Seine Blütezeit erlebten die Werke des 2013 verstorbenen Bestsellerautors Tom Clancy im Kino in den 1990ern. Erst Alec Baldwin („Jagd auf Roter Oktober“) und schließlich Harrison Ford („Die Stunde der Patrioten“, „Das Kartell“) schlüpften hier publikumswirksam in die Rolle des CIA-Agenten Jack Ryan. Danach wurde es eher still um die Reihe – woran auch die Wiederbelebung der Figur durch Ben Affleck in „Der Anschlag“ (2002) nicht wirklich etwas ändern konnte. Doch angesichts der Vorliebe von Streamingdiensten für vertraute Marken war es ja nur eine Frage der Zeit, bis Ryan schließlich zurückkehren durfte – diesmal in Serienform auf Amazon Prime Video.
Offensichtlich zufrieden mit den Abrufzahlen schaute man sich bei Amazon nun nach weiterem Franchise-Potential im Ryan-Universum um. Warum man sich in „Gnadenlos“ schließlich für den Navy Seal John Kelly entschied, hat dann vor allem auch etwas mit Blick auf die Zukunft und den Geldbeutel zu tun. Doch trotz einem der spannendsten Darsteller (Michael B. Jordan, „Nächster Halt: Fruitvale Station“, „Black Panther“) und einem der interessantesten Autoren (Taylor Sheridan, „Hell or High Water“, „Wind River“, „Sicario“) der letzten Jahre, ist „Gnadenlos“ am Ende eine ziemlich herbe Enttäuschung geworden. Nur knapp eine halbe Stunde lang können ordentliche Action-Sequenzen die klischeehafte Story auf Kurs halten, bevor der Film schließlich auf fast allen Ebenen von Einfallslosigkeit geradezu übermannt wird.
Ziemlich frustriert kehrt der Navy-Seal John Kelly (Michael B. Jordan) nach einem nicht gerade perfekt gelaufenen Einsatz in Syrien in die USA zurück. Doch die ruhige Zeit mit seiner schwangeren Frau kann John nur kurz genießen, denn brutale Vergeltungsschläge reißen Kelly und die Mitglieder seiner Einheit aus ihrem friedlichen Alltag. Kelly schwört blutige Rache, doch seine Einsatzleiterin Karen Greer (Jodie Turner-Smith) und CIA-Mann Robert Ritter (Jamie Bell) halten Kelly (vernünftigerweise) nur für bedingt dazu geeignet sie in ihren Ermittlungen zu unterstützen. Allerdings hat Staatssekretär Clay (Guy Pearce) mit emotional instabilen Navy Seals weniger seine Probleme, und so darf Kelly sich für ihn auf die Suche nach den Drahtziehern begeben. So wirklich geräuschlos dürfte die aber wohl kaum ablaufen.
Elite-Soldat schwört Rache weil ihm auf brutale Weise das einzig Wichtige in seinem Leben genommen wurde – das ist jetzt nicht unbedingt das frischeste Ausgangsszenario für einen Action-Thriller. Kann aber natürlich trotzdem gutes Entertainment werden, und eigentlich beginnt „Gnadenlos“ auch durchaus ordentlich. Der persönliche Schicksalsschlag, den John zu Beginn erleiden muss, ist wirklich spannend und packend umgesetzt. Doch leider freuen wir uns zu früh. Abgesehen von einer ebenfalls gut gelungenen Unterwassersequenz können alle folgenden Action- und Thrillerszenen dem gelungenen Start leider nicht mal ansatzweise mehr das Wasser reichen.
Das liegt vor allem daran, dass man gefühlt hier wohl etwas auf das Effekte-Budget achten wollte, denn fast alle weiteren Actionszenen erfolgen mehr oder weniger im Halbdunkel. So wird zwar kräftig geballert, aber wer da nun gerade auf wen schießt ist oft gar nicht so richtig auszumachen. Hier emotional mitzufiebern wird dann auch noch dadurch erschwert, dass das Drehbuch diese Szenen lieblos aneinanderreiht und sich um die Motivation der Figuren oder eine halbwegs intelligente Story nicht so wirklich schert. Stellenweise ist es sogar so, dass einem erst nach der Hälfte der Sequenz bewusst wird, wer überhaupt genau bei der Schießerei alles dabei ist.
Je länger sich die Handlung zieht, desto mehr fühlt man sich in die Zeit der eher simpleren 80er Jahre Actionfilme versetzt. So dürfen Bösewichte lange Reden über ihre komplett banalen Motivationen halten oder werden von unserem Helden auf derart simple Weise übertölpelt, dass man deren Intelligenz schon ernsthaft hinterfragen muss. Die Frage, wer hier wohl ein doppeltes Spiel spielt, dürfte vom Publikum sowieso schon beim ersten Auftreten der entsprechenden Figur erraten werden – überraschende Wendungen sucht man in diesem Film auf jeden Fall vergebens. So schleppt sich "Gnadenlos" spätestens nach einer halben Stunde nur noch von einer banalen und uninspiriert inszenierten Actionszene zur nächsten, ohne sich dabei irgendwelche Mühe zu geben auch nur ein bisschen Spannung aufbauen zu wollen. Hauptsache es rumst und kracht ab und zu.
Wenn ein derart talentierter Darsteller wie Michael B. Jordan sich dafür hergibt, riecht dies ja förmlich danach, dass hier wohl der Gehaltsscheck wichtiger als die künstlerische Motivation war. Doch Jordan wirft sich durchaus mit Leidenschaft in die Rolle und auch der Rest der Cast ist durchaus motiviert dabei, auch wenn aus der zweiten Reihe sich niemand wirklich in den Vordergrund spielen kann. Das Problem liegt leider an einer anderen Stelle und da kommen wir dann auch zum wohl frustrierendsten Aspekt des Films. Dass ausgerechnet der wirklich hochtalentierte Taylor Sheridan an so einem lieblosen Drehbuch beteiligt ist, bei dem gefühlt jemand im Tiefschlaf Copy-Paste-Kombinationen drückt, bricht einem schon irgendwie das Herz.
Angesichts des belanglosen Geschehens auf dem Bildschirm stellt sich am Ende auch die Frage, wie viele Leute die obligatorische Franchise-Ankündigung in der Mid-Credit-Szene überhaupt noch wach erleben werden. Es gibt auf jeden Fall bessere Optionen als sich von diesem spannungsarmen Fließbandprodukt die Zeit stehlen zu lassen – es stehen ja schließlich auch so langsam die Weihnachtseinkäufe an. Deswegen unser Vorschlag: den Film am Besten einfach gnadenlos ignorieren.
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