Als Luc Besson vor rund 20 Jahren „Das 5. Element“ herausbrachte war dieser Film ein Kompromiss. Als Franzose war Besson mit der in seiner Heimat sehr populären SF-Comicserie „Valerian“ aufgewachsen und träumte als großer Fan davon, diese auf die Leinwand zu bringen. Doch die technischen Möglichkeiten waren damals noch zu limitiert, um die vor phantasievollen Ideen, Welten und Völkern sprühende Vorlage adäquat umsetzen zu können. So erschuf der Regisseur seine eigene, ebenfalls sehr originelle Zukunftswelt, verwendete dabei jedoch bereits diverse Elemente (wie das Lufttaxi) aus der Saga um den Raum-Zeit-Agenten und arbeitete auch eng mit „Valerian“-Zeichner Jean-Claude Mezieres zusammen. Der Wunsch nach einer „echten“ Umsetzung des Comics blieb aber immer präsent und nicht zuletzt dank des kommerziellen Erfolgs seines letzten Films „Lucy“ stellte man Besson ein üppiges Budget dafür zur Verfügung. Hier ist er nun also, der große europäische Science-Fiction-Film, der so überbordend und eigenwillig daher kommt, dass man ihn in Hollywood sicher nie bewilligt hätte.
Einst als Raumstation der Menschen entworfen, hat sich aus „Alpha“ eine durch das Weltall treibende intergalaktische Stadt entwickelt, auf der zahllose Völker der Galaxie ihren eigenen Sektor bewohnen. In einer Ecke dieses undurchdringbaren Konglomerats breitet sich jedoch seit einiger Zeit eine Art größer werdender „Virus“ aus, weshalb die Erdregierung ihre beiden Spezialagenten Valerian (Dane DeHaan) und Laureline (Cara Delevingne) auf den Plan ruft. Diese erhalten von ihrem Kommandanten (Clive Owen) den Auftrag, den mysteriösen Vorgängen nachzugehen, und stoßen im Verlauf ihrer Mission auf zahlreiche ungewöhnliche Wesen und Welten, die ihnen nicht immer wohlgesonnen sind. Und auch die Rolle der Erdregierung scheint bei dieser Angelegenheit recht zwielichtig zu sein.
Sie tauchen alle auf, die verrückten Geschöpfe aus der Feder von Comiczeichner Mezieres, seien es der knuffige Grunztier-Transmutator, der zur Vervielfältigung von Münzen und Perlen her halten muss, die tumben Bagulin und auch die geschäftstüchtigen Shinguz, in denen man klar das Vorbild für die Ferengi aus „Star Trek“ erkennen kann - so wie sich auch George Lucas einst zumindest von „Valerian“ inspirieren ließ, als er seine Cantina-Bar im ersten "Star Wars"-Film mit absonderlichen Aliens besetzte. Während Luc Besson im Laufe seiner Karriere nicht immer hochinspirierte Werke ablieferte, ist das eingebrachte Herzblut hier nun unübersehbar. Der Kenner der Vorlage erfreut sich an einer recht genauen Umsetzung von Album 6 der Albenserie („Botschafter der Schatten“ von 1975) und nimmt die abweichende Rahmengeschichte gelassen zur Kenntnis, zumal diese schon in der Eröffnungssequenz auf dem Planeten Mül für atemberaubende Bilder sorgt. Ja, das ist zum allergrößten Teil ein CGI-Feuerwerk und das mag bekanntlich nicht jeder, aber anders wäre der „Valerian“-Kosmos eben auch nicht darstellbar und es kann wohl niemand ernsthaft bestreiten, dass das, was man hier auf die Leinwand zaubert, einfach verdammt gut aussieht.
Der Einfallsreichtum der visuellen Umsetzung ist einer der Trümpfe, die Besetzung der beiden Hauptfiguren ein weiterer. Mit Dane DeHaan („Amazing Spider-Man 2“, „A Cure for Wellness“) und dem früheren Model Cara Delevingne („Margos Spuren“) hat man zwei der angesagtesten Jungstars ausgewählt, die in ihren Rollen perfekt miteinander harmonieren. Schon die Comic-Figur Laureline (bei uns in Deutschland bisher immer in „Veronique“ umgetauft) gilt als Vorreiterin in Sachen Emanzipation und selbstbewusster Frauenfiguren und auch in der Interpretation von Delevingne kommt sehr gut rüber, dass eben sie es ist, die nicht nur immer wieder sowohl den Tag als auch den leicht überheblichen Kollegen aus der Not rettet, sondern ihm auch stets gut Contra gibt und sich seiner ein wenig zu plumpen Avancen zu erwehren weiß. Dane DeHaan darf dabei endlich mal ein wenig verschmitzter und lockerer agieren als bei den mental eher unausgeglichenen Figuren, die er sonst gern verkörpert, es ist aber noch mehr Cara Delevingne die hier schauspielerisch und in Sachen Charisma überzeugt, woran nach ihrem schwachen Auftritt in „Suicide Squad“ ja zurecht noch einige Restzweifel vorhanden waren. Während ein Clive Owen und ein Ethan Hawke nicht sehr viele Möglichkeiten bekommen Eindruck zu hinterlassen, gehört der Auftritt von Popstar Rihanna zweifellos zu den Höhepunkten des Films. Zwar bewegt die sich als singende und tanzende Gestaltwandlerin natürlich innerhalb ihrer Komfortzone, aber das ändert nichts an der tollen Umsetzung ihrer Performance.
Bliebe noch zu klären, ob denn letztlich auch die Story etwas taugt oder ob sie im Rausch der visuellen Effekte und inmitten des irrwitzig wuseligen Schauplatzes untergeht. Nun, es ist nicht zu leugnen, dass Besson – der hier selbstverständlich auch das Schreiben des Drehbuchs selbst übernommen hat – den eigentlichen Handlungsfaden im Mittelteil des Films für eine durchaus beträchtliche Weile ziemlich aus den Augen verliert bzw. bewusst links liegen lässt. Wenn Laureline sich durch die verschiedenen „Alpha“-Quadranten kämpft und dabei den merkwürdigsten Gestalten begegnet, dann ist das schon oft das Mittel zum Zweck, um noch ein wenig mehr aus der Trickkiste zu zeigen. Aber zum Finale gelingt es dann doch noch auch die Geschichte einigermaßen rund zu machen und eine passende Erklärung für die Geschehnisse zu liefern, die man je nach Gusto als durchaus bewegend oder auch als leicht kitschig bewerten kann.
Auf jeden Fall hoch zu bewerten ist die Konsequenz mit der Luc Besson sein persönliches Lieblingsprojekt nun doch noch umgesetzt hat, ohne dabei allzu große Rücksicht auf die konventionellen Erzählstrukturen zu nehmen, die einem Hollywood-Blockbuster sonst gerne mit auf den Weg gegeben werden. Es kann durchaus sein, dass der faszinierende „Valerian“-Kosmos damit fürs Massenpublikum verschlossen bleibt, aber selbst wenn war es das vielleicht trotzdem wert, den Film genau so zu machen.
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