Zugegeben: Es gab gute Gründe, diesem Film sehr skeptisch
zu begegnen. Die sechs Jahre zum Beispiel, in denen Bruce Willis
nun schon keinen veritablen Hit mehr gelandet hat. Oder die zwölf
Jahre, die seit dem dritten "Stirb langsam"-Film ins Land
gegangen sind, jenem eindeutig schwächsten Teil der Reihe,
der schon deutlich den Eindruck vermittelt hatte, dass mit der Figur
John McClane nicht mehr viel anzufangen war. Das
Action-Genre hat sich seitdem substantiell weiter entwickelt, Einflüsse
aus Asien gaben ihm einen neuen Anstrich, und der bodenständige
McClane, einst einmal selbst Gallionsfigur einer neuen Ära
des Actionfilms (siehe unsere Gold-Rezension
zum ersten "Stirb langsam"), kann da nur wie ein angestaubtes
Relikt aus alten Tagen wirken.
Doch ebenso wie beim großartigen "Rocky
Balboa" waren die Unkenrufe, dass hier ein Altstar auf
dem Weg aufs Abstellgleis noch mal um jeden Preis etwas Kohle mit
seiner größten Rolle machen will, verfrüht und nicht
gerechtfertigt. Denn "Stirb langsam 4.0" erweist sich
als ein erstklassiger Actionfilm, der seine schon etwas angegrauten
Wurzeln effektiv zu nutzen weiß.
Die Qualität des Films liegt vor allem in seiner Story - was bereits ein sehr gutes Zeichen ist, denn von Anfang an ist spürbar, dass man (= Willis) offenbar lange und geduldig auf ein ordentliches Skript gewartet hat, bevor man diese Fortsetzung wagte. Das alte Kernprinzip der Reihe, McClane "zur falschen Zeit am falschen Ort" zu haben, um ihn unfreiwillig ins Abenteuer zu schicken, findet auch hier Verwendung: McClane soll einen jungen Hacker zur Vernehmung zum FBI bringen, doch als er den Verdächtigen Matt Farrell (Justin Long) einsammeln will, muss er diesen erstmal vor einem mehrköpfigen Killer-Kommando retten. Wie sich herausstellt, hat Matt unwissentlich bei den Vorbereitungen eines gigantischen Hack-Angriffs geholfen, dessen Hintermänner nun alle Spuren beseitigen wollen, bevor sie das gesamte Land in Chaos stürzen. Und das gelingt auch: Die Cyber-Terroristen übernehmen binnen kürzester Zeit die Kontrolle über so gut wie alle staatlichen Computer-Systeme und damit die komplette Infrastruktur: In der Verkehrskontrolle werden alle Ampeln gleichzeitig auf Grün gestellt, so dass es an jeder Straßenecke scheppert. An der Wall Street werden die Kurse falsch ausgegeben, und der Finanzmarkt verfällt in Panik. In sämtlichen Regierungsgebäuden wird Anthrax-Alarm ausgelöst. Und auf allen Fernsehkanälen laufen Drohbotschaften vom Untergang der öffentlichen Ordnung.
Das ist zwar einerseits alles spektakulär anzusehen, wirkt
andererseits aber auch wirklich unheimlich, da "Stirb langsam
4.0" höchst effektiv die Komplett-Vernetzung des digitalen
Zeitalters als Achilles-Ferse unserer Gesellschaft bespielt, und
damit ein "Was wäre wenn"-Szenario aufbaut, vor dem
jeder einzelne Zuschauer im Saal echte Angst haben kann.
Da hat es dann auch tatsächlich eine überzeugende innere
Logik, dass es ein abgelegtes altes Eisen wie McClane braucht, um
der modernen Hightech-Gesellschaft den Arsch zu retten. Womit wir
bei der zweiten großen Stärke des Films wären: Anstatt
seiner Hauptfigur entsprechend einen Actionfilm der alten Schule
zu versuchen, geht "Stirb langsam 4.0" voll mit der Zeit
und zieht seinen besonderen Charme aus eben diesem Anachronismus
zwischen seinem Helden und der Welt, in der er sich bewegt. Darum
macht es auch absolut Sinn, McClane mit dem jungen Hacker Matt einen
Abgesandten des Cyber-Zeitalters als Buddy an die Seite zu stellen
- der kann sich dann um den ganzen Computer-Schnickschnack kümmern,
von dem McClane wirklich gar nichts versteht, während er seine
ordentliche Handarbeit verrichtet.
Auch optisch bewegt sich der Film auf der Höhe der Zeit, was
vor allem daran liegt, dass man keinen Veteranen der Old-School-Action
auf den Regiestuhl setzte, sondern mit Len Wiseman (bekannt geworden
durch "Underworld"
und die Fortsetzung "Underworld: Evolution") einen Abkömmling
der jungen Regie-Generation des neuen Jahrtausends. Dementsprechend
wird auch "Stirb langsam 4.0" von einer bläulich-monochromen
Farbpalette und der dazu passenden Bildsprache des modernen Actionkinos
bestimmt, ohne dass dies der Effektivität von McClane als Hauptfigur
schaden würde.
Ganz
im Gegenteil: Der Film nimmt das fortgeschrittene Alter seines Helden
immer wieder offensiv auf und bedient McClane konsequent als ein
eigentliches Auslaufmodell, dessen altgediente "Es ist ein
dreckiger Job, aber irgendwer muss ihn ja machen"-Attitüde
ihn auch hier wieder zu einem komplett glaubwürdigen, unfreiwilligen
Helden macht.
So kommentiert der Film auch augenzwinkernd seinen eigenen Kampf
mit den neuen Standards und Einflüssen im Genre. Als McClane
auf die asiatische Handlangerin (Maggie Q) von Oberbösewicht
Thomas Gabriel (Timothy Olyphant) trifft, bekommt er erstmal mit
ein paar eleganten Kicks die Fresse poliert - niedergestreckt von
jenen stylishen Kampfsport-Elementen, die in McClanes zwölfjähriger
Leinwand-Abstinenz das Kommando im Genre übernommen haben.
Doch dann rappelt er sich wieder hoch mit der klaren Ansage "Enough
of that Kung Fu shit!" - und es folgt ein Duell, an dessen
spektakulärem Ende sich McClane in einem Fahrstuhl-Schacht
wieder findet - ein herrliches Zitat auf den ersten Teil der Reihe.
"Stirb langsam 4.0" lebt von zahlreichen solch großartigen
Einzelmomenten, nicht nur in Bezug auf ironische Old School-Anspielungen,
sondern auch in Form von herausragenden Action-Szenen, die für
sich allein genommen jeden Genre-Film ausgezeichnet hätten.
Die cleveren und spektakulären Ideen, mit denen sich McClane
gerade in der ersten Filmstunde aus so mancher Bredouille befreit,
sind brillant
konstruiert, strotzen vor Einfallsfreude seitens der Filmemacher
und lassen den Kinosaal immer wieder in überraschter Begeisterung
aufleben. Eine kurze Sequenz in einem Verkehrstunnel bietet dabei
einige der besten Action-Momente der jüngeren Leinwand-Geschichte.
Das einzige echte Manko an "Stirb langsam 4.0" ist die
Tatsache, dass er sein bestes Pulver nach einer guten Stunde verschossen
hat. Dann ist der Schrecken über das "Welt in Chaos"-Szenario
langsam abgeklungen, und auch dem etwas überkonstruierten Showdown
gelingt es nicht, die genialische Brillanz vorhergehender Action-Sequenzen
zu erreichen. Wenn sich der Film mit der Involvierung von McClanes
Tochter Lucy (Mary Elizabeth Winstead; seine Ex-Ehefrau Holly wird
hier nur noch namentlich erwähnt) im Schlussdrittel dann auch
auf den alten Reihen-Standard beruft, McClane letztendlich ein persönliches
Motiv für sein Heldentum zu geben, ist deutlich spürbar,
wie "Stirb langsam 4.0" entlang bewährter Pfade austrudelt.
Was nicht heißen soll, dass der Film in seiner zweiten Hälfe
langweilt: Der Unterhaltungsfaktor ist immer noch konstant hoch,
und kleine Bonbons wie der späte Gastauftritt von Independent-Held
Kevin Smith als paranoider Hacker-Nerd, der noch bei seiner Mutter
im Keller wohnt, sorgen zusätzlich für gute Laune.
Und wenn schließlich der Abspann ansetzt und dazu Classic Rock von Creedence Clearwater Revival läuft, dann ertappt man sich trotz aller ursprünglicher Skepsis dabei, an dieser Rückkehr des Old School-Helden John McClane richtig viel Spaß gehabt zu haben - und ihn jetzt schon wieder zu vermissen. Womit "Stirb langsam 4.0" dann auch etwas glückt, was der in dieser Hinsicht verhunzte dritte Teil vor zwölf Jahren nicht geschafft hat - einen pointierten, würdigen und passenden Abschluss für eine Reihe und ihren Helden zu setzen, die dem Action-Genre ihren eigenen Stempel aufgedrückt haben. Und hiermit hat er auch den Beweis geliefert, dass man gleichzeitig auf der Höhe der Zeit sein und sich auf die eigenen alten Stärken besinnen kann.
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