblassen zu lassen und jegliche Sympathien für eine der Figuren im Keim zu ersticken. "Voll Frontal" ist voll daneben.


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