Und hier kommt der zweite Streich. Nachdem Duncan Jones jegliche Diskussionen darüber, was man wohl vom Sohn David Bowies als Filmregisseur erwarten darf, bereits mit seinem mehr als überzeugenden Erstling "Moon" im Keim erstickte, wird nun nachgelegt. Diesmal nicht nach einem eigenen Skript, aber wieder mit Science-Fiction-Thematik, was Jones selbst als eher ungeplanten Zufall bezeichnet, will er doch keinesfalls als reiner Genreregisseur betrachtet werden. Geblieben ist bei "Source Code" aber nicht nur das Spielfeld, konserviert wurden zum Glück auch die Qualitäten einer äußerst intelligenten und spannenden Geschichte.
Wir befinden uns in einem Zug nach Chicago, wie auch der Mann namens Colter Stevens (Jake Gyllenhaal). Der weiß allerdings zunächst auch nicht mehr als das Publikum, jedenfalls schon mal nicht wie er an diesen Ort gekommen ist. Auch die mit ihm sehr vertraut umgehende Christina (Michelle Monaghan) im Sitz gegenüber ist ihm völlig unbekannt. Einige Minuten lang fragt und bewegt sich der verwirrte Mann durch den Zug, ganz genau genommen acht Minuten lang, denn dann explodiert darin eine Bombe und reißt ihn und sämtliche Umstehenden in den Tod. Nur, dass Stevens kurz darauf wieder erwacht, allein in einem von Stahlwänden ummantelten Raum. Auf dem Bildschirm erscheint das Gesicht einer Frau namens Goodwin (Vera Farmiga), später auch das eines Mannes namens Dr. Rutledge (Jeffrey Wright), beide offensichtlich Angehörige des Militärs. Die Fragen des völlig entnervten Stevens werden nur äußerst knapp beantwortet, im Afghanistan-Einsatz befindet er sich jedenfalls ganz offensichtlich nicht mehr. Aber eine Mission hat er trotzdem zu erfüllen: Nämlich erneut einzutauchen in die letzten Erinnerungen eines Todesopfers aus dem Zug, um Hinweise auf den Attentäter zu sammeln. Zeit hat er dafür erneut nur acht Minuten. Und gefragt, ob er das eigentlich will, wird er auch nicht.
Ohne Vorbereitung wirft uns "Source Code" von der ersten Minute an mitten ins Geschehen und genau wie der ahnungslose Protagonist dürfen wir munter miträtseln, was das alles denn wohl zu bedeuten hat. Aber schnell lüftet sich dann der mysteriöse Vorhang und das genauso simple wie effektive Grundgerüst der Geschichte kommt zum Vorschein. In bester "Murmeltier"-Tradition werden wir nun mehrmals hintereinander verfolgen, wie der arme Colter Stevens dieselben acht Minuten erlebt, die am Ende mit der unvermeidlichen Explosion enden werden. Denn ändern kann er die Ereignisse nicht, da bereits geschehen und nur aus den Erinnerungen eines Opfers zusammengesetzt (womit wir uns hier also auch nicht im Bereich der "Zeitreise" befinden, womit der Film gerne, aber doch fälschlicherweise in Verbindung gebracht wird).
Zwar geht es hier dann nicht annähernd so lustig zu wie im Bill Murray-Klassiker, aber langweilig wird es ebenfalls nicht die Spur. Denn Stevens gewinnt natürlich bei seinen wiederholten Einsätzen im selben Umfeld schnell an Erfahrung, so dass er irgendwann schon reflexartig weiß, wann der Schaffner auftauchen und ein Fahrgast gleich seinen Kaffee verschütten wird. So verschiebt sich der Fokus dann bei jeder neuen Variante und der Wissensvorsprung erlaubt es unserem Helden sich zunehmend auf die Beobachtung weiterer Mitreisender und verdächtiger Vorkommnisse zu konzentrieren. Aber acht Minuten sind trotzdem nicht viel und diese Zeit ist so clever gewählt, dass die Handlung stets unter absoluter Hochspannung und Adrenalin verweilt.
Stück für Stück schält sich in den Zwischenstücken dann auch das tatsächliche Schicksal und "echte" Leben des unfreiwilligen Ermittlers heraus und gibt dem ausdrucksstarken Jake Gyllenhaal Gelegenheit, fast minütlich zwischen Verzweiflung, Fassungslosigkeit und neu gewonnener Motivation zu taumeln. Unterstützt wird er dabei weniger von der hauptsächlich als Stichwortgeberin fungierenden Michelle Monaghan, sondern vor allem vom spröden Charme einer Vera Farmiga ("Up in the Air"), die ihrer zunächst streng und kühl nach Vorschrift agierenden Figur im Verlauf immer mehr mitfühlende und zweifelnde Züge verleiht.
Die Zweifel entstehen dabei am sogenannten "Source Code"-Programm, denn genau das wird mit dem wehrlosen Stevens zum ersten Mal im realen Einsatz getestet und offenbart dabei durchaus auch seine Schattenseiten. Dabei verhebt sich der Film jedoch nicht etwa in den philosophischen (aber extrem fragwürdigen) Untiefen einer "Matrix"-Welt, sondern hält das Konzept schlank und schmal, erläutert es mit nur wenigen Worten und legt den Schwerpunkt durchgehend auf das Tempo und die Spannung der ohne Abspann gerade mal neunzig Minuten langen Erzählung. Die vergehen hier dann auch tatsächlich wie im Rausch und entwickeln dabei einen dramatischen Sog, dem man sich kaum entziehen kann.
Das Finale allerdings bietet dann doch noch einiges an Interpretationsspielraum, dürfte nach dem Kinobesuch für Gesprächsstoff sorgen und bei dem einen oder anderen eventuell sogar einen leicht faden Beigeschmack hinterlassen. Was nicht heißen soll, dass es sich nun definitiv um ein schlechtes Ende handelt, sondern lediglich um ein diskutables.
Der Filmemacher Duncan Jones aber bestätigt mühelos die Erwartungen, die sein Debüt versprach, begeistert auch mit etwas größerem Budget und darf sich daher ab sofort mit einem Christopher Nolan im gleichen Raum aufhalten. Wir dagegen freuen uns zunächst mal ausgiebig über diesen Film und dann auf all das, was von Herrn Jones wohl demnächst noch kommen mag.
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