Die Idee lag auf der Hand und man darf sich höchstens wundern, warum es denn solange gedauert hat, bis es mal wieder eine Verfilmung von "Sherlock Holmes" gibt, einer der bekanntesten literarischen Figuren überhaupt. Denn während etwa der zur gleichen Zeit entstandene Kollege "Dracula" praktisch in jeder Dekade eine Neuinterpretation erfährt und auch "Robin Hood" bald schon wieder den Bogen spannt, hat man den Meister der logischen Kombination schon ewig nicht mehr auf der Kinoleinwand gesehen, im Grunde nicht mehr seit Peter Cushing und Christopher Lee sich 1959 mit dem "Hund von Baskerville" auseinander setzen mussten. Zwar hielten seitdem diverse britische oder kanadische TV-Produktionen den von Sir Arthur Conan Doyle geschaffenen Detektiv im Gespräch, aber auf eine aufwändige Verfilmung im Zeitalter des modernen Effektkinos musste man doch erstaunlich lange warten.
Bis jetzt, denn nun ist er da, der Zwei-Stunden-Film von Guy Ritchie, besetzt mit den bekannten Stars Robert Downey jr. und Jude Law. Und weil das Werk nun mal "Sherlock Holmes" betitelt ist darf man sich ja eigentlich auch nicht wundern, wenn es dann zuallererst von seiner Hauptfigur lebt. Das jedoch ist in diesem Fall gleichzeitig der größte Trumpf des Films wie auch sein Problem.
Den aktuellen Fall um eine Serie von Ritualmorden haben der Meisterdetektiv Sherlock Holmes (Robert Downey jr.) und sein Partner Dr. Watson (Jude Law) soeben gelöst und als deren Drahtzieher den berüchtigten Lord Blackwood (Mark Strong) entlarvt. Der soll prompt hingerichtet werden, und so könnte sich Holmes im Grunde wieder in sein von nur wenigen sozialen Kontakten bestimmtes, relativ ereignisloses Privatleben zurückziehen. Doch Blackwood bestellt seinen Gegner ins Gefängnis um ihm mitzuteilen, dass mit seinem Tod am Galgen der Spaß erst richtig beginnen wird. Und so kommt es auch, denn neue mysteriöse Verbrechen erschüttern bald das London des ausgehenden 19. Jahrhunderts und Holmes und Watson sehen sich dabei geheimnisvollen Frauen, schwarzer Magie und mysteriösen technischen Apparaten gegenüber, denen es mit Logik, Kombinationsgabe und gelegentlich auch mal dem einen oder anderen rechten Haken zu begegnen gilt.
Beschäftigen wir uns zunächst mal mit dem Namen, der im Zusammenhang mit diesem Film vielleicht der überraschendste war: Kann man dem seit einigen Jahren quasi nur noch in Verbindung mit seiner mittlerweile Ex-Frau Madonna wahrgenommenen Filmemacher Guy Ritchie, der sich zuletzt nur recht mühevoll mit schwacher ("Revolver") bis mediokrer Ware ("Rock'n Rolla") zurück ins Gedächtnis brachte, tatsächlich mit so einer Multimillionendollar-Produktion betrauen? Offensichtlich ja, denn Ritchie entpuppt sich hier weder als zu eigenwilliger Risikofaktor, noch begnügt er sich mit einer uninspirierten Nummer Sicher-Variante.
Im Gegenteil: Seinem Inszenierungsstil, der gerne mit detailreichen und vertrackten Handlungselementen sowie ungewöhnlichen Perspektiven arbeitet, kommt dieses Thema sogar ausgesprochen entgegen, von der typisch britischen Attitüde mal ganz abgesehen. Vom visuellen Standpunkt her gibt es überhaupt nichts zu nörgeln, dass sieht alles sehr schick, verspielt und elegant aus, und selbst diejenigen Bilder, welche ihre digitale Herkunft kaum verschleiern können, wie etwa die mit zahlreichen Schiffen gefüllte Themse oder eine noch im Bau befindliche Tower Bridge, mindern kaum die Atmosphäre einer kuscheligen Behaglichkeit, angesichts der man es sich in diesem fast schon etwas zu schönen London des Jahres 1890 gemütlich machen möchte.
Der Film zehrt also zu einem guten Teil von dieser gelungenen Optik, noch vielmehr allerdings von der Präsenz seines Hauptdarstellers. Ob nun bei seinem fulminanten Comeback als "Iron Man", als herausragendes Ensemble-Mitglied in "Tropic Thunder" oder nun als smarter Chefkombinierer: Robert Downey jr. drückt momentan einfach jedem Film, an dem er beteiligt ist, seinen Stempel auf und lässt dabei den Kollegen nur noch sehr wenig Platz ebenfalls nachhaltig in Erinnerung zu bleiben. Hier sind es zum Einen die cleveren Dialoge und kleinen Kabbeleien mit Kollege/Freund/Mitbewohner Watson und zum Anderen die aus Holmes gestörtem Sozialverhalten entstehenden Situationen, die sich als amüsant bis hinreißend komische Szenen entpuppen. So pendelt Holmes immer leicht zwischen Genie und Wahnsinn, wenn er beispielsweise beim ersten Treffen mit Watsons neuer Flamme (wie war das noch mit der angeblichen homosexuellen Beziehung?) zwar gekonnt seine unvergleichliche Beobachtungs- und Kombinationsgabe demonstriert, gleichzeitig aber auch durch seine unsensiblen Äußerungen für einen Eklat sorgt.
Bei Downey jr. darf man heutzutage ziemlich sicher sein, dass solche Momente dann nie zur albernen Karikatur ausarten, sondern eben stets mit einem kleinen Augenzwinkern verabreicht werden, das dem Mimen bzw. seiner Figur weiterhin unsere Sympathie sichert. Und ein klein wenig Ernsthaftigkeit und Tiefe bringt dann schließlich sogar noch das komplizierte Liebesverhältnis zur von Rachel McAdams recht glamourös verkörperten Dame Irene Adler (also immer noch nix mit der Homoerotik) ins Spiel, dem man ohne Bedenken ein gewisses "Knistern" attestieren kann.
Klingt doch ziemlich erfreulich so weit, wo also verbirgt sich dann das oben erwähnte "Problem"? Nun, durch die starke Fixierung auf die Hauptfigur bleibt nicht nur der Rest der Besetzung reichlich blass (allen voran der extrem farblose Oberschurke Lord Blackwood, aber auch der von Jude Law eher sachlich-funktional angelegte Watson), man hat sich leider auch gleich die Mühe erspart, noch eine halbwegs brauchbare oder interessante Geschichte zu erzählen. Im Grunde besteht der Film nur aus diversen kleinen Einzelepisoden, jede für sich halt nett gemacht und hübsch anzuschauen, aber praktisch frei von jeglicher Spannung und in ihrer Häufung auch nicht ganz frei von einem Hauch Langatmigkeit.
So geht es munter von einem Rätsel und einem Mord zum Nächsten, manches wird dabei schnell aufgeklärt, anderes (wie das Geheimnis um Blackwoods missglückte Hinrichtung) auch gern mal für eine gute Stunde vergessen, um dann am Ende noch kurz nachgereicht zu werden. Die Entscheidung, sich Story und Widersacher komplett neu zu basteln, mag dem Wunsch geschuldet sein, somit frei von literarischen Vorgaben die zahlreichen eigenen Ideen unterbringen zu können, es erweist sich jedoch als beinahe tödlich für den dramaturgischen Aufbau und macht die Suche nach so etwas wie einer "Spannungskurve" zu einem aussichtslosen Unterfangen. Erst ganz zum Schluss deutet sich mit der Erwähnung des Namens "Professor Moriarty" dann auch an, dass der berüchtigte Erzfeind unseres Meisterdetektivs wohl für die geplante Fortsetzung richtig von der Leine gelassen wird und nicht wie hier nur ein - im wahrsten Sinne des Wortes - zurückhaltendes Schattendasein führt.
Diese Defizite schmerzen also weitaus mehr als der Verzicht auf lieb gewonnene Sherlock-Utensilien wie Jagdhut oder den Satz "Elementar, mein lieber Watson", zumal man uns dafür mit einer recht werkgetreuen Demonstration von Holmes' Kampfsportfähigkeiten entschädigt. Da "Sherlock Holmes" aber in den USA im Schatten des übermächtigen "Avatar" ein trotzdem mehr als nur solides Kasseneinspiel vorweisen konnte, ist die Hoffnung auf eine Fortsetzung, die dann vielleicht auch eine nennenswerte und zusammenhängende Geschichte erzählt, ja durchaus begründet. Und der Hauptdarsteller, der wird ja wohl bleiben.
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