Zum allerersten Mal läuft im Leben von Peter Parker (Tobey Maguire) wirklich alles Bestens. Sowohl seine Beziehung zu Mary Jane (Kirsten Dunst) als auch die plötzliche Popularität seines Alter Egos "Spider-Man" in der Öffentlichkeit machen den fleißigen Studenten froh und sogar ein bisschen stolz. Als dann auch noch sein alter Freund Harvey Osborn (James Franco), der Peter für den Tod seines Vaters verantwortlich machte, nach einem Kampf mit Spider-Man sein Kurzzeitgedächtnis verliert und Peter wieder als Freund ansieht, kann es eigentlich nicht mehr besser kommen.
Tut es auch nicht, und so machen sich schon bald gleich mehrere dunkle Wolken am Horizont bemerkbar: Ein aus dem Weltraum gefallener Symbiont nistet sich ein und bewirkt bedenkliche Veränderungen in Peters bisher sonst so gutmütigem Charakter. Es stellt sich heraus, dass der Mörder seines Onkels Ben noch auf freiem Fuß ist und als Superschurke "Sandman" (Thomas Haden Church) Ärger macht. Die blonde Kommilitonin Gwen Stacy (Bryce Dallas Howard) sorgt für Missstimmung bei der eifersüchtigen Partnerin, der ehrgeizige Reporter Eddie Brock (Topher Grace) für Konkurrenzdruck im Job. Und auch Osborn überlegt es sich nochmal und hat schließlich doch wieder Lust auf Trouble.
"Dabei stand durchaus die Befürchtung im Raume, dass man nach der gelungenen Einführung der Charaktere im Vorgänger diesmal vielleicht nur auf noch mehr Effekte, größere und spektakuläre Gegner setzen würde - eine Methode, die z.B. die anfangs erstklassige "Batman"-Reihe stetig in den Abgrund führte".
Keine Sorge, am Abgrund befinden wir uns hier keineswegs, aber dennoch gehört dieses Zitat aus der Filmszene-Rezension zu "Spider-Man 2" genau jetzt noch einmal hervorgeholt, denn nun ist es eben doch soweit. Ein Gegner reicht nicht mehr, es müssen nun gleich dreieinhalb sein, und ein zweites Mädchen wird auch noch in den Ring geworfen. Um all diesen Handlungssträngen zumindest einigermaßen Raum zu geben, beträgt die Laufzeit des dritten Teils daher stolze 140 Minuten. Und zum ersten Mal im Rahmen der Erfolgsstory namens "Spider-Man" gibt es jetzt trotzdem Längen und sogar den einen oder anderen Moment der Langeweile.
Denn die Struktur dieses Films sieht vor, dass nach der ersten Einführung der einzelnen Figuren diese erst einmal wieder aus der Handlung verschwinden um dann später zurückzukehren. Ein Spielchen, das sich mehrfach wiederholt, bis zur "Zusammenkunft" im großen Finale. Als misslungen kann man dabei zwar kaum eines der einzelnen Elemente bezeichnen, aber sie führen dieses Mal leider nicht zu einem so runden und stimmigen Ganzen, wie es vor allem im großartigen zweiten Teil der Fall war.
Lediglich bei den Spezialeffekten ist die "Immer mehr, immer größer"-Entwicklung eindeutig positiv zu sehen. Das Budget für diesen Film sprengt alle Dimensionen und dementsprechend sind die zu bestaunenden Ergebnisse fast ein Quantensprung zur gelegentlich noch vorhandenen Videospiel-Ästhetik von Teil Eins. Jetzt bekommen wir nahezu perfekte Flugsequenzen in atemberaubendem Tempo und CGI-Effekte zur Erweckung der neuen Schurken vom Allerfeinsten.
Vor allem beim "Sandman" hat man aber das Gefühl, dass dieser in der Comic-Vorlage eigentlich eher zweitklassige Gegner vor allem deswegen gewählt wurde, weil sich mit seiner Fähigkeit, aus fließendem Sand die verschiedensten Formen anzunehmen, tricktechnisch so wunderbar klotzen lässt. Allerdings geht dabei auch Einiges von der vormals gepriesenen Bodenständigkeit eines "Spider-Man" verloren, denn die nun gezeigten phantastischen und abgehobenen Fabelwesen sind schon ein ganzes Stück entfernt von den zumindest noch halbwegs denkbaren Schurken der ersten beiden Filme mit ihren technischen Spielereien.
Gerade der Sandman verdeutlicht aber auch am Besten das jetzt auftretende Missverhältnis zwischen visueller Brillanz und inhaltlicher Schwäche. Denn dessen Charakterisierung als eigentlich guter Kerl, der nicht wirklich böse ist sondern nur eine Pechsträhne hat, ist nicht viel mehr als eine Behauptung, die den Taten des von Thomas Haden Church überzeugend verkörperten Einfallspinsel letztendlich aber nicht standhält. Außerdem macht sich das Drehbuch hier selbst eines kleinen Verbrechens schuldig, denn nachträgliche Geschichtskittung ist nie eine gute Sache und so ist es auch nicht in Ordnung, den Sandman nun plötzlich zum "wahren" Mörder von Peters Onkel Ben zu erklären, wo uns doch die Bilder des ersten Films nachweisbar etwas Anderes zeigen. Ein recht billiger Trick, angewandt um eine gewünschte (aber eigentlich gar nicht vorhandene) persönliche Verstrickung des Sandman in das Drama um Peter Parker zu bewirken.
Ebenfalls revidiert wird nun auch die damals getroffene Entscheidung, aus Elementen der beiden wichtigen Frauenfiguren der Comic-Vorlage eine Einzige zu formen, denn es war ja ursprünglich nicht Mary Jane, die vom Green Goblin entführt und von der Brücke gestoßen wurde. Nun aber taucht die süße Gwen Stacy doch noch auf, allerdings ohne einen allzu starken Eindruck zu hinterlassen. Was zwar nicht nur, aber eben auch an einer klaren Fehlbesetzung durch Bryce Dallas Howard liegt. Amüsanterweise spielt nun also die eigentlich blonde Kirsten Dunst den Rotschopf Mary Jane und die rothaarige Howard das etwas naive blonde Gift. Da sie dafür aber einfach nicht der richtige Typ ist, hält sich der Spaß in engen Grenzen - selbst wenn man die persönliche Empörung des Rezensenten mal außer Acht lässt, für den die schöne Gwen in den späten 70ern - genau wie für viele Zeitgenossen - schließlich der Traum schlafloser Pubertäts-Nächte war.
Gar nicht erkennen lässt sich auch der Zweck der wenigen Szenen von Charaktermime James Cromwell als Gwens Vater, dem Polizeichef Captain Stacy. Wenn man da nicht für weitere Fortsetzungen noch etwas vorhat, ist sein Erscheinen wohl nicht mehr als eine kleines Bonbon für die Kenner der Comic-Vorlage. Was an sich aber genauso wenig etwas Schlechtes ist, wie die weiteren sehr gelungenen Cameo-Auftritte von Raimi-Spezi Bruce Campbell und natürlich auch wieder Marvel-Legende Stan Lee.
Doch, es gibt schon einige schöne Szenen im neuen "Spider-Man"-Abenteuer, und zu denen gehören ganz gewiss auch diejenigen, in denen der brave Peter Parker aufgrund seiner Persönlichkeitsveränderung auf einmal als arrogant tänzelnder Womanizer die Straßen unsicher macht. Da darf dann auch Tobey Maguire mal ganz anders. Aber da auch dieser Handlungsbogen dann eher schnell und fast undramatisch aufgelöst und der Humor ansonsten eher auf Sparflamme gehalten wird, bleibt es - neben der bereits gepriesenen optischen Brillanz - halt bei ein paar netten Momenten.
Wie fast zu befürchten war, ist es also tatsächlich nicht mehr gelungen, den Maßstäbe setzenden Vorgänger noch zu übertrumpfen oder auch nur dessen Niveau zu halten. Lediglich der Aufwand wurde noch einmal erhöht, während bei der Qualität der Story und der emotionalen Wirkung deutliche Abstriche zu verzeichnen sind. Das Endergebnis ist immer noch sehenswert und unterhaltsam, aber die Franchise hat nun mit Sicherheit auch einen Endpunkt erreicht.
Ob dieser endgültig oder doch nur vorläufig sein wird, bleibt abzuwarten, die zurückhaltenden Äußerungen der Hauptbeteiligten Raimi, Maguire und Dunst lassen weitere Episoden zur Zeit aber fraglich erscheinen. Jetzt aufzuhören wäre jedenfalls eine kluge Entscheidung, denn auch der in einigen Punkten etwas schwächelnde "Spider-Man 3" geht als Abschluss dieser Trilogie noch in Ordnung, und die große Frage bleibt schließlich: Was bitte, sollte jetzt noch kommen?
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