Es war ein Verlauf, so absehbar wie die letzte
deutsche
Fußballmeisterschaft: Die verschiedenen Auflagen des
"Tomb Raider"-Videospiels verkauften sich
millionenfach
und kreierten mit der Abenteuer-Archäologin Lara
Croft
den ersten virtuellen Superstar der Welt. Eine
Erfolgsstory,
die nur noch auf eine passende Darstellerin wartete,
um endlich
verfilmt zu werden. Als diese mit der
unvergleichlichen Angelina
Jolie endlich gefunden war, kam "Tomb
Raider" ins Kino - und war selbstverständlich
ein miserabler Film, denn wie so oft hatte man
angesichts
eines Selbstläufers von Produktname auf jegliche
kreative
Investition verzichtet. Was dem Selbstläufer
natürlich egal war: Der Film spielte weltweit über
300 Millionen Dollar ein und ebnete somit den Weg
für
eine Fortsetzung.
So weit, so erwartbar. Die gänzlich unvorhersehbare
Überraschung
kam am US-Startwochenende des aufwendigen Sequels
"Tomb
Raider: Die Wiege des Lebens": Nachdem mit "Natürlich
blond 2" und "Drei
Engel für Charlie: Volle Power" bereits zwei
als Hit-Garanten gebuchte Sequels hinter den
(finanziellen)
Erwartungen zurückgeblieben waren, bekam "Tomb
Raider"
die volle Breitseite ab. Nur knapp über 20 Millionen
Dollar Einspiel in den ersten drei Tagen, das ist
für
einen Film dieser Größenordnung gleichbedeutend
mit einer Totalkatastrophe. Es scheint fast so, als
ob das
amerikanische Kinopublikum, nachdem es jahrelang mit
hirnlosen
Fortsetzungen hirnloser Filme abgespeist worden ist,
jetzt
endlich anfängt, mit gebündeltem Desinteresse
zurückzuschlagen.
Die Ironie des Ganzen: Der zweite "Tomb Raider"-Teil
punktet genau da, wo der Vorgänger versagte, ist
ergo
eine der ganz wenigen Fortsetzungen, die tatsächlich
deutlich besser als das Original sind, und hat somit
diesen
Flop eigentlich gar nicht verdient.
Der Grundverlauf ist indes wiederum wenig überraschend: Auch diesmal macht sich die toughe Lara auf die Suche nach einem sagenumwobenen Artefakt, in diesem Falle kein geringeres als die Büchse der Pandora (der griechischen Mythologie nach eine kleine Kiste, die Obergott Zeus der Pandora übergab mit der Warnung, nicht hineinzuschauen. Die war jedoch zu neugierig, linste hinein und brachte so das darin enthaltene, gesammelte Unglück der Welt über die Menschheit. Für die Filmzwecke wurde dies allerdings leicht umgedichtet, so dass die Büchse jetzt "nur noch" eine unheilbare Seuche enthält). Hinter der - laut freier Film-Geschichtsbildung - einstmals durch Alexander den Großen am Ursprungsort aller menschlichen Existenz, der titelgebenden "Wiege des Lebens", entdeckten Kiste ist auch der ebenso brillante wie gewissenlose Wissenschaftler Dr. Jonathan Reiss her, der sich mit dieser ultimativen Waffe ein enormes Geschäft verspricht, anstatt wie bisher einfach nur biologische Kampfstoffe zu verticken. Die gesamte Menschheit ist bedroht, und so bekommt Lara direkt vom britischen Geheimdienst (mit Zustimmung der Queen höchst selbst) den Auftrag, Reiss aufzuhalten und die Büchse der Pandora als Erste sicherzustellen. Dafür braucht sie allerdings die Hilfe von Terry Sheridan - Landesverräter und ehemaliger Liebhaber, dem man nicht so schnell trauen sollte.
Im Prinzip bewegt sich alles in bewährten Bahnen:
Wir
haben die Heldin, den Bösewicht, das Love Interest
für
ein bisschen knisternde Erotik (nicht zuviel
natürlich,
wegen der Altersfreigabe), eine überschaubare
Handlung
und jede Menge abzuklappernde exotische Locations,
an denen
man tolle Actionsequenzen inszenieren kann. "Tomb
Raider:
Die Wiege des Lebens" leistet sicher nichts Neues,
ganz
im Gegenteil. Der Film setzt sich unübersehbar aus
Elementen
der "James Bond"- und "Indiana Jones"-Reihen
zusammen (die Suche nach der Büchse der Pandora
ähnelt
von den ersten Reliefabbildungen bis zur letzten
Reiseetappe
sehr markant der Bundeslade aus dem ersten
Jones-Film), tut
dies aber mit einer trockenen
Selbstverständlichkeit, der man Respekt zollen muss.
Sich derart dreist hinstellen und so zu tun, als
würde
man all diesen höheren Blödsinn (ein ordentlicher
Fausthieb auf die Nase eines hungrigen Hais ist da
nur ein
früher Gipfel) tatsächlich ernst meinen, das zeugt
von einer aalglatten Selbstsicherheit, an der
hinterfragende
Kritik bezüglich Glaubwürdigkeit oder ähnlichem
Zeug wirkungslos abprallt.
Oder, um es freundlicher auszudrücken: "Tomb Raider:
Die Wiege des Lebens" ist ein nettes, buntes
Kinoabenteuer,
das genug tut, um als genau solches gut zu
funktionieren.
Das heißt vor allem auch, dass man sich die
unglaubliche
Plattheit des ersten Teils nicht noch einmal leistet
und aus
den damaligen Fehlern gelernt hat: Das Sequel hat
tatsächlich
so etwas wie einen ordentlich konstruierten Plot und
bekommt
es sogar hin, die Charaktere nach etwas mehr als
simplen Pappkameraden
aussehen zu lassen. Mit Jan de Bont ("Speed",
"Twister")
holte man sich einen weitaus besseren Regisseur an
Stelle
des bei Teil Eins komplett überforderten Simon West,
was sicherlich auch zum qualitativen Fortschritt
beitrug.
Und wenn alle Stricke reißen, gibt es immer noch
Angelina
Jolie: Auch wenn sich diese fabelhafte
Schauspielerin nach
wie vor für ein immerhin fürstliches
Gehalt in dieser Franchise verheizt, so ist und
bleibt sie
dennoch die einzig wahre, schlichtweg perfekte
Besetzung für
die gehässig-coole Lara Croft und bereichert auch
die
Fortsetzung mit einer erstaunlichen
Schauspielleistung, ohne
die das Endergebnis weitaus schlechter ausgefallen
wäre.
Nicht, dass es beim zweiten "Tomb Raider" keine
Schwächen gäbe: Auch wenn sich der Film redlich
müht, interessant zu bleiben, so macht er auf dem
Weg
zum Showdown zu viele langwierige Zwischenstopps und
bremst
sich dadurch selbst aus. Einsamer Höhe- bzw.
Tiefpunkt
des Films ist allerdings ein Stück deutsches
Exportgut,
dass uns allen kollektiv peinlich sein sollte: Til
Schweiger
braucht in der Rolle des Ober-Handlangers von
Bösewicht
Reiss kaum mehr als zwanzig Dialogzeilen, um mit
Nachdruck
zu unterstreichen, was für ein erbärmlich miserabler
Schauspieler er ist. Aber immerhin hat man dank ihm
wenigstens
was zum (aus)lachen.
"Tomb Raider: Wiege des Lebens" ist kein außergewöhnlicher Film und sicher nichts, was man gesehen haben muss. Aber immerhin ist es ein fast schon klassischer Abenteuerfilm mit genug Hirn, um sich nicht lächerlich zu machen, und in dieser Hinsicht ein ganz großer Schritt nach vorne im Vergleich zum ersten Teil. Dass es nach dem furiosen US-Flop wohl auch der letzte Teil dieser überraschend kurzlebigen Film-Franchise bleiben wird, ist allerdings anzunehmen. Immerhin verabschiedet man sich mit Anstand. Auch wenn das wohl für keinen der Produzenten ein wirklicher Trost ist.
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