"Struggling artists in their twenties can play the poet maudit and find romance. Struggling artists hitting 40 are ready for the glue factory." - Rex Pickett, Autor des Romans "Sideways" Miles (Paul Giamatti) ist vom Leben gebeutelt: Die Trennung von seiner Ex-Frau immer noch nicht überwunden, den stumpfen Job als Lehrer satt, die geplante Karriere als Autor lässt auf sich warten. Und das mit fast 40. Gut, dass als Ablenkung sein langgeplanter Trip durch die Weinanbaugebiete Kaliforniens mit seinem alten College-Kumpel Jack (Thomas Haden Church) ansteht. Der will in einer Woche heiraten und plant - sehr zu Miles' Leid - die Reise als wahren Junggesellenabschied, in dem noch schnell flachgelegt werden muss, was sich vor ihm nicht schnell genug retten kann. Und während Jack blitzschnell die lebenslustige Weinverkäuferin Stephanie (Sandra Oh) klargemacht hat, hat Miles da größere Probleme. Zwar findet er die mittlerweile ebenfalls wieder im Single-Dasein angelangte Kellnerin Maya (Virginia Madsen) mehr als nur nett, aber als ein in Sachen Rendezvous chronisch Unbeholfener hat er es - gerade angesichts Jacks Macho-Eskapaden - nicht gerade einfach. Und so steht den beiden ungleichen Kumpels ein absurder, bisweilen schmerzhafter, vor allem aber auch lehrreicher Weinverköstigungsstrip bevor... Die schlechte Nachricht: Ich trinke keinen Wein, und dies ist ein Film über Wein und die, die ihn trinken. Die gute Nachricht: Das macht überhaupt nichts, denn der Wein ist hier natürlich nur Mittel zum Zweck - und der Zweck ist eine Reise to boldly go where few movies have gone before: in die Gefühlswelt des Mannes. Und die richtig gute Nachricht: "Sideways" ist über jeden Meter Zelluloid so großartig, wie man es erwartet und erhofft hat. Vorschusslorbeeren hat der Film nämlich im Magnumflaschen-Format bekommen: Kritikerlob noch und nöcher, sich niederschlagend in Dutzenden Filmpreisen und sich daran knüpfenden Oscar-Prognosen. Selten war man sich so einig, selten hatten alle so recht: "Sideways" ist ein grandioser Streifen, wie ein verloren geglaubter Schatz aus einer vergangenen goldenen Ära. Und die Darsteller selbst, hach. Unnachahmlich, wie Thomas Haden Church auch mit gebrochener Nase noch breitbeinig wie John Wayne durch die Gegend stolziert. Und Paul Giamatti, der schon in "American Splendor" ganz groß war, ist hier ein Monolith von einem Niemand. Sein neurotischer aber liebenswerter Charakter gibt dem Film sein Herz. So richtig exzellent wird das Ganze aber durch ihr Zusammenspiel und die in jeder gemeinsamen Szene zu spürende Chemie zwischen den beiden als gegensätzliche Kumpel. Und dass die ewig unter Wert verkaufte Virginia Madsen - über zehn Jahre nachdem sie sich im ungeliebten Horrorgenre die Seele aus dem Leib spielte ("Candyman's Fluch") - noch einmal eine richtig saftige Rolle bekommt, das ist wahre Gerechtigkeit. Zumal sie - wie auch Kim Basinger - mit zunehmendem Alter offenbar immer attraktiver wird, gerade weil sich ihr jugendlicher Sexappeal mittlerweile in eine andere, reifere Schönheit umgewandelt hat. Das Genie des Films liegt darin, wie zutiefst menschlich sich seine Figuren, vor allem aber die beiden Hauptcharaktere verhalten. "Wann ist ein Mann ein Mann?" hat Grönemeyer gesungen, und "Sideways" gibt die Antwort: Wenn er so ist wie Miles oder Jack. Wer sich als Mann nicht in dem ängstlichen, zweiflerischen, exzentrischen, intelligenten, sarkastischen Verhalten von Miles oder den sexbesessenen, leichtlebigen, starrsinnig optimistischen, von Machoallüren durchsetzten, wankelmütigen, lügnerischen, auch grausamen Zügen von Jack oder - im Idealfall - in beiden zumindest ein bisschen wiedererkennt, der hat nicht richtig hingeschaut. Treffender, wahrhaftiger hat kein Film die Spezies Mann zusammengefasst. Auch wenn soviel Ehrlichkeit manchmal schmerzt. Wenn etwa Miles einsam und nur mit einem Pornoheft im Hotelzimmer zurückbleibt, oder er Mayas subtile Avancen panisch abwehrt, sich nach Beruhigung im Badezimmer dafür dann aber küssend auf sie stürzt, in dem zum Scheitern verurteilten Versuch, das ‚richtige' männliche Verhalten an den Tag zu legen, obwohl er den richtigen Moment dafür verpasst hat. Am Ende hat man alles gehabt: Man hat vor Lachen am Boden gelegen, man war von diesen bezaubernden Figuren angerührt und man hatte einen Film, der einem auf einer realen menschlichen Ebene etwas mitgeteilt hat. Und so tritt mit seinem grenzenlosen Charme und seiner geballten Ehrlichkeit "Sideways" dem verlogenen Hollywood-Mainstream so richtig in den Arsch. Gäbe es mehr Filme wie diesen, die Welt (und die Filmindustrie in ihr) wäre ein besserer Platz. Dies ist der menschlichste, anrührendste, lustigste, zärtlichste und ehrlichste Film, den Hollywood seit vielen Jahren hervorgebracht hat. Und wer diesen Film verpasst, darf sich nicht mehr Filmliebhaber oder Cineast nennen. |
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